"Gleiche Chancen - gleiche Rechte" - Gusenbauer legt SPÖ-Grundsätze in Behindertenpolitik dar
Der SPÖ-Parlamentsklub veranstaltet heute, Dienstag, eine Enquete zum geplanten Behindertengleichstellungsgesetz. SPÖ-Vorsitzender Alfred Gusenbauer eröffnete die Veranstaltung mit einer grundsätzlichen Rede über die sozialdemokratische Vorstellung von Behindertenpolitik; dabei im Mittelpunkt: Prävention, Integration und die Unterstützung von behinderten Menschen dabei, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. An erster Stelle des Forderungskatalogs steht dabei der Beschluss des Behindertengleichstellungsgesetzes.
Mit einer Reihe von deutschen und österreichischen Experten will die SPÖ eine erste öffentliche Diskussion des Vorentwurfs für ein Behindertengleichstellungsgesetz führen, in die auch die Erfahrungen in Deutschland einfließen, erklärte SPÖ-Behindertensprecherin Christine Lapp, die die Enquete moderiert.
Als Grundsätze der sozialdemokratischen Behindertenpolitik nannte Gusenbauer: Gerechtigkeit und sozialen Zusammenhalt stärken, Chancengleichheit herstellen, klare rechtsstaatliche Strukturen schaffen, ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen. Aus diesen Grundsätzen leitete er 14 einzelne Punkte ab:
- Prävention,
- Integration,
- Normalisierung,
- Selbstbestimmung,
- Hilfe zur Selbsthilfe,
- Finalität (Hilfe unabhängig von der Ursache für die Behinderung),
- Hilfe orientiert sich am gewöhnlichen Aufenthalt,
- Individualisierung,
- Dezentralisierung,
- Rehabilitation,
- fließende Übergänge,
- mobile und ambulante Hilfe,
- Überschaubarkeit,
- Zugänglichkeit.
„Auf Basis dieser allgemeinen Grundlagen versuchen wir, konkrete Vorstellungen für die unmittelbare Behindertenpolitik zu formulieren“, setzte Gusenbauer mit sieben konkreten Zielsetzungen fort. Dabei räumte er ein, dass diese „nicht allumfassend“ sein würden.
Als erstes und aktuell wichtigstes Ziel sieht die SPÖ den Beschluss des Behindertengleichstellungsgesetzes; die sechs weiteren konkreten Ziele: Frühförderung in integrativen Kinderbetreuungseinrichtungen; Integration von Kindern und Jugendlichen in den Schulen; Integration am offenen Arbeitsmarkt, darin eingeschlossen, der Zugang zu Ausbildungsmöglichkeiten; die Verbesserung der Zugänglichkeit öffentlicher Einrichtungen; die Verbesserung der Benützbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel für behinderte Menschen; Verbesserungen im Gesundheitssystem, insbesondere im Hinblick auf Prävention, Rehabilitation und ambulante Betreuung.
„Behindert ist, wer behindert wird“, zitierte Gusenbauer einen Slogan, mit dem die Caritas im Vorjahr auf die Hürden, mit denen behinderte Menschen konfrontiert sind, aufmerksam machte. Gusenbauer hält diesen Ansatz für sehr treffend: „Es geht nicht um Mitleid, sondern um Verständnis; nicht um Lamentieren, sondern um Handeln. Und an wen könnte sich diese Forderung richten, wenn nicht zuallererst an die Politik? Ich sehe es jedenfalls als wesentliche Aufgabe der Politik, Chancengleichheit für alle Menschen herzustellen – auch und vor allem für Menschen mit Behinderungen.“
Der Regierung hielt Gusenbauer vor, dass ihren Bekenntnissen zur Verbesserung der Chancen von behinderten Menschen keine Taten folgten. So sei das Europäische Jahr der Menschen mit Behinderung 2003 „so leise und unspektakulär zu Ende gegangen, wie es begonnen hat“. Heute könne man nur feststellen, „was alles nicht passiert ist“, sagte Gusenbauer.
Konkret nannte Gusenbauer: Statt der versprochenen 72 Millionen Euro („Behindertenmilliarde“) wurden nur 40 Millionen ausbezahlt; das Pflegegeld wurde nicht valorisiert; die EU-Gleichstellungsrichtlinie nicht umgesetzt; das Behindertengleichstellungsgesetz nicht beschlossen; die Gebärdensprache nicht anerkannt; und als trauriger Höhepunkt: die Unfallrenten wurden wieder besteuert, nachdem der VfGH die Besteuerung für 2001 und 2002 für verfassungswidrig erklärt hatte. 145 Millionen Euro wurden den Unfallrentnern abgenommen, davon flossen nur 40 Millionen in die als Kompensation versprochene „Behindertenmilliarde“.
Gusenbauer schloss seine Rede mit dem Hinweis auf das Diskriminierungsverbot in der Verfassung. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden – „Das soll nicht der Schlusspunkt, sondern der Ausgangspunkt für die Arbeit sein, die in der Behindertenpolitik noch vor uns liegt.“