Die britische Regierung plant drastische Verschlechterungen für behinderte Menschen vor allem in den Bereichen der "invalidity benefit" und der "disability living allowance".
Letztere ist eine Geldleistung für alle, die persönliche Hilfe benötigen. Der Finanzminister vertritt die Ansicht, die Kosten der Leistungen für behinderte Menschen seien außer Kontrolle geraten. Tatsächlich werden die Ausgaben von 2,7 Mrd. Pfund in den Jahren 1993/ 94 auf geschätzte 6 Mrd. In den Jahren 1999/ 2000 ansteigen.
Der Finanzminister möchte die Bedürftigkeit überprüfen lassen, die Sozialministerin ist daran interessiert, die Leistung durch Sozialdienste auf lokaler Ebene zu ersetzen. Gegen diesen Vorschlag und die genannten Kürzungen hat sich Widerstand auf Regierungsebene und unter Abgeordneten gebildet.
Angeführt wird dieser Widerstand von David Blunkett, dem blinden Erziehungsminister: Blunkett hat in einem Schreiben an Finanzminister Gordon Brown eindringlich vor den geplanten Kürzungen gewarnt; sie würden u.a. das Prinzip der Sozialversicherung unterminieren und die Verlagerung auf lokale Sozialdienste wäre ein „Rezept für Konfusionen, Verarmung und Ungerechtigkeit.“
Dies könnte zwar billiger kommen, aber es wäre bürokratischer und unzuverlässiger als die zwanglose Hilfe von Freunden oder etwa der Familie.
Die Aktion:
Zwölf Personen wurden am 22. Dezember 1997 verhaftet, nachdem sie zuvor rote Farbe an die Gitter am Eingang zur Downing Street in London (dem Sitz der britischen Regierung) geschüttet hatten. Alle sind militante Aktivisten der englischen Behindertenbewegung. Sie riefen „Tony, Tony, Shame on you!“ (Tony, Tony, schäme Dich!), und schmierten die Worte „Blair’s Blood“ auf den Gehsteig vor der Downing Street und ketteten sich an die Gitter.
Eine der Festgenommenen war Jane Campell, eine langjährige Kämpferin für Behindertenrechte, die erst jüngst zum Mitglied einer Sonderkommission der Regierung über Bürgerrechte behinderter Menschen ernannt wurde. „Wie können wir Bürgerrechte haben, wenn uns unsere Beihilfen weggenommen werden, Beihilfen, die uns das morgendliche Aufstehen ermöglichen.“ Ohne diese könne sie nicht an der Politik und am sozialen Geschehen teilnehmen.
Sue Elsegood, 30, macht eine Ausbildung zur Beraterin. Sie sagt, daß ihre „disability living allowance“ (vergleichbar mit dem Pflegegeld) von einer Reform des Wohlfahrtssystems bedroht wäre und hält fest, daß sie nicht in der Lage sein würde, ihre Rund-um-die-Uhr-Hilfe zu bezahlen oder ihr adaptiertes Auto zu lenken. Ohne die staatliche Unterstützung könnte sie am Morgen nicht aufstehen und zur Arbeit gehen. „Ich habe keine Wahl: Wenn ich deswegen nicht protestiere, werde ich vor dem Nichts stehen.“
Suzanne Bull, 27, sagt: „Ich habe die Labourparty gewählt, aber ich werde sie nie wieder wählen, wenn sie so etwas vorhaben. Viele von uns hier können nicht glauben, was passiert ist: Zuerst waren es die AlleinerzieherInnen, jetzt sind es die Behinderten. Alle hier Anwesenden sind fest davon überzeugt, daß dies der Beginn eines langen Kampfes ist, den wir zu gewinnen beabsichtigen. Behinderte Menschen benötigen diese Beihilfen und sie erhalten sie aus gutem Grund.“