Der 28. Feber 2002 war ein wichtiger Tag für die Deutsche Behindertenbewegung.
Der Bundestag hatte soeben mit Mehrheit das Bundesbehindertengleichstellungsgesetz (BGG) verabschiedet. Eine ebenfalls notwendige Verabschiedung des Bundesrates (Länderkammer) steht noch aus und wird für Ende März 2002 erwartet; falls die Länder zustimmen.
Viel Arbeit und Mühe steckte die Deutsche Behindertenbewegung in den letzten Jahren in ihr Ziel eines Bundesbehindertengleichstellungsgesetzes. Umso erfreuter waren die VertreterInnen der deutschen Behindertenbewegung, als am 28. Feber 2002 der Bundestag dem Gesetzesentwurf seine Zustimmung gab.
Anläßlich dieser Sitzung wurden von der Regierung als Zeichen der Wertschätzung zwei Vertreter des „Forums behinderter JuristInnen“ eingeladen, während der Debatte neben der Regierungsbank Platz zu nehmen.
Was enthält das BGG?
Folgende wesentliche Punkte sind u.a. im Gesetzesvorhaben enthalten:
- Zielvereinbarungen zwischen Unternehmen und Verbänden sollen abgeschlossen werden. Die Beteiligten treffen Regelungen, wie und in welchem Zeitraum Barrierefreiheit konkret zu verwirklichen ist.
- Benachteiligungsverbot für Behörden bedeutet, daß kein Amt einem behinderten Menschen etwa die Ausübung eines Berufes wegen seiner Behinderung untersagen darf. Im Wirtschaftsleben sollen behinderte Menschen einen Schadenersatzanspruch erhalten, wenn sie bei einer Bewerbung vom Arbeitgeber wegen der Behinderung abgelehnt werden.
- GebärdendolmetscherInnen sollen hörbehinderten Menschen in Verwaltungsverfahren helfen, mit allen Bundesbehörden zu kommunizieren. Die Betroffenen haben auf die Gebärdendolmetscher in diesen Fällen einen Rechtsanspruch.
- Ein eingeschränktes Verbandsklagerecht für Behindertenverbände gibt diesen die Möglichkeit, Behördenentscheide gerichtlich überprüfen zu lassen.
- Barrierefreie Wahlen meint, blinden Menschen bei Bundestagswahlen durch Wahlschablonen die Abstimmung ohne fremde Hilfe zu ermöglichen.
Nächste Schritte
Ende März werden wir wissen, ob die Bundesländer diesem Gleichstellungsgesetz im Bundesrat ihre Zustimmung geben. Bisher sieht es so aus, als ob konservativ (= CDU) regierte Länder wie Bayern, Baden-Württemberg und Thüringen die Verabschiedung des Gesetzes blockieren wollten. Besonders stört diese Länder eine Verbandsklage, die aber für ein schlagkräftiges Gesetz unbedingt notwendig ist.
Von den Bundesländern werden nun ergänzende Landesgleichstellungsgesetze erwartet. Ein zivilrechtliches Antidiskriminierungsgesetz befindet sich im Bundestag noch in Vorbereitung.
„Der Kanzlerkandidat Stoiber (CDU) kann und muß nun zeigen, ob er sich in dieser für die Behindertenverbände zentralen Frage auf die Seiten von behinderten Menschen in diesem Land oder auf die Seite der Diskriminierer stellt“, faßt z. B. die Ottmar Miles-Paul, ein Vertreter der deutschen Menschenrechtsbewegung, die Situation zusammen. Ein wahrer Satz, nicht nur für Deutschland.
Gleichstellung in Österreich
Anders als in Deutschland sieht es bei uns in Österreich aus: Von den rund einhundert Diskriminierungen, die von der Arbeitsgruppe im Bundeskanzleramt festgehalten worden sind, wurden nur ein kleiner Teil beseitigt. In einigen Ländern wurden zwar gleichfalls Arbeitsgruppen installiert, zum Teil aber mit noch weniger Erfolg.
In Wien etwa wurde bisher auch nur ein Teil aller Diskriminierungen aus der Welt geschafft, in anderen Bundesländern – wie etwa in der Steiermark – gibt es zwar einen fertigen Bericht, dieser wurde aber schubladisiert.