Das "Forum Gleichstellung" hat mit einer ausführlichen Stellungnahme den massiven Nachbesserungsbedarf des Gesetzesentwurfes des BMSG aufgezeigt, um wirklich zu einem Behindertengleichstellungsgesetz zu kommen, das diesen Namen verdient.
Am 24.9.2004 endete die Begutachtungsfrist zum Gesetzesentwurf des Sozialministeriums, mit dem ein Behindertengleichstellungsgesetz erlassen sowie das Behinderteneinstellungs-, das Bundesbehinderten-, das Bundessozialamts- und das Bundesberufungskommissionsgesetz geändert werden sollen.
Das „Forum Gleichstellung“ hat auf rd. 20 Seiten Stellungnahme dargelegt, was notwendig wäre, um aus dem Entwurf, der bislang ein bloßes Antidiskriminierungsgesetz ist, ein Behindertengleichstellungsgesetz zu machen.
Jetzt ist wieder das Sozialministerium am Zuge; doch auch für das „Forum Gleichstellung“ steht die Frage im Raum: „Wie geht´s jetzt weiter?“
Hier seien einige spontane Aussagen von Mitgliedern des „Forum Gleichstellung“ als Antwort auf diese Frage widergegeben:
Martin Ladstätter (BIZEPS): „Wenn wir jetzt nix tun, werden wir morgen so leben wie gestern! Das soll heißen, wenn der Entwurf des Sozialministeriums so bleibt wie er in Begutachtung gegangen ist, wird uns das im täglichen Leben kaum etwas bringen; dann hätten wir zwar ein Gesetz, doch dieses verdient den Namen Behindertengleichstellungsgesetz nicht. Nur wenn der Gesetzentwurf in unserem Sinne und unter Einbeziehung des Forum Gleichstellung als Expertengremium in Angelegenheiten der Behindertengleichstellung nachgebessert wird, werden wir – hoffentlich – morgen nicht mehr so leben müssen wie gestern.“
Inge Pröglhöf: „Für Eltern behinderter Kinder und für behinderte SchülerInnen gibt der Entwurf des Sozialministeriums leider nach wie vor nichts her. Es wäre höchste Zeit, dass auch das Bildungsministerium erkennt, dass es in seinem Zuständigkeitsbereich massiven Handlungsbedarf gibt, will man ein umfassendes Behindertengleichstellungspaket schnüren. Es muss ein Recht auf inklusive Bildung geschaffen werden und es müssen die zahlreichen Behindertendiskriminierungen im Schulrecht endlich mit einem Bündelgesetz, das Teil dieses Gleichstellungspaketes sein muss, bereinigt werden.“
Irmgard Kurz (Integration:Österreich): „Um wirklich nachhaltige Verbesserungen im Bildungsbereich auszuarbeiten ist es notwendig, dass der Dialog mit den ExpertInnen des Forum Gleichstellung in der Arbeitsgruppe der Bundesregierung für ein Behindertengleichstellungsgesetz fortgesetzt wird, denn wir sind erst mitten in der Diskussion und noch lange nicht in der Zielgeraden.“
Heinz Schneider (ÖAR): „Für Menschen mit Behinderung ist wohl die Verankerung des barrierefreien Bauens und des barrierefreien öffentlichen Verkehrs ein absolut wesentlicher Bereich. Aber gerade in diesen Bereichen ist der Gesetzesentwurf ziemlich dürftig; die Definition der Barrierefreiheit muss um einen klaren Verweis auf den „Stand der Technik“, also auf technische Standards wie z. B. bereits bestehende ÖNORMEN (B 1600, V 2100 bis 2106 etc.), ergänzt werden, damit endlich klar wird, was Barrierefreiheit konkret bedeutet und woran man sich zu halten hat. Ohne konkretere Standards werden wir, so wie Martin Ladstätter richtig bemerkt, morgen so leben wie gestern, also immer wieder gegen neue Bausünden und den Einsatz nicht barrierefreier Verkehrsmittel protestieren können, ohne, dass wir uns mit rechtlichen Mitteln wirksam zur Wehr setzen können. Und auch die übrigen Bundesministerien und die Länder haben hier ihre Beiträge zu leisten.“
Mag. Michael Krispl (Blickkontakt): „Der Ministerialentwurf ist zwar ein guter erster Schritt in Richtung eines Behindertengleichstellungsgesetzes, doch wir haben immer gefordert, dass wir ein umfassendes, österreichweites System der Behindertengleichstellung wollen; das vorliegende Behindertengleichstellungspaket bezieht sich nur auf Bereiche, die in Bundesgesetzgebungskompetenz fallen und nicht einmal dieser Bereich wird vollständig abgedeckt. Es müssen daher die Verhandlungen zwischen Bund, Ländern, Sozialpartnern und ExpertInnen der Behindertenbewegung in der Arbeitsgruppe der Bundesregierung für ein Behindertengleichstellungsgesetz intensiv weitergeführt werden. Nicht unwesentliche Bereiche sind ja Landesgesetzgebungskompetenz – z. B. barrierefreies Bauen, Pflichtschulwesen, weite Teile des Beförderungswesens -, so dass die von den Ländern in der Vorbegutachtung vehement geforderte Vereinbarung gem. Art. 15a B-VG über österreichweit einheitliche Standards der Behindertengleichstellung zügig ausverhandelt und beschlossen werden kann.“
Manfred Srb (BIZEPS): „Ich bin enttäuscht, ja sogar zornig darüber, dass man uns offenbar so wenig ernst nimmt und dabei einfach über unseren klar und deutlich erklärten behindertenpolitischen Willen hinweg geht und eine Besser-als-nix-Lösung anbietet, die noch nicht einmal das Niveau Deutschlands erreicht. Wir müssen daher offenbar noch schärfer aktiv werden als bislang, um die Notwendigkeit klar zu machen, dass wir ein Gesetz brauchen, das auch materielle Gleichstellungsrechte enthält. Es geht nicht an, dass kein einziges Bundesministerium der Einladung folgt, einen Beitrag zu einem Bündelgesetz in Form von Vorschlägen für Änderungen in ihren Rechtsbereichen zu machen, um dort z. B. Diskriminierungen zu bereinigen oder materielle Gleichstellungsrechte zu schaffen.“
Dr. Christina Meierschitz (ÖAR): „Wir müssen in den jetzt absolut notwendigen Verhandlungen mit dem Sozialministerium hinsichtlich der Überarbeitung des Ministerialentwurfes tunlichst darauf achten, dass auch materielle Gleichstellungsrechte in das Gesetz aufgenommen werden, nicht zuletzt auch die Anerkennung der Gebärdensprache, und dass diese Gleichstellungsrechte und der Diskriminierungsschutz für einen noch weiteren Personenkreis als nach dem Begutachtungsentwurf gilt, z. B. auch für Personen, die künftig von Behinderung betroffen sein werden oder es in der Vergangenheit waren oder auch für Personen, denen eine Behinderung fälschlich zugeordnet wird und für Personen, die eine Diskriminierung aufzeigen oder bekämpfen; gerade diese Personengruppen werden heutzutage sehr häufig diskriminiert und können sich bislang dagegen nicht mit rechtlichen Mitteln wehren. Außerdem muss österreichweit dasselbe Diskriminierungsschutz- und Gleichstellungsniveau, unabhängig vom Kompetenzbereich, gewährleistet werden. Deshalb ist die Fortsetzung des Dialogs zwischen Bund, Ländern, Sozialpartnern und ExpertInnen der Behindertenbewegung unbedingt erforderlich.“
Eines dürfte aus all diesen Statements der Mitglieder des „Forum Gleichstellung“ klar erkennbar sein; wir sind nicht in der Zielgeraden, sondern mitten in der Diskussion um die Inhalte des Behindertengleichstellungspaketes. Beiträge der Bundesministerien für materielle Gleichstellungsrechte und die Bereinigung von Behindertendiskriminierungen im Bundesrecht durch eine Sammelgesetznovelle stehen als unabdingbarer Teil eines umfassenden Behindertengleichstellungspaketes noch aus und wären jedenfalls zu ergänzen. Aber auch die Länder müssen aktiv werden, um ihrem eigenen Vorschlag für eine Vereinbarung nach Art. 15a der Bundesverfassung über österreichweite Standards der Behindertengleichstellung tatsächlich zum Leben zu verhelfen.
Naja, und das alles natürlich immer unter Einbeziehung der ExpertInnen des „Forum Gleichstellung“ in die Verhandlungsgespräche, wie dies ja in der diesbezüglichen parlamentarischen Entschließung aller Fraktionen vom Juli 2003 und im Regierungsprogramm vom Februar 2003 klar gefordert wird.