Feststellung der Arbeitsunfähigkeit entsprechend der UN-Behindertenrechtskonvention
Die Grünen haben bei der Nationalratssitzung am 24. Februar 2021 einen Entschließungsantrag zum Ausbau der Chancen am Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderungen eingebracht. Menschen mit Behinderungen haben ein gleichberechtigtes Recht auf Arbeit. Das sieht die UN-Behindertenrechtskonvention vor, die Österreich 2008 ratifiziert hat.
Im Rahmen der ersten Staatenprüfung wurde allerdings darauf hingewiesen, dass es im Bereich der in Werkstätten und Tagesstrukturen tätigen Menschen mit Behinderungen Verbesserungsnotwendigkeiten gibt.
„Menschen mit Behinderungen wird nach Verlassen der Schule meist sehr schnell die Arbeitsunfähigkeit attestiert. Das verbaut ihnen weitere Chancen am Arbeitsmarkt. Die Folgen sind der Besuch von Tageswerkstätten sowie Taschengeld statt Lohn. Sie sind zwar unfallversichert, haben aber keine eigene Sozialversicherung und später auch keine eigene Pensionsversicherung. Zudem ist die Durchlässigkeit der Tagesstrukturen sehr gering. Nur wenige Menschen schaffen es, diese zu verlassen und Arbeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu finden. Das muss sich ändern“, beschreibt Heike Grebien, Sprecherin der Grünen für Menschen mit Behinderungen, die aktuelle Situation.
Ein wesentliches Hindernis für eine bessere Inklusion von Menschen mit Behinderungen in den Arbeitsmarkt sind die Kriterien der Arbeitsfähigkeitsfeststellung. Diese orientieren sich derzeit ausschließlich am medizinischen Modell von Behinderungen, und nicht wie von der UN-Behindertenrechtskonvention und den Grünen gefordert, am sozialen Modell.
Auch der aktuelle Sonderbericht der Volksanwaltschaft „Keine Chance auf Arbeit – Die Realität von Menschen mit Behinderungen“ beschreibt die Herausforderungen, mit denen Menschen mit Behinderungen auf dem Arbeitsmarkt konfrontiert sind und enthält wichtige Empfehlungen hinsichtlich der sozialversicherungsrechtlichen Absicherung und der Arbeitsunfähigkeitsfeststellung. Gegen die Kriterien, die hierbei zur Anwendung kommen, wendet sich auch die Bürger*innen-Initiative „Diskriminierung von Menschen mit Behinderung durch die österreichische Gesetzgebung“ des Vereins Vianova in Reutte.
Der heute eingebrachte Entschließungsantrag beinhaltet daher grundsätzliche Änderungen bezüglich der Feststellung der Arbeitsfähigkeit beziehungsweise der Arbeitsunfähigkeit. So soll sich diese künftig laut UN-Behindertenrechtskonvention am sozialen Modell orientieren und eine Feststellung der dauerhaften Arbeitsunfähigkeit bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres einer Person im Regelfall nicht vorgesehen sein. Die individuellen Kompetenzen einschließlich der Unterstützungsmöglichkeiten sollen bei der Feststellung im Vordergrund stehen.
Es sollen zudem Maßnahmen entwickelt werden, die für mehr Durchlässigkeit zwischen Tagesstrukturen bzw. Werkstätten und dem allgemeinen Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderungen sorgen. Wichtig dabei ist, dass dies bis Ende des Jahres 2021 im Rahmen eines Gesamtkonzepts zur Umsetzung von den Ministerien vorgelegt werden soll.
„Eine Verbesserung der Arbeitssituation für Menschen mit Behinderungen ist dringend nötig. Die Kriterien der Feststellung dauerhafter Arbeitsunfähigkeit zu ändern, ist eine wesentliche Maßnahme. Menschen mit Behinderungen brauchen Perspektiven für eine eigenständige Erwerbstätigkeit abseits von Werkstätten um selbstbestimmt und gewaltfrei leben zu können“, meint Grebien und ergänzt: „Generell haben wir in Österreich noch immer starke Stereotype über Menschen mit Behinderungen und es ist unsere Aufgabe, diese nach und nach aufzubrechen. Wie die Beratungsstelle WIBS in Innsbruck schon vor Jahren eindrucksvoll gesagt hat: ,Den größten Teil der Verantwortung können sie ruhig Menschen mit Behinderungen überlassen‘. „Aber wir müssen ihnen eine Chance geben, diese Verantwortung auch wahrnehmen zu können“, schließt Grebien.