Was dort seit vielen Jahren gesetzlich geregelt ist und deshalb die britische Wirtschaft nicht ins Straucheln gebracht hat, soll vor allem nach Ansicht vieler Unionsabgeordneter in Deutschland nicht machbar, bzw. der Wirtschaft nicht zuzumuten sein.
„Barrierefreiheitsregelungen in Großbritannien: Was dort Gesetz ist und in Deutschland anscheinend nicht geht“, so lautet der Titel eines 17minütigen auf YouTube eingestellten Interviews mit der Journalistin und Behindertenrechtsaktivistin Christiane Link aus London.
Sie ist in Deutschland aufgewachsen und wohnt seit einigen Jahren in London: u.a. auch wegen der besseren Barrierefreiheit. Damit das, was in Großbritannien schon seit vielen Jahren Gesetz ist, auch in Deutschland Wirklichkeit wird, dafür haben die Bundestagsabgeordneten noch Zeit, um in dieser Legislaturperiode ein gutes Barrierefreiheitsrecht zu verabschieden.
„Ich habe gedacht, ich bleibe nur sechs Monate in Großbritannien und habe dann aber relativ schnell entschieden, dass ich gern in London bleiben möchte – und ein Grund war die bessere Barrierefreiheit (…) Ich hatte das Gefühl, meine Lebensqualität hat sich insgesamt verbessert – und das hing sehr stark an der Barrierefreiheit“, berichtet Christiane Link.
Sie ist in der Pfalz aufgewachsen, hatte längere Zeit bei der Deutschen Presseagentur in Hamburg gearbeitet und ist dann zur BBC nach London gewechselt. Zwischenzeitlich hat sie bei einer Eisenbahngesellschaft gearbeitet und war dort für die Barrierefreiheit zuständig.
Ein wichtiger Grund, warum Christiane Link in Großbritannien barrierefreier leben kann, liegt darin begründet, dass dort bereits 1995 der Disability Discrimination Act (DDA) verabschiedet und 2010 durch den Equality Act noch verbessert wurde. Und gerade die Auswirkungen dieses Gesetzes auf die öffentlich zugänglichen Angebote und Dienstleistungen auch der Privatwirtschaft sind es, die behinderten Menschen in Großbritannien eine wesentlich größere Teilhabe ermöglichen und ihnen konkrete Rechte an die Hand geben.
Was dort seit vielen Jahren gesetzlich geregelt ist und deshalb die britische Wirtschaft nicht ins Straucheln gebracht hat, soll vor allem nach Ansicht vieler Unionsabgeordneter in Deutschland nicht machbar, bzw. der Wirtschaft nicht zuzumuten sein.
Deshalb fällt der Entwurf für ein Barrierefreiheitsstärkungsgesetz der Bundesregierung auch äusserst flach aus. Es lohnt sich also auf Länder wie Großbritannien, aber auch auf Österreich, zu blicken, in denen das möglich ist, was hierzulande nicht möglich sein soll, wenn im Bundestag bald über das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz debattiert und entschieden wird.
Link zum Interview von Ottmar Miles-Paul mit Christiane Link
Doug Paulley
17.05.2021, 12:55
Ausgezeichneter Artikel, und Christiane ist einfach Klasse! Das Gesetz in Großbritannien ist leider nicht gut durchgesetzt, daher gibt es immer noch Probleme – aber es klingt so, als ob die Dinge für behinderte Menschen in Deutschland viel frustrierender sind, ganz zu schweigen von der Sklavenarbeit von behinderten Menschen, die einen Cent für unterstützte Beschäftigung bezahlt hat.