ÖVP-Sprecherin für Menschen mit Behinderung: Ziel ist qualitätsvolle und inklusive Ausbildung aller Kinder – Allparteien-Entschließungsantrag heute eingebracht
Um eine qualitätsvolle und inklusive Ausbildung aller Kinder gewährleisten zu können, ist es erforderlich, im Lehrplan auf die Österreichische Gebärdensprache (ÖGS) bedarfsgerecht Rücksicht zu nehmen, also besonders auf gehörlose Schüler/innen, Schüler/innen mit Hörbeeinträchtigung und auch auf Schüler/innen mit gehörlosen Eltern.
Zudem gilt es, den ÖGS-Lehrplan kompetenzorientiert zu entwickeln. ÖVP-Sprecherin für Menschen mit Behinderung, Kira Grünberg, zeigte sich erfreut über einen Allparteien-Entschließungsantrag zur Entwicklung eines kompetenzorientierten Lehrplans zur Österreichischen Gebärdensprache. Dieser wurde heute im Nationalrat eingebracht und wird im Unterrichtsausschuss beraten werden.
Hintergrund
Die Österreichische Gebärdensprache ist seit 2005 als eigenständige Sprache anerkannt. 2016 wurde seitens des Bildungsministeriums ein Lehrplan für ÖGS an Primar-, Sekundarstufe I und II als Fremdsprache und ÖGS als Erstsprache beauftragt.
Dieser Lehrplan, der zwölf Lernjahre – von der Volksschule bis zur Matura – umfasst, zielt jedoch nur auf Schüler/innen, die ausschließlich Gebärdensprache lernen – also gehörlose Schüler/innen mit ÖGS als Erstsprache – ab. Lautsprachbegleitende Gebärden für Kinder und Jugendliche mit Hörbeeinträchtigung wurden nicht berücksichtigt.
„Zudem differenziert der vorliegende Lehrplan nicht nach dem jeweiligen Hörstatus, sondern nach Lernjahren. Er ist auch nicht – wie im Rahmen des Pädagogikpaketes vorgesehen – kompetenzorientiert, sondern nach Inhalten aufgebaut“, erläutert Grünberg.
In dem eingebrachten Entschließungsantrag wird der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung daher ersucht, „einen kompetenzorientierten, bedarfsgerechten und differenzierten Lehrplan zu ÖGS (Österreichische Gebärdensprache) unter Einbindung des Consulting Boards, von ÖGS-Expertinnen und Experten sowie auch der einschlägigen Stakeholder (insbesondere des Österreichischen Gehörlosenbundes) bis zum Schuljahr 2023/24 zu verordnen“.
„Mit einem überarbeiteten ÖGS-Lehrplan wird daher ein wichtiger Schritt gesetzt, um mehr betroffene Kinder und Jugendliche zu erfassen und im Unterricht besser auf diese eingehen zu können“, schloss Grünberg.
Lukas Huber
21.05.2021, 11:56
Stellungnahme des Österreichischen Gehörlosenbundes
Positiv steht Präsidentin Helene Jarmer der neulichen Ankündigung des ÖVP-Parlamentklubs bezüglich des ÖGS-Lehrplans gegenüber. Auf den großen Wurf warten wir noch. „Es freut uns, dass unser langjähriges Kernthema Bildung nun doch einer größeren Bedeutung zugemessen wird als bisher. Immerhin konnte sich die Bundespartei ÖVP dazu durchringen, dass am Lehrplan für die Österreichische Gebärdensprache gearbeitet wird und diesbezüglich ein überparteilicher Konsens erzielt wurde.“
Der ÖGLB möchte dennoch betonen, dass die sechs ÖGS-Lehrpläne, die bereits 2018 beim Bildungsministerium abgegeben wurden nicht nur auf gehörlose Schüler/innen, Schüler/innen mit Hörbeeinträchtigung und auf Schüler/innen mit gehörlosen Eltern abzielen. Im Sinne der Inklusion wurde neben fünf ÖGS-Lehrplänen ein weiterer ÖGS-Lehrplan für Fremdsprachenlernende in der Sekundarstufe II entwickelt, damit auch hörende Schüler/innen mit hörenden Eltern die ÖGS als Zusatzqualifikation aneignen können. Wichtig wird also am Ende sein, dass der überarbeitete Lehrplan ÖGS wirklich allen – unabhängig vom Hörstatus – zugutekommt, so Jarmer abschließend.
Nicole Sischka
20.05.2021, 20:13
Besonders bei mir als hörbeeinträchtigte Person in der Hauptschule in Niederösterreich war das ein großes Problem. Ansagen in Deutsch waren der reinste Horror und z.b die Hörübungen in Englisch verstand ich auch nicht.
Wenn ich etwas nicht verstand, wurde ich meistens von den Mitschülern ausgelacht. Den Lehrerinnen und Lehrern war das schließlich egal. Wiederholt wurde es leider nur sehr selten.
In der Handelsschule im Schulzentrum Ungargasse in Wien war das ganz anders. Da es doch eine spezielle Schule für besondere Bedürfnisse ist. Dort wurden meine Anliegen und Bedürfnisse sofort ernst genommen. Die Professorinnen und Professoren waren immer für mich da, wenn ich etwas brauchte. Ich bekam vieles an die Tafel geschrieben. Ein paar Stunden in der Woche bekam ich sogar in Englisch eine eigene Stützlehrerin. Diese schrieb für mich die schwierigen Wörter auf einem eigenen Block für mich mit.
Schriftdolmetsch hat es damals noch nicht wirklich gegeben. Wenn, dann hätte ich sofort darauf zurückgegriffen.
Zusammengefasst wünsche ich mir für die Zukunft, dass es so ein Engagement auch an vielen anderen Schulen geben muss.
Und das liebe Geld darf nicht immer als Ausrede gelten. Schließlich gibt es viele betroffene Menschen, die sich sogar für kostenlose Auskünfte zur Verfügung stellen würden.
Gudrun Amtmann
20.05.2021, 19:45
Liebes BIZEPS-Team,
vielen Dank für den schönen Artikel!
Wichtig ist in dem Zusammenhang noch zu betonen, dass Schriftdolmetschen für Menschen mit Höreinschränkung eine weitere Form der Kommunikationsunterstützung ist. Dies insbesondere für Menschen (aller Altersklassen), die der Gebärdensprache nicht oder nicht ausreichend mächtig sind bzw. lieber durch Schriftdolmetschung versorgt werden.
Ausführliche Informationen zum Schriftdolmetschen sowie für Schriftdolmetschen im Schulunterricht unter:
http://www.schriftdolmetscher.at
http://www.transscript.at
Viele Grüße
Gudrun Amtmann
Lukas Huber
21.05.2021, 12:15
Liebe Frau Amtmann! Schriftdolmetschpersonen sind eine WICHTIGE Ressource. Selbst meine gehörlose Stieftochter hat dieses Service als Schülerin der Sekundarstufe II genutzt beim Fach Italienisch. Das geht bereits und wird vom Sozialministeriumservice finanziert. In anderen Fächern wurden Dolmetschpersonen für ÖGS beigezogen. Also je nach individuellem Bedarf – nicht nur Menschen mit Höreinschränkung, auch gehörlose Menschen – haben beide Ressourcen volle Berechtigung. Auch Personen, die ÖGS voll mächtig sind, wählen Schriftdolmetschpersonen je nach Situation oder je nach Sprache (Fremdsprachen).
Daniela Eiter
20.05.2021, 17:59
Da ist noch sehr viel Luft nach oben! In den „Spezialschulen“ für Gehörlose oder hochgradig schwerhörige Kinder sind die Lehrpersonen in vielen Unterrichtsfächern nicht in der Lage sich mit den Kindern zu verständigen. Meine 14jährige Tochter kommt oft nach Hause und schimpft, dass sie zuwenig verstanden wird! Es gehört in jede Klasse ein Dolmetscher, wenn die Lehrperson nicht gebärden kann! Aber dies sind ja schulfremde Personen! Da läuft noch sehr viel falsch! Schade für die Kinder! 😢
Andreas Reinelt
20.05.2021, 14:14
Es wäre schön wenn Schriftdolmetschen für hörbehinderte Kinder, die KEINE Gebärdensprache können ebenso einen barrierefreien Zugang zum Unterricht haben
Lukas Huber
21.05.2021, 12:17
Das gibt es meines Wissens bereits. Wird vom Sozialministeriumservice oder Bildungsministerium gefördert. Problem: fehlender Rechtsanspruch.