Hoch problematisch: Ein Rückblick auf die Anfänge des Bundesbehindertenbeirats

Der Bundesbehindertenbeirat, früher nannte man ihn auch Bundesbeirat für Behinderte, wurde 1976 ins Leben gerufen. Sein erster Vorsitzender war der Mediziner Andreas Rett, ein Mann mit nationalsozialistischer Vergangenheit, Gegner von Integration und Befürworter von Zwangsterilisation.

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Andreas Rett
Media Wien

Dass ausgerechnet ein Mann wie Andreas Rett der erste Vorsitzende des 1976 von Bundesministerin Ingrid Leodolter (SPÖ) geschaffenen Bundesbeirats für Behinderte war, erscheint rückblickend mehr als unverständlich.

Rett war Mitglied der NSDAP, HJ-Führer und konnte nach dem Krieg sein Studium und auch seine medizinische Karriere ungehindert fortsetzen. Er wurde so führend in der Beeinflussung der damaligen Behindertenhilfe.

Rett setzte sich nie mit seiner nationalsozialistischen Vergangenheit auseinander und behielt seine Ansichten noch nach dem Krieg bei.

Er publizierte in den 60er Jahren gemeinsam mit dem Psychiater Heinrich Gross, der an der Ermordung von Kindern am Wiener Spiegelgrund mitgewirkt hatte und arbeitete sogar mit Gehirnpräparaten der Opfer vom Spiegelgrund.

Rett war Integrationsgegner und Befürworter von Sterilisation und Abtreibung

Wie man aus dem Beitrag „Individualisierende Eugenik – Zur Praxis von Andreas Rett“ von Volker Schönwiese, der in der BIZEPS-Broschüre „wertes unwertes Leben“ veröffentlicht ist, entnehmen kann, sprach sich Rett für Zwangssterilisationen von Menschen mit Behinderungen, für die Gabe von Hormonmedikamenten zur Triebbekämpfung und für Schwangerschaftsabbrüche bei Frauen mit Behinderungen aus.

Zudem war er ein entschiedener Gegner der schulischen Integration. Er bezeichnete diese als Wahnsinn und reines Politikum. Seine Vorstellung von Integration war eine von Fall zu Fall. In einer Anfrage zum damaligen Bundesbeirat für Behinderte kann man sehen, wie sich diese Haltung auf den Bundesbeirat auswirkte. 

Wer ist integrierbar und wer nicht?

Anfrage zu den Aufgaben des Bundesbeirat für Behinderte (heute Bundesbehindertenbeirat)
Parlament

Andreas Retts Vorstellung von Integration war, dass erst nachgewiesen werden muss, ob ein Kind integrierbar ist.

Das zeigt sich auch in der Anfrage der ÖVP-Abgeordneten Ottilie Rochus im Jahr 1976 an die Bundesministerin Leodolter betreffend des Bundesbeirats für Behinderte. (Siehe Anfrage Nr. 359/J-NR/1976 auf der Homepage des Parlaments)

  • „Wie viele nicht integrierbare geistesbehinderte Menschen gibt es in Österreich?
  • Wie viele nicht integrierbare körperbehinderte Menschen gibt es in Österreich?
  • Wie viele integrierbare geistesbehinderte Menschen gibt es in Österreich?
  • Wie viele integrierbare körperbehinderte Menschen gibt es in Österreich?
  • Werden Sie den einzelnen Gruppen dieser behinderten Menschen helfen?
  • Welche Geldmittel stehen Ihnen zur Verfügung, um eventuelle Maßnahmen durchführen zu können?“

Dass es um ein Sortieren der Menschen ging, sieht man an der Beschreibung der Aufgaben des Beirates.

„Eine der ersten Aufgaben des Beirates wird es daher sein, zunächst die einzelnen Begriffe – wie Behinderte, Körperbehinderte, geistig Behinderte, Sinnesbehinderte, teilweise bzw. voll integrierbare Behinderte – aus medizinisch wissenschaftlicher Sicht zu umschreiben und abzugrenzen.“

Beantwortung zu den Aufgaben des Bundesbeirat für Behinderte (heute Bundesbehindertenbeirat)
Parlament

Die Aufgaben des Beirates

Interessant ist auch die Beantwortung der Frage, wie man den behinderten Menschen helfen wolle. Dazu heißt es, die Aufgabe des Beirates solle es sein, vor allem aus medizinischer Sicht Vorschläge zu erarbeiten, um für einzelne Gruppen von Menschen mit Behinderungen die für sie optimalen Rehabilitationsmaßnahmen durchführen zu können.

Wie aus diesem Absatz eindeutig ersichtlich, zeigt sich, dass bei den damaligen Überlegungen eindeutig das medizinische Modell von Behinderung im Vordergrund stand, bei dem der Mensch mit Behinderung der Gesellschaft und ihren Strukturen angepasst werden muss und nicht umgekehrt.

Dieses Dokument zeigt, dass der Bundesbeirat für Behinderte sogar gegen Menschen mit Behinderungen arbeitete und ein Instrument der Aussonderung war.

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7 Kommentare

  • Als „übersehener“ Asperger-Autist, der mit Mama 1972 bei Papas Logenbruder „Andi“ zur „Diagnose“ war – ich erfuhr es erst 2016 (!) durch die Österreichische Autistenhilfe bin ich dafür, dass der Andreas-Rett-Park in Lainz, Leitenwaldplatz, das ist bei der Speisinger Straße schräg gegenüber der Orthopädie auf Nummer 109 bin ich für die unverzügliche Umbenennung des Andreas-Rett-Parks, wie wäre es mit „Dr. Hedda Eppel-Park“? Dann hat die SPÖ eine ordentliche Psychologin aus ihren Reihen, ich war in meiner Schulzeit immer wieder bei ihrem Gatten, dem Erziehungswissenschaftler Dr. Heinz Eppel, auch Psychologe. Mit einigem guten Willen ginge das sehr einfach. Mit einem Erklärungsschild darf dann gerne „Vormals Andreas-Rett-Park“ oben stehen. Der Wilhelm-Neusser-Park (1924 – 1996, Wiener Gemeinderat und Gewerbetreibender, von dem behauptet wird, dass er Nazi war) in 1040 Wien wurde auch nach der Widerstandskämpferin Wanda-Lanzer-Park umbenannt. Es geht!!!

  • Großartiger beitrag! Danke!

  • Es gibt eine sehr interessante Studie vom Institut für Rechts- und Kriminalsoziologe zu diesen Herren ….

    https://www.irks.at/forschung/social-inclusion/menschen-mit-behinderung-in-der-wiener-psychiatrie.html

  • Rett ist eine sehr problematische Figur er hat zwar viel getan für Behinderte
    zur Zwangsterilisation soll er noch in den 70er Jahren gesagt haben
    „Wenn sie zu streunen beginnen muß man sie sterilisieren“
    so erzählte es mir eine Mutter in den 90er Jahren
    es ist das selbe wie Prof Gross

  • Danke für den großartigen Beitrag! Das ist kaum zu glauben.
    Und es gibt einem schon zu denken: Wie werden die Menschen in 40 Jahren unsere Bemühungen sehen?

  • Das HIntergrundbild oben in diesem Beitrag ist leider nicht sehr sehbehindertentauglich, weil es durch d. Schrift d. Beginn des Textes etwas unübersichtlich macht.

    • Danke für den Hinweis!