Inklusion an Schulen bedürfe einer "Politik der kleinen Schritte", erklärte Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek heute im Unterrichtsausschuss des Nationalrats.
Sie wandte sich daher gegen eine Abschaffung der Sonderschulen „von heute auf morgen“. Immerhin könnten Österreichs Regelschulen derzeit nicht allen sonderpädagogischen Bedürfnissen von SchülerInnen Rechnung tragen, gab sie zu bedenken, wiewohl sie Inklusion grundsätzlich klar befürwortete.
Insgesamt waren auch alle Fraktionen im Ausschuss für eine Ausweitung des inklusiven Unterrichts an Österreichs Schulen, nicht einer Meinung waren sie allerdings, wie rasch sie erfolgen sollte.
Während FPÖ und Grüne für die Abschaffung der Bezeichnung „Sonderschule“ als erste wichtige Reformmaßnahme plädierten, hielten SPÖ, ÖVP und NEOS eine breitere gesellschaftliche Debatte über Inklusion für notwendig, ehe die Namen der betroffenen Schulen tatsächlich geändert werden können.
Auslöser dieser Inklusionsdebatte war zunächst eine Regierungsvorlage zur legistischen Übertragung des Aufgabenbereichs der Bezirksschulräte, die aufgelöst werden, an die Landesschulräte; darunter fällt auch die Bestimmung von Sonderschulen als Sonderpädagogische Zentren zur Unterstützung des inklusiven Unterrichts. Weiters ermöglicht die Regierungsvorlage eine Verlängerung der Sprachförderkurse an Pflichtschulen für die nächsten beiden Schuljahre. Während zwei Abänderungsanträge der Grünen dazu vom Ausschuss mehrheitlich abgelehnt wurden, erhielt der Gesetzesentwurf selbst die Zustimmung der Ausschussmehrheit.
Ausschuss drängt auf mehr Inklusion im Schulunterricht
Mit den Stimmen von SPÖ und ÖVP nahm der Ausschuss die Regierungsvorlage an, durch die im ganzen Schulrechtsbestand die Aufgaben der Bezirksschulräte dem jeweiligen Landesschulrat übertragen werden. Einem Nationalratsbeschluss aus dem Vorjahr zufolge werden ja die Bezirksschulräte mit 1. August aufgelöst. Neben der deswegen anstehenden Rechtsbereinigung soll die Sammelnovelle auch dazu dienen, die heuer auslaufende Sprachförderung an allgemein bildenden Pflichtschulen bis 2015/16 zu verlängern. Ein Abänderungsantrag der Grünen, womit die unbefristete Verlängerung der Sprachförderkurse realisiert werden sollte, fand aber nur Unterstützung bei den NEOS und blieb daher in der Minderheit.
Allerdings führte auch FPÖ-Bildungssprecher Walter Rosenkranz ins Treffen, die immer nur zweijährige Verlängerung der Sprachförderkurse gewährleiste den Schulen nicht die nötige Rechtssicherheit und biete nicht ausreichend Zeit, um die Methoden in diesen Kursen hinlänglich zu verbessern. Mit seinem Plädoyer für die Einrichtung eigener Klassenverbände zur speziellen sprachlichen Förderung stieß der Freiheitliche bei den Grünen aber auf Widerstand; Harald Walser (G) warnte vor einer Exklusion von SchülerInnen mit einer anderen Erstsprache als Deutsch, wenn sie automatisch in eine „eigene Sprachklasse“ gesetzt würden.
Die Regierungsvorlage initiierte auch die Debatte über inklusiven Unterricht in der heutigen Ausschusssitzung, da die Bestimmung von Sonderschulen als Sonderpädagogische Zentren zur Unterstützung des inklusiven Unterrichts zukünftig die Landesschulräte anstatt der Bezirksschulräte durchführen sollen. Das brachte wiederum die Grünen-Abgeordnete Helene Jarmer und ihren Parteikollegen Harald Walser dazu, mit einem Abänderungsantrag die Umbenennung der Sonderschulen zu verlangen. Ein positives Zeichen würde die Politik damit setzen und dadurch die notwendige Strukturänderung im Sinne eines wirklich inklusiven Unterrichts unterstützen, war Jarmer überzeugt.
Anneliese Kitzmüller (F) brach ebenfalls eine Lanze für die Abschaffung der Bezeichnung „Sonderschule“ und trat dafür ein, sonderpädagogische und andere Schulen in dienstrechtlichen Fragen auf eine Ebene zu stellen, darüber hinaus ist in ihren Augen ein Objektivierungsverfahren für LeiterInnen sonderpädagogischer Schulen hoch an der Zeit.
Franz-Joseph Huainigg (V) hielt demgegenüber fest, eine Namensänderung reiche für die dringend benötigte Reform im Sonderschulwesen nicht aus. Es gelte vielmehr, mit allen Betroffenen sowie mit ExpertInnen und mit den Bundesländern eingehende Gespräche über die Situation der Sonderschulen und über inklusiven Unterricht zu beginnen, unterstrich Huainigg. Problematisch erachtete er vor allem die Praxis, dass Kinder mit nicht-deutscher Muttersprache häufig in Sonderschulen angemeldet würden, um die nötige Sprachförderung für diese SchülerInnen zu umgehen: „Das verbaut ihnen den Weg in den Arbeitsmarkt“, kritisierte der ÖVP-Mandatar.
Als erklärter „Fan der Inklusion“ pflichtete NEOS-Bildungssprecher Matthias Strolz im Grunde allen VorrednerInnen bei, er mahnte aber die zufriedenstellende Abdeckung des sonderpädagogische Bedarfs im Regelschulwesen ein, bevor weitere Schritte der Inklusion folgen könnten.
Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek betonte, ihr liege die schulische Inklusion überaus am Herzen und sie verwies auf das Regierungsprogramm, in dem die Weiterentwicklung Sonderpädagogischer Zentren sowie Inklusive Modellregionen bzw. eine Steigerung der Inklusion in der Sekundarstufe II verankert seien. An einzelnen Pädagogischen Hochschulen erhielten angehende PädagogInnen schon Grundkompetenzen der Sonderpädagogik, merkte sie darüber hinaus an.
Es dürften aber Kinder, die spezielle Bedürfnisse wie Kleingruppenunterricht haben, nicht durch eine plötzliche Abschaffung der Einrichtung Sonderschule überfordert werden, so die Ministerin. Deswegen plane sie mit allen Stakeholdern intensive Gespräche, um ab dem Schuljahr 2015/16 konkrete Inklusionsinitiativen setzen zu können.
Um dem tatsächlichen sonderpädagogischen Förderbedarf (SPF) unter Österreichs SchülerInnen zu entsprechen, machte sich Walser (G) in einem Entschließungsantrag dafür stark, die derzeit gesetzlich mit 2,7% festgelegte SPF-Quote auf 5% anzuheben (435/A[E]). Vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Finanzierung von Sonderschulen und von integrativem Unterricht wäre das ein erster Schritt zu einem inklusiven Schulsystem, betont er im Antrag, verdeutlichte aber zugleich, eigentlich sollte die Ressourcenzuteilung für sonderpädagogische Förderung je nach Bedarf der Schulstandorte erfolgen.
Anneliese Kitzmüller (F) führte dazu ins Treffen, sonderpädagogische Förderung sei immer wichtiger an den Schulen, daher forderte sie deutlich mehr Lehrkräfte für diesen Bereich ein.