Haidlmayr zu Zwangssterilisationen

Den historischen Hintergrund der Zwangssterilisation stellen das "Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" aus dem Jahr 1933 und sein Vollzug bis 1945 dar.

Theresia Haidlmayr
GRÜNE

Im „Der Standard“ erschienen: 1939 berichtete das Wiener Gesundheitsamt, daß an der Erfassung der negativen Auslese zur Sterilisation gearbeitet wird.

Damit gemeint waren Geisteskranke, Psychopathen, Trinker, Prostituierte, schwererziehbare und psychopathische Kinder aus asozialen Familien. Während der NS-Zeit wurden 400.000 Menschen zwangssterilisiert.

Doch während die Opfer von damals um Entschädigungen kämpfen, läßt der Gesetzgeber den Medizinern von heute noch immer freie Hand. So wurde in den letzten Jahren aus Vorarlberg bekannt, daß eine „medizinische Zwangslage“ die Ursache zur Zwangssterilisation an sieben Frauen war. Die medizinische Zwangslage wurde damit begründet, daß an diesen Frauen durchgeführte Untersuchungen ergaben, sie seien verhaltensgestört, depressiv, sozial und psychisch verwahrlost und nur durchschnittlich intelligent.

Bei minderjährigen behinderten Mädchen ist es noch viel einfacher, sie durch eine Zwangssterilisation zu verstümmeln. Allein die Unterschrift eines Erziehungsberechtigten genügt, um behinderte Mädchen unfruchtbar zu machen. Nach Schätzungen von Experten ist jede dritte geistig behinderte Frau, die in einer Sonderanstalt für Behinderte, Alte oder psychisch Kranke lebt, sterilisiert.

Meist wird der Schutz vor Mißbrauch als Argument für eine Sterilisation angegeben. Daß dieser Schutz aber nur den Sexualtätern gelten kann und niemals den Opfern, darüber wurde aus Bequemlichkeit nicht nachgedacht.

Im August 1997 nahm ich die Berichte über Zwangssterilisationen im sozialen Musterland Schweden zum Anlaß, darauf hinzuweisen, daß in Österreich nicht nur in den dreißiger und vierziger Jahren, sondern bis heute behinderte Mädchen und Frauen zwangssterilisiert werden. Der Justizminister sah endlich Handlungsbedarf und sagte zu, im Frühjahr 1998 dem Parlament die entsprechenden Gesetzesänderungen vorzulegen.

Bis heute ist jedoch nichts geschehen. Eine Expertenrunde zu diesem Thema traf sich nur einmal – und dies bereits im November 1987. Die jüngste Ankündigung des Justizministeriums, es werde im Herbst ein Entwurf für eine Änderung des Kindschaftrechts vorgelegt, ist daher mit einer gewissen Skepsis aufzunehmen.

Auf jeden Fall müssen die Expert/innen noch einmal gehört werden. Um der derzeitigen Praxis der Zwangssterilisationen ein Ende zu bereiten, ist es unumgänglich, auch das Strafrecht zu ändern. Derzeit stellt die Sterilisation zwar grundsätzlich den Tatbestand einer Körperverletzung dar, ist aber unter bestimmten Voraussetzungen gerechtfertigt. So ist laut Paragraph 90 Strafgesetz eine Sterilisation mit Einwilligung dann erlaubt, „wenn die betreffende Person entweder das 25. Lebensjahr schon vollendet hat oder wenn der Eingriff aus anderen Gründen nicht gegen die guten Sitten verstößt“.

Justizminister Michalek darf das Jahr der Menschenrechte nicht ungenützt verstreichen lassen. Es sind klare gesetzliche Regelungen für ein Verbot von Zwangssterilisationen zu schaffen. Diese sind ein krasser Verstoß gegen die Persönlichkeitsrechte behinderter Menschen.

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