Nationalrat: Kontroverse über Besetzung von VA-Kommissionen
Die Bestellvorgänge bei der Volksanwaltschaft (V) wurden heute im Nationalrat kontrovers diskutiert, wobei eigentlich der Volksanwaltschafts-Tätigkeitsbericht 2014 zur Debatte stand.
Der Bericht wurde zwar einstimmig zur Kenntnis genommen und der VA-Einsatz für Bürgeranliegen grundsätzlich von allen Seiten gelobt; Grüne und NEOS allerdings äußerten deutliche Bedenken, inwieweit die politisch nominierten VolksanwältInnen immer unabhängig arbeiten, zumal die Neubesetzung der VA-Kommissionsleitungen von NGOs scharf kritisiert worden waren.
Schützenhilfe in ihrem Auftreten gegen diese Vorwürfe erhielten die VolksanwältInnen Gertrude Brinek, Günther Kräuter und Peter Fichtenbauer jedoch von den übrigen Fraktionen, die die hohe Akzeptanz der Volksanwaltschaft als anerkannte Kontrollinstanz in Sachen Bürger- und Menschenrechte hervorhoben.
Die von den Grünen beantragte Neuordnung des Auswahlverfahrens von VolksanwältInnen erhielt mehrheitlich eine Absage im Nationalratsplenum. Ebenfalls zurückgewiesen wurde ein Vorstoß der Freiheitlichen, Hürden bei Aufnahmen in den öffentlichen Dienst für Menschen mit Behinderung abzubauen.
Zum präventiven Schutz der Menschenrechte waren die Kommissionen der Volksanwaltschaft letztes Jahr 428 Mal im Einsatz. Diese Aktivitäten im Rahmen des Nationalen Präventionsmechanismus (NPM) umfassen zum einen Kontrollbesuche in Einrichtungen wie Justizanstalten, Pflegeheimen oder Polizeianhaltezentren, um unmenschliche Behandlung festgehaltener Personen zu verhindern. Zum Anderen stehen auf der NPM-Agenda Überprüfungen, ob die Polizei etwa bei Abschiebungen oder Demonstrationen menschenrechtskonform agiert.
Österreich erfüllt damit das Fakultativprotokoll zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (OPCAT) sowie Teile der UN-Behindertenrechtskonvention bzw. der Bundesverfassung.
Im Zusammenhang mit der Verwaltungskontrolle, dem ursprünglichen Aufgabengebiet der Ombudsstelle, gingen im Vorjahr 19.648 Beschwerden wegen Problemen mit Behörden bei der Volksanwaltschaft ein. In 9.473 Fällen wurde ein formelles Prüfverfahren gestartet. Die ersten Plätze im Beschwerdeaufkommen belegten nahezu gleichauf die Bereiche Inneres (27,48%) und Soziales (27,19%), gefolgt von Justiz (16,57%). 2014 verfügte die Volksanwaltschaft gemäß Finanzierungsvoranschlag mit 10,046 Mio. über etwas weniger Budget als im Jahr davor (2013: 10,21 Mio.), der Personalstand ist mit 73 Planstellen gleichgeblieben.
VolksanwältInnen weisen Vorwurf mangelnder Objektivität zurück
Unisono wiesen die VolksanwältInnen Gertrude Brinek, Günther Kräuter und Peter Fichtenbauer die Kritik zurück, die Neubestellung von drei der sechs KommissionleiterInnen sei nicht ordnungsgemäß erfolgt. Bei den ausgewählten Personen, den UniversitätsprofessorInnen Heinz Mayer, Gabriele Fischer und Verena Murschetz handle es sich um international anerkannte Persönlichkeiten auf dem Gebiet der Menschenrechte bzw. in ihren Fachbereichen, seien also über jeden Zweifel erhaben, unterstrich Kräuter.
Brinek skizzierte im Detail das aufwendige Auswahlverfahren, an dem auch der Menschenrechtsbeirat beteiligt gewesen sei und das man „absolut gesetzeskonform“ durchgeführt habe. Generell werde die Arbeit des Nationalen Präventionsmechanismus mit Erhebungen durch die Kommissionen und einer Endfeststellung durch die Volksanwaltschaft mit dem Menschrechtsbeirat als Beratungsorgan weltweit Modellcharakter zugestanden, hob die Volksanwältin hervor.
Mutmaßungen politischer Einflussnahme seitens der VolksanwältInnen erklärte Fichtenbauer als völlig haltlos. Die Erledigung von Beschwerden und Kommissionsprotokollen obliege den weisungsfreien ReferentInnen in der Volksanwaltschaft. Behauptungen, die Volksanwaltschaft sei dokumentierten Misshandlungsfällen bei der Polizei nicht nachgegangen bezeichnete er in seiner Zuständigkeit für den Bereich innere Sicherheit als „Lüge“.
Ernste Bedenken hätten anerkannte Menschenrechtsorganisationen wie Caritas oder Amnesty International an der Gesetzmäßigkeit der Bestellvorgänge zur Neubesetzung der drei Prüfkommissionsleitungen in der Volksanwaltschaft geäußert, bezogen sich Wolfgang Zinggl, Alev Korun (beide G) sowie Christoph Vavrik und Nikolaus Scherak (beide N) indes auf einen kritischen offenen Brief von NGOs bzw. auf Vorhaltungen aus dem Menschenrechtsbeirat.
Gerade weil er keinen „Schatten“ auf der wichtigen Arbeit der Volksanwaltschaft sehen wolle, betonte Zinggl, sei Zweifeln an der menschenrechtlichen Expertise der eingesetzten KommissionleiterInnen erhöhte Aufmerksamkeit zu schenken; ebenso wie den von NGO-Seite mehrmals vorgebrachten Protesten, die Volksanwaltschaft habe Kommissionsberichte, etwa zu Polizeiübergriffen, mehrfach ignoriert. Zur Klärung der Auswahlkriterien für die Kommissionsleitung müsse den Abgeordneten ein Interpellationsrecht gegenüber den VolksanwältInnen analog der parlamentarischen Fragemöglichkeit an den Rechnungshof eingeräumt werden, meinten Vavrik und Scherak. Überdies verlangte Vavrik im Sinne der Transparenz eine Veröffentlichung aller Stellungnahmen der geprüften Einrichtungen sowie sämtlicher VA-Empfehlungen.
„Wir sind Ihre Organe“ replizierte daraufhin Volksanwältin Brinek, das Parlament habe daher zu entscheiden, ob die VolksanwältInnen rechtlich mit dem Präsidenten des Rechnungshofs – auch hinsichtlich dessen Amtsdauer von 15 Jahren – vollständig gleichgesetzt werden sollen.
Den Appell von Grünen und NEOS für ein neues, transparentes und parteiunabhängiges Auswahlverfahren von VolksanwältInnen verstärkte Alev Korun (G) in einem Entschließungsantrag. Darin heißt es, die Mitglieder der Volksanwaltschaft seien in öffentlichen Ausschreibungen nach fachlichen Qualifikationskriterien auszuwählen. Letzte Entscheidungsinstanz wäre demnach wiederum der Nationalrat, der nach einer Anhörung im Hauptausschuss die drei geeignetsten BewerberInnen mit Zweidrittelmehrheit wählt.
SPÖ, ÖVP, FPÖ und Team Stronach verteidigten dagegen geschlossen die Volksanwaltschaft als qualitativ hochwertige „Rechtsschutzinstitution“, wie Nurten Yilmaz (S) die Ombudsstelle nannte. Die herausragende Kompetenz und Qualität der Volksanwaltschaft zeige sich schon an ihrem hohen Stellenwert in der Bevölkerung, so SPÖ-Volksanwaltschaftssprecher Johann Hell (S), der unter anderem auf die zahlreichen legislativen Anregungen der VolksanwältInnen hinwies. Alle Schritte der Kommissionsbesetzungen seien genau dokumentiert, an der Rechtmäßigkeit des Bestellvorgangs bestehe kein Zweifel, sagte Angela Fichtinger (V) und lobte die effektive Erledigung aller Bürgerbeschwerden durch die Volksanwaltschaft.
Maria Theresia Fekter (V), Carmen Schimanek (F), Martina Schenk (T), Christian Lausch (F) und Norbert Sieber (V) warfen Grünen und NEOS vor, auf Kosten der Volksanwaltschaft politisches Kleingeld wechseln zu wollen; Schimanek beispielsweise warf dem Grünen-Volksanwaltschaftssprecher Zinggl „gespielte Hysterie“ vor, sei doch ein regelmäßiger Wechsel der Leitungspersonen in Ombudseinrichtungen zur Wahrung der Unabhängigkeit ein auch von internationalen Gremien empfohlenes Prinzip.
Handlungsbedarf von Sachwalterschaft bis Inklusion
Die von der Volksanwaltschaft aufgezeigten Probleme bei der Sachwalterschaft, wie ungebührliche Einschränkungen der besachwalteten Personen und mangelnden Kontakt mit den SachwalterInnen thematisierten Martina Schenk (T), Gertrude Aubauer (T) und Johann Hechtl (S).
Begrüßt wurden dabei die laufenden Anstrengungen im Justizministerium, eine Reform des Sachwalterschaftsrechts herbeizuführen, wobei besonders dem Mitspracherecht naher Angehöriger in Sachwalterschaftsfragen große Bedeutung beigemessen wurde.
Hinsichtlich Inklusion von Menschen mit Behinderung erneuerte Volksanwalt Kräuter seinen Appell, die kommende Dienstrechtsnovelle nicht verstreichen zu lassen, ohne gesetzliche Diskriminierungen von Personen, deren Handlungsfähigkeit eingeschränkt ist, zu beseitigen. Carmen Schimanek (F) zog mit einem eigenen Entschließungsantrag nach, der Eintritt in den öffentlichen Dienst solle auch Menschen ohne volle Handlungsfähigkeit ermöglicht werden. Leichte Einschränkungen dürften Personen nicht von vornherein vom Bundesdienst ausschließen, wie derzeit im Vertragsbedienstetengesetz vorgesehen, wo als Aufnahmekriterium „volle Handlungsfähigkeit“ normiert ist.