Um die Anerkennung der Gebärdensprache als Minderheitensprache und die Förderung von gehörlosen und hörbehinderten Menschen ging es am 1. Juli 2004 bei einem Hearing im Parlament.
„Das Klima im Unterausschuss zur Anerkennung der Gebärdensprache war äußerst konstruktiv und ganz im Sinne unseres Antrags“, betonte die Ausschussvorsitzende, SPÖ-Behindertensprecherin Mag. Christine Lapp. „Alle Expertinnen und Experten waren sich im Großen und Ganzen einig darüber, dass die Gebärdensprache als anerkannte und gleichberechtigte Sprache wichtig sei“, so die SPÖ-Behindertensprecherin weiter.
Mag. Helene Jarmer (Präsidentin des Österreichischen Gehörlosenbundes) vermerkte positiv, dass man nun in Richtung Anerkennung der Gebärdensprache als eigenständiger Sprache gehe und fordert, dass das bilinguale Modell als fixer Bestandteil in den Schulen eingeführt wird. Dringenden Handlungsbedarf gebe es auch hinsichtlich des Lehrplanes und der Lehrerausbildung, da derzeit z.B. ein 40-stündiger Kurs ausreiche, um in diesem Bereich unterrichten zu können.
Dr. Gerhard Hesse vom Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt machte auf die Signalwirkung einer Anerkennung der Gebärdensprache aufmerksam und plädierte für die Anerkennung im Verfassungsrang. Der richtige Platz in der Verfassung wäre seiner Einschätzung nach in Artikel 8, allerdings würde auch nichts gegen eine Verankerung im Behindertengleichstellungsgesetz sprechen. Hesse macht weiters darauf aufmerksam, dass das Erlassen einer Amtssprachenverordnung allein nicht reiche.
Österreich stehe im internationalen Vergleich hinsichtlich der sprachrechtlichen Situation von gehörlosen Menschen weit im Abseits, erläuterte Mag. Verena Krausneker vom Institut für Erziehungswissenschaften der Universität Wien.
Florian Gravogel (WITAF) kritisiert, die fehlenden Rahmenbedingungen, wodurch gehörlose und schwerhörige Jugendliche kaum ein Studium in Österreich absolvieren können. Er hofft auf den Ausbau des bilingualen Unterrichts, der seiner Meinung nach der optimale Weg wäre.
Prof. Franz Dotter von der Universität Klagenfurt zeigte den Irrtum auf, wonach zuerst die Lautsprache und später erst die Gebärdensprache erlernt werden solle. Dadurch sei nämlich der kommunikative Zugang zum Kind teilweise versperrt, was zum Entstehen von Defiziten führe. Am besten funktioniere der Spracherwerb in einer bilingualen Umgebung, wobei allerdings die hörenden Eltern besser unterstützt werden müssen.
Johann Neuhold, Präsident des Österreichischen Schwerhörigenbundes, betonte, die Forderung nach Anerkennung der Gebärdensprache sei durchaus unterstützenswürdig, er gab aber zu bedenken, dass für die größte Zahl der Hörbehinderten und Schwerhörigen die Gebärdensprache keine Lösung darstelle.
Sozialminister Mag. Herbert Haupt (FPÖ) plädierte für die möglichst rasche Anerkennung der Gebärdensprache. Was die Art der Anerkennung betrifft, gab Haupt einer Regelung in Artikel 8 der Bundesverfassung den Vorrang. Sollte dies nicht möglich sein, kann er sich eine Verankerung über das Behindertengleichstellungsgesetz vorstellen.
„Wir fordern schon seit 15 Jahren die verfassungsrechtliche Anerkennung der Österreichischen Gebärdensprache. Dass sich jetzt erstmals auch der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes dafür ausspricht, ist ein sehr positives Zeichen“, betont die Behindertensprecherin der GRÜNEN, Theresia Haidlmayr.
Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé, Behindertensprecherin der FPÖ, übte Kritik an Bildungsministerin Elisabeth Gehrer (ÖVP), der sie vorwarf, Gebärdensprache als Rückschritt anzusehen, erläutert die Parlamentskorrespondenz. So sei das Bildungsministerium bis jetzt nicht bereit gewesen, die Gebärdensprache voll anzuerkennen, bedauerte sie.
Es habe sich große Einigkeit darin gezeigt, dass die Gebärdensprache im Rahmen der Behindertengleichstellung als Sprache anerkannt werden soll, fasst der Behindertensprecher der ÖVP, Dr. Franz-Joseph Huainigg, das Hearing aus seiner Sicht zusammen.
Der Generalsekretär des Bildungsministeriums Herman Helm bedankte sich für die ausführlichen und aufschlussreichen Debattenbeiträge und sagte den betroffenen Expertinnen und Experten zu, dass sie seitens des Bildungsministeriums bei der Erstellung des neuen Lehrplanes für gehörlose Schülerinnen und Schüler miteinbezogen werden.
Abgeordnete Mag. Christine Lapp (SPÖ) verwies auf die Notwendigkeit weiterer über die verfassungsrechtliche Verankerung hinausgehende gesetzliche Maßnahmen, „damit die Anerkennung der Gebärdensprache nicht nur auf dem Papier steht, sondern auch ins Leben einfließt“.