Heftige Diskussion um Anzeigepflicht für Ärzte

2. Ärztegesetz-Novelle passiert Gesundheitsausschuss

Parlament
BIZEPS

Im Mittelpunkt der heutigen Debatte im Gesundheitsausschuss stand die 2. Ärztegesetz-Novelle, die u.a. die rechtlichen Grundlagen für Einrichtung von Gruppenpraxen schafft. Die Diskussion betraf jedoch vor allem jenen Passus der Regierungsvorlage, der eine ausdrückliche Anzeigepflicht des Arztes bei sexuellem Missbrauch oder gewalttätigen Übergriffen gegenüber Minderjährigen an die Sicherheitsbehörde, und zwar ohne jede Ausnahme, vorsieht.

Da diese Regelung auf massive Kritik stieß, brachten die Regierungsfraktionen im Laufe der Sitzung einen Abänderungsantrag ein, der folgende Einschränkung vorsieht: „Richtet sich der Verdacht gegen einen nahen Angehörigen, so kann die Anzeige so lange unterbleiben, als dies das Wohl des Minderjährigen erfordert und eine Zusammenarbeit mit dem Jugendwohlfahrtsträger und gegebenenfalls eine Einbeziehung einer Kinderschutzeinrichtung an einer Krankenanstalt erfolgt.“

Weiters standen noch das Apothekerkammergesetz 2001 sowie die Vereinbarung zwischen dem Bund und dem Land Oberösterreich zur Sicherstellung der Patientenrechte (Patientencharta) auf der Agenda des Gesundheitsausschusses.

Freie Fahrt für Gruppenpraxen
Das Kernstück der 2. Ärztegesetz-Novelle stellt die Schaffung von sogenannten Gruppenpraxen dar. Um den stationären Krankenanstaltensektor durch flexible ambulante Einrichtungen zu entlasten sowie um die Versorgungslücken im ländlichen Raum zu schließen, soll die Möglichkeit geschaffen werden, die ärztliche Tätigkeit im Rahmen von Gruppenpraxen auszuüben, heißt es in der Regierungsvorlage. Erstmals können nunmehr Behandlungsgesellschaften eröffnet werden, wobei als Rechtsform die offene Erwerbsgesellschaft zur Verfügung steht. Damit auch Kassenverträge für Gruppenpraxen ausverhandelt werden können, sollen parallel dazu Änderungen beim Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz vorgenommen werden. (629 d.B.)

Im Zusammenhang mit den Gruppenpraxen kritisierte Abgeordnete Theresia Haidlmayr (GRÜNE) im besonderen, dass – obwohl es versprochen wurde – keine Barrierefreiheit im Gesetz festgeschrieben wurde. Sie brachte diesbezüglich einen Entschließungsantrag ein. Außerdem bemängelte die G-Mandatarin, dass die Gruppenpraxenregelung auf Ärzte und Dentisten beschränkt wurde.

Für die Anliegen der behinderten Menschen machte sich auch Abgeordnete Brunhilde Plank (SPÖ) stark. Dieses Gesetz belege, betonte sie, dass die Bedürfnisse der Behinderten wieder einmal nicht ernst genommen wurden. Was die Anzeigepflicht betrifft, so werde sie dazu führen, dass die Opfer ein zweites Mal zu Leidtragenden werden und der Missbrauchszyklus sich weiterdreht, warnte die Rednerin. …

Die Anzeigepflicht für Ärzte sei bis 1998 im Gesetz enthalten gewesen, wurde dann abgeändert und jetzt komme es zu einer teilweisen Rückführung zur ursprünglichen Situation, erläuterte Bundesminister Mag. Herbert Haupt. Gespräche mit Experten haben ergeben, dass im Interesse des Kindes in manchen Fällen von einer Anzeige Abstand genommen werden soll. Aus diesem Grund wurde ein Abänderungsantrag ausgearbeitet, der eine Einschränkung im Falle von nahen Angehörigen vorsieht, führte Haupt aus. Für äußerst wichtig halte er dabei die vorgesehene Vernetzung und Koordinierung der einzelnen Behörden und Kinderschutzeinrichtungen. Bei schwerer Körperverletzung habe der Arzt zudem auf bestehende Opferschutzeinrichtungen hinzuweisen.

Weiters erinnerte Haupt daran, dass die nunmehr vorgesehene gesetzliche Möglichkeit, Gruppenpraxen einzurichten, auf ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs zurückgehe, das von der letzten Regierung jedoch nicht umgesetzt wurde. Er erwarte sich positive Effekte vor allem für die ländlichen Regionen, wo ein ausreichendes Angebot im niedergelassenen Bereich derzeit noch fehle. Zudem komme es zu einer Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, da die oft sehr teuren medizinischen Geräte, etwa im radiologischen und internistischen Bereich, gemeinsam genutzt werden können. Zum ersten Mal habe man auch versucht, mit einem Qualitätskriterium vor Ort zu arbeiten, führte der Minister weiter aus. Sollten nämlich die Qualitätsstandards nicht erfüllt werden, könne man die Kassenverträge verlieren, erläuterte er. Was die Berufstätigkeit von Ärzten aus dem Ausland betrifft, so müssen hier – im Sinne der Patientensicherheit – die Qualitätsstandards hoch gehalten werden. Der Gesetzgeber habe es sich sehr wohl gut überlegt, weshalb die Rahmenbedingungen verändert werden, versicherte er.

Hinsichtlich des barrierefreien Zugangs zu Arztpraxen für behinderte Menschen teilte Haupt mit, dass ihm ein Verfassungsgutachten vorliege, das zum Schluss komme, dass es sich dabei um eine Angelegenheit des Baurechts und des Föderalismus handle. Aus diesem Grund konnte ein derartiger Passus auch nicht im Gesetz verankert werden. Er werde sich jedoch weiterhin intensiv mit diesem Problem befassen und sich bemühen, auf anderem legistischen Wege zum Ziel zu kommen. Zur Problematik der Kompetenzabgrenzung, die von Abgeordnetem Grünewald angesprochen wurde, sagte Haupt, dass es sehr schwierig sei, jedes Detail im vorhinein zu regeln. Man gehe davon aus, dass diese Frage vor Ort gelöst werde.

Bei der getrennten Abstimmung wurde die Regierungsvorlage in der Fassung eines FPÖ-ÖVP-Abänderungsantrages teils mehrheitlich, teils einstimmig angenommen. Einhellige Zustimmung fand ein Entschließungsantrag der Regierungsfraktionen, der die Umsatzsteuerfreiheit von Gruppenpraxen vorsieht. Mit den Stimmen von FPÖ und ÖVP wurde sodann ein FPÖ-ÖVP-Entschließungsantrag betreffend Zusammenarbeit bei strafbaren Handlungen gegen Minderjährige angenommen. Der Justizminister wird darin ersucht, eine Zusammenarbeit von Strafverfolgungsbehörden mit den Jugendwohlfahrtsträgern und Opferschutzeinrichtungen, insbesondere Kinderschutzgruppen an Krankenanstalten zur Gewährleistung des Kindeswohls und zur Aufhellung des Sachverhalts sicherzustellen.

Abgestimmt wurde zudem über eine Ausschussfeststellung, die von FPÖ und ÖVP angenommen wurde: Bezüglich der Bestimmung, dass der Pensionssicherungsbeitrag bis zu 20 % der Pensionsleistung der jeweils betroffenen Sparte betragen darf, geht der Ausschuss davon aus, dass hievon nur Gebrauch gemacht wird, wenn alle vorgeschriebenen und getroffenen Rationalisierungsmaßnahmen nicht ausreichen, um den Fonds kostendeckend zu führen.

Die beiden Abänderungsanträge der Oppositionsparteien wurden ebenso wie ein GRÜNE-Entschließungsantrag betreffend Barrierefreiheit von Gruppenpraxen sowie ein SPÖ-Vertagungsantrag abgelehnt. Keine Mehrheit fand auch ein SPÖ-Entschließungsantrag betreffend Schließung datenschutzrechtlicher Lücken im Ärztegesetz 1998 (224/AÄEÜ).

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