Happy Birthday UN-Behindertenrechtskonvention?!

10 Jahre österreichische Behindertenpolitik – Eine Bilanz

Deckblatt BIZEPS-Broschüre: UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen 2016
BIZEPS

Der 13. Dezember 2006 ist wohl eines der denkwürdigsten Daten in der Behindertenrechtsbewegung. An diesem Tag vor 10 Jahren verabschiedete die UNO-Generalversammlung die Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen.

Die Hoffnungen waren schon damals groß, wie Wortmeldungen von Behindertenvertreterinnen und -vertretern zeigten. Anlässlich des 10-jährigen Bestehens der UN-Behindertenrechtskonvention ist es Zeit für eine kurze kritische Bestandsaufnahme der Situation in Österreich.

Politische Regelungen bremsen Umsetzungen der UN-Konvention

Die UN-Konvention wurde von Österreich am 30. März 2007 unterschrieben und im Juli 2008 ratifiziert. Am 26. Oktober 2008 trat sie in Kraft. Sieht man sich die Situation von Menschen mit Behinderungen in Österreich an, so gibt es aber nicht viel Grund zur Freude.

Trotz verheißungsvoller, rechtlicher Rahmenbedingungen ist vieles noch nicht umgesetzt worden.

Der Grund für die schleppende rechtliche Umsetzung liegt darin, dass Behindertenpolitik in Österreich zum überwiegenden Teil Sache der Bundesländer ist. Dies war auch einer der Hauptkritikpunkte des zuständigen UN-Ausschusses im Rahmen der ersten Staatenprüfung, die im September 2013 stattfand. Die vollständige Umsetzung der Handlungsempfehlungen zur Behebung der Kritikpunkte steht noch aus.

So haben die Bundesländer für die einzelnen Bereiche sehr unterschiedliche Regelungen. Eine gleichberechtigte Teilhabe und eine selbstbestimmte Lebensführung werden Menschen mit Behinderungen dadurch sehr erschwert.

Einige Beispiele für dringenden Verbesserungsbedarf

Barrierefreiheit: 
Trotz Fortschritten in den letzten Jahren ist vor allem der ländliche Raum noch massiv benachteiligt, wenn es um Barrierefreiheit geht.

Generell gilt rechtlich gesehen, dass man nur Schadensersatz einfordern kann. Es gibt keinen Rechtsanspruch auf Beseitigung der Barriere. Dies hat besonders im baulichen Bereich gravierende Folgen. In den letzten 10 Jahren gab es nur eine erfolgreiche Klage bezüglich baulicher Barrierefreiheit.

Bildung:
Hier ist man noch meilenweit von Inklusion entfernt. Immer noch besuchen knapp die Hälfte der Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen eine Sonderschule.

Wenn es Integration gibt, so ist es eine Integration mit Ablaufdatum. Sie endet meist schon in den höheren Schulstufen und auch an den Universitäten gibt es kaum Absolventinnen und Absolventen mit Behinderungen. Also gemeinsam lernen, Fehlanzeige. 

Bedarfsorientierte Mindestsicherung:
Für erwachsene Menschen mit Behinderungen, die auf eine Mindestsicherung angewiesen sind, sieht die Situation ebenfalls nicht gut aus.  

Die erhöhte Familienbeihilfe und in manchen Fällen auch das Pflegegeld wird zum Haushaltseinkommen gezählt.

Die in manchen Bundesländern kürzlich eingeführte 1.500 Euro Grenze pro Haushalt trifft Haushalte mit einer pflegebedürftigen Person besonders hart.

Die Bedarfsorientierte Mindestsicherung berücksichtigt somit nicht den behinderungsbedingten Mehraufwand.

Persönliche Assistenz:
Dieser so elementare Bereich für Menschen mit Behinderungen, der ihnen ein selbstbestimmtes Leben sichern soll, scheitert ebenfalls oft am politischen System in Österreich.

Es ist von der Art der Behinderung und vom Wohnort abhängig, ob man Persönliche Assistenz bekommt. Meistens besteht kein Rechtsanspruch – bedarfsgerecht im Ausmaß ist sie meist auch nicht.

Ganz entgegen der Intention der UN-Konvention, ist der Anteil der Menschen mit Behinderungen, die in Einrichtungen leben, in den letzten 20 Jahren in Österreich sogar gestiegen.

Die Chance zur Errichtung eines Inklusionsfonds im Rahmen des Finanzausgleichs zwischen Bund und Bundesländern wurde nicht genutzt.

Aus finanziellen Gründen nicht umgesetzt

Trotz all der Schwierigkeiten bemüht man sich positive Impulse zu setzen. Ein Beispiel dafür ist der Versuch, die Sachwalterschaft durch das Erwachsenenschutzgesetz abzulösen. Nach jahrelanger Arbeit, unter vorbildlichem Einbezug der Betroffenen, gibt es zwar einen sehr guten Entwurf. Man bangt aber um die Umsetzung, da die finanziellen Mittel nicht freigegeben werden.

Die Liste der Mängel ließe sich wohl noch fortsetzen. Positiv ist, dass Dank Außenministerium seit heuer zumindest eine fehlerbereinigte Übersetzung der völkerrechtlichen Verpflichtungen der UN-Konvention vorliegt.

Fazit ist, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen, die durch die UN-Konvention geschaffen wurden zwar zum Teil verheißungsvoll sind, aber leere Versprechungen bleiben, solange die Rechtsdurchsetzung nicht sichergestellt ist.

Es braucht endlich eine vollständige Durchsetzung der UN-Konvention auf nationaler Ebene. Menschen mit Behinderungen müssen als gleichberechtigte, mündige und selbstbestimmte Staatsbürgerinnen und Staatsbürger anerkannt werden.

Der Nationale Aktionsplan der Bundesregierung zur Umsetzung der Konvention ist mehr Vertröstungsinstrument als wirkliche Absicht etwas zu tun. Eine kürzlich vom Sozialministerium veröffentlichte „Zwischenbilanz“ ist ein Mittelding zwischen Verhöhnung und PR-Instrument.

Es muss erkannt werden, dass die Umsetzung der Rechte von Menschen mit Behinderungen keine sozialstaatliche Wohltätigkeit ist, sondern ein unverzichtbares Menschenrecht. Ein Menschenrecht, welches in Österreich in Sonntagsreden gerne beschworen, im Alltag aber ignoriert wird.

Hier beginnt der Werbebereich Hier endet der Werbebereich
Hier beginnt der Werbebereich Hier endet der Werbebereich

Hinterlassen Sie einen Kommentar

Die Kommentarfunktion für diesen Artikel ist abgeschalten.

3 Kommentare

  • Danke für die – für mich und meine Arbeit sehr brauchbare und wichtige -Zusammenfassung.
    Weitertragen, informieren, sensibilisieren, einfordern – ich merke immer wieder wie wenig (noch) an diesbezüglichen Wissen in der Realität vorhanden!

  • Es stimmt, dass im Bereich Barrierefreiheit noch viel zu tun ist – jedoch der Hinweis, dass nur 1 Klage erfolgreich war, kann mit der Möglichkeit, vorab gemeinsam mit dem SMS (Sozialministeriumservice) eine kostenlose Schlichtung durchzuführen, relativiert werden. Hier wurden bereits viele Erfolge erzielt.

    • Es gibt natürlich auch positive Änderungen durch Schlichtungen im baulichen Bereich. Die Mehrheit der baulichen Barrieren kommen für eine Klage aber gar nicht in Frage weil keine Chance besteht, zu gewinnen. Es wurden auch schon Klagen im baulichen Bereich verloren.