Es ist nicht leicht, sich einen österreichischen Haushalt vorzustellen, in dem größere und kleinere Haushaltsgeräte fehlen. Waschmaschine, Geschirrspüler und Kochfeld, Kühlschrank, Kaffeemaschine und Mikrowellenherd sind oft ganz selbstverständlich vorhanden.
Dass aber für blinde und sehbehinderte Menschen die Bedienung und auch Anschaffung dieser Geräte schnell zur Herausforderung werden kann, ist ein tägliches und leider oft übersehenes Problem.
- Wie Wäsche waschen, wenn die Einstellungen der Waschmaschine nur einem Display zu entnehmen sind?
- Wie ein Ceranfeld bedienen, das nur per Berührung gesteuert wird?
- Wie Einstellungen am Kaffeevollautomaten verändern, wenn die Infos dazu nur am Display angezeigt werden?
Fällt die Bedienung eines Geräts nicht barrierefrei aus, so bedeutet dies mehr als nur Komfortverlust. Die Folgen eines nicht oder kaum bedienbaren Gerätes sind auch der Verlust der Eigenständigkeit, denn selbstbestimmtes Handeln wird beschränkt, sobald man auf Unterstützung angewiesen ist.
Moderner und besser?
Während moderne Haushaltsgeräte immer glatter und auch smarter werden und während mehr auf Touchscreens als auf fühlbare Bedienelemente gesetzt wird, geht die Bedienbarkeit für Menschen mit eingeschränkter visueller Wahrnehmung immer schneller verloren.
Fehlen haptische oder akustische Hinweise für Steuerung und Einstellung eines Gerätes, so ist guter Rat oft teuer – und das im wahrsten Sinne des Wortes. Speziell für blinde und sehbehinderte Menschen entwickelte Haushaltsgeräte und Hilfsmittel können, sofern es sie im gewünschten Sektor überhaupt gibt – ein Vielfaches des üblichen Marktpreises kosten.
Das Problem der Barrieren beginnt aber oft schon, bevor überhaupt ein Gerät angeschafft werden kann. Denn es ist nicht nur schwierig, vorab Informationen über die Barrierefreiheit eines bestimmten Haushaltsgerätes zu sammeln, häufig mangelt es überhaupt am Angebot.
Fehlen barrierefrei bedienbare Haushaltsgeräte im gewünschten Segment gänzlich, beginnt die Odyssee der Alternativensuchen, die leider in den meisten Fällen frustrierend endet; das Angebot ist beschränkt und schwer zu eruieren, direkte Kundenberatung oder Expertise bleiben oft ein unerfüllter Verbraucherwunsch.
Design für alle bringt allen etwas
Dabei ist ein universell bedienbares und nutzerfreundliches Design für mehr als nur eine Nutzergruppe von großem Vorteil. Nicht nur blinde und sehbehinderte Menschen profitieren von Haushaltsgeräten, die barrierefrei bedienbar sind – auch Menschen mit motorischen oder kognitiven Einschränkungen sowie ältere Personen ziehen großen Nutzen daraus.
Nicht zuletzt stellen aber Haushaltsgeräte, die aufgrund ihrer Ausführung nicht bedienbar sind, nicht nur eine Barriere dar – sie werden auch zur Diskriminierung.
Damit sich hinsichtlich barrierefreier Haushaltsgeräte positive Entwicklungen einstellen, arbeitet die länderübergreifende Arbeitsgruppe „Haushalt DACH“ eng zusammen.
Der BSVÖ ist Teil der Arbeitsgruppe, die sich über Österreich, Deutschland und die Schweiz spannt. Das Erarbeiten gemeinsamer Strategien und der fruchtbare Wissensaustausch unter den Mitwirkenden sollen den Weg zu etwas ebnen, das heute noch nach Zukunftsmusik klingt: Haushaltsgeräte verfügbar zu machen, die für alle barrierefrei bedienbar sind.
Gerhard Kogler
13.06.2021, 06:48
Der Artikel zeigt die Problematik gut auf. Um potentielle Entscheidungsträger, Produzenten und Institutionen (zB für Normierung) anzusprechen, muss er mit entsprechenden Argumenten und Statistiken untermauert werden. Dazu muss für jeden Adressaten der Nutzen für ihn bereits im Titel verklickern werden, damit er sich damit befasst.
Wirtschaftsförderung, Ministerium, Wissenschaft und Medien kann man als Treiber nutzen!
Eine Masterarbeit zum Thema könnte alle notwendigen Infos dafür liefern, zB auch zu erwartende Verkaufszahlen. Das würde wieder für Startups als wertvolle Anregung und Unterstützung dienen.
Daniela
12.09.2019, 17:01
Hey, dazu hatte ich neulich einen Beitrag von einem Blinden gelesen, vielleicht kennst Du den auch schon? https://www.netz-barrierefrei.de/wordpress/newsletter-digitale-barrierefreiheit/neuigkeiten-zur-barrierefreiheit-im-september-2019/
Klaudia Karoliny
11.09.2019, 14:41
Hier müsste viel mehr auch mit der Wirtschaft und/oder Herstellerfirmen von Produkten zusammen gearbeitet werden. Und bitte auch aufs Design schauen und nicht nur auf die Funktionalität! Und auch ob sich Produkte ggf. leicht reinigen lassen. All das müsste und sollte Berücksichtigung finden und wird sicher dann von vielen Menschen angenommen, die nicht unbedingt eine Behinderung haben oder alt sind.
Lydia Zoubek
08.09.2019, 12:00
Als Bloggerin über Blindheit stelle ich immer wieder fest, dass unser Personenkreis zu uninteressant für einige Anbieter sind. Ein Beispiel ist der neue Termomix, der ausschließlich über ein Display gesteuert wird. https://lydiaswelt.com/
Margarete Waba
11.09.2019, 09:34
Ja, und genau da soll angesetzt werden – die barrierefreie Bedienbarkeit für blinde und sehbehinderte Menschen bringt nicht nur was für diese Personengruppe, sondern kann auch für viele andere von großem Vorteil sein, so zum Beispiel für ältere Menschen. Und vor allem ist das Ziel, barrierefreie Bedienenbarkeit Von Anfang an zu schaffen und nicht erst wieder im Nachhinein, meist kompliziert und auch mit hohen Kosten verbunden, Adaptierungen vornehmen zu müssen.v
Martin Wolkerstorfer
11.09.2019, 19:03
Toller Artikel! Dankeschön! Vielleicht gleich über die EU Regeln lassen! Ohne gesetzliche Verbindlichkeit wird das wohl nicht gehen!