Höherer Schadenersatz für behinderte Menschen bei Diskriminierung

Buchinger hofft nach wie vor auf Einführung der Mindestsicherung 2009

Parlament
BilderBox.com

Behinderte Menschen, die gedemütigt oder in einer anderen Weise entwürdigend behandelt werden, können künftig mit höherem Schadenersatz rechnen. Eine entsprechende Adaptierung des Behinderteneinstellungsgesetzes und des Bundes- Behindertengleichstellungsgesetzes fand im Sozialausschuss die Zustimmung aller Fraktionen. Mit der Gesetzesänderung wird eine geplante Novellierung des Gleichbehandlungsgesetzes nachvollzogen.

Konkret stehen den Betroffenen künftig bei „Belästigung“ statt zumindest 400 € mindestens 720 € Schadenersatz zu, wobei bei einer Belästigung am Arbeitsplatz im Falle einer „schuldhaften Unterlassung“ auch der Dienstgeber belangt werden kann. Die Frist zur Geltendmachung des Anspruches wird von sechs Monaten auf ein Jahr verlängert. Weiters neu ist die Ausdehnung des Mindestschadenersatzes bei diskriminierender Nichtbegründung eines Arbeitsverhältnisses von einem auf zwei Monatsentgelte. Außerdem wird behinderten Menschen bei diskriminierender Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Wahlrecht zwischen Anfechtung und Schadenersatz eingeräumt.

In der Debatte wurde die Regierungsvorlage grundsätzlich von allen Seiten begrüßt, auch wenn Abgeordnete Theresia Haidlmayr (GRÜNE) die Verbesserungen als „winzig klein“ qualifizierte und eine weitergehende Änderung des Behindertengleichstellungsgesetzes urgierte. Ihrer Ansicht nach handelt es sich um ein „zahnloses“ Gesetz, eine Bewertung, die sowohl von Abgeordneter Ursula Haubner (B) als auch von Sozialminister Erwin Buchinger zurückgewiesen wurde. Es gebe noch Lücken in der Behindertengleichstellung, die in den nächsten Jahren geschlossen werden müssten, räumte Buchinger ein, er zeigte sich in Bezug auf die Weiterentwicklung des Gesetzes auf Basis einer derzeit laufenden Evaluierung aber zuversichtlich. Haubner sprach von einem Gesetz mit „Vorbildcharakter“.

Umfassend diskutiert wurde im Ausschuss über eine Reihe von Anträgen der Opposition, die mit der Gesetzesvorlage mitverhandelt wurden. So fordert die FPÖ in einem Entschließungsantrag unter anderem eine generelle Rückvergütung von 20 % des Kaufpreises bei Anschaffung eines Pkw durch Behinderte (325/A[E]) und die Beseitigung von Diskriminierungen behinderter Menschen bei privaten Versicherungen (511/A[E]), die Grünen treten für eine bessere sozialrechtliche Absicherung von Menschen in Beschäftigungstherapie (49/A[E]) und die rasche Einrichtung von Beratungsstellen zur Herstellung baulicher Barrierefreiheit (109/A[E]) ein.

Außerdem drängen FPÖ und Grüne auf eine Erhöhung der geltenden Ausgleichstaxe im Falle der Nichteinstellung behinderter Menschen. Im Konkreten spricht sich die FPÖ für einen progressiven Anstieg der Ausgleichstaxe aus (512/A), die Grünen verlangen von Sozialminister Buchinger allgemein ein Abgehen von den bestehenden „Dumpingpreisen“ (128/A[E]). Die Ausgleichstaxen seien so niedrig, dass niemand „ein Ohrwaschl rühre“, um Behinderte einzustellen, formulierte Abgeordnete Theresia Haidlmayr (GRÜNE) in der heutigen Sitzung.

Haidlmayr urgierte zudem ein generelles „Freikaufsverbot“ für die öffentliche Hand in Bezug auf die Beschäftigung behinderter Menschen. Sie rechnete vor, dass damit auf einen Schlag 33.000 Behinderte einen Job bekommen würden. Auch Abgeordneter Werner Neubauer (FPÖ) verwies auf die notwendige Vorbildfunktion von Bund, Ländern und Gemeinden. Dazu hielt Abgeordnete Christine Lapp (SPÖ) fest, dass sich sämtliche Ministerien verpflichtet hätten, um 10 % mehr behinderte Menschen zu beschäftigen.

Der Kritik der Grünen an der fehlenden sozialen Absicherung von Behinderten in Beschäftigungstherapie schlossen sich auch BZÖ und FPÖ an. Abgeordnete Haidlmayr gab zu bedenken, dass die Betroffenen trotz jahrelanger Arbeit nicht einmal Anspruch auf eine Pension hätten, da keine Pensionsbeiträge für sie eingezahlt würden. ÖVP- Behindertensprecher Franz-Josef Huainigg gestand ein, dass es in dieser Frage dringend einer Lösung bedürfe, machte allerdings geltend, dass es sich in erster Linie um ein Problem der Länder und nicht des Bundes handle.

Was die Diskriminierung von Behinderten durch Versicherungen betrifft, regte Abgeordnete Ursula Haubner (BZÖ) die Einrichtung eines Klagsfonds für die Betroffenen an, um die Durchsetzung bestehenden Rechts zu erleichtern. Sie trat überdies dafür ein, kleine Firmen durch finanzielle Anreize dazu zu bringen, mehr Behinderte einzustellen. Abgeordnete Haidlmayr appellierte an Buchinger, in seiner Funktion als Konsumentenschutzminister Versicherungen anzuhalten, Behinderte in Hinkunft nicht mehr zu diskriminieren.

Der Vorschlag der FPÖ, Behinderten beim Ankauf eines Pkw generell 20 % des Kaufpreises rückzuerstatten, stieß bei den Regierungsparteien auf Ablehnung. SPÖ-Abgeordneter Karl Dobnigg brachte vor, dass es ohnehin schon viele Begünstigungen für Behinderte in diesem Bereich gebe, und warnte vor einer „Überförderung“.

Sozialminister Erwin Buchinger berichtete den Abgeordneten, dass er den Versicherungen Anfang Jänner einen Brief geschrieben und darin auf die Notwendigkeit verwiesen habe, die neue Rechtslage in Bezug auf die Gleichstellung behinderter Menschen in der Vertragsgestaltung zu berücksichtigen. Sollte es konkrete Fälle von Diskriminierung geben, sei er bereit, über den Verein für Konsumenteninformation (VKI) eine Musterklage zu führen, drohte er.

Mit der Neugestaltung der Ausgleichstaxe für die Nichterfüllung der Einstellungspflicht behinderter Menschen befasst sich Buchinger zufolge derzeit eine Arbeitsgruppe. Es gehe dabei sowohl um eine mögliche progressive Gestaltung der Ausgleichstaxe als auch um ein Anreizsystem für kleine Betriebe, skizzierte er. Mit einem Ergebnis der Arbeitsgruppe rechnet Buchinger im 2. Halbjahr 2008. Der Minister verwies in diesem Zusammenhang außerdem auf zahlreiche Initiativen der Regierung zur Integration behinderter Menschen in den Arbeitsmarkt und machte geltend, dass der Bund seine Einstellungsverpflichtung zu 97 % erfülle. Lediglich das Unterrichtsministerium und das Innenministerium hätten „noch gröbere Anstrengungen zu tätigen“.

Was die sozialrechtliche Absicherung von Menschen in Beschäftigungstherapie anbelangt, sieht Buchinger vor allem die Länder gefordert, wobei er sich überzeugt zeigte, dass eine solche Absicherung auf lange Sicht nicht teurer als die derzeitige Taschengeld-Regelung komme. Gleichzeitig wies er auf die geplante Mindestsicherung hin, in die auch behinderte Menschen einbezogen sein werden. Er hoffe, dass der Termin 1.1.2009 für die Einführung der Mindestsicherung halten werde, betonte Buchinger.

In Bezug auf eine bundesweite Harmonisierung der Bestimmungen über bauliche Barrierefreiheit gibt es nach Auskunft Buchingers noch kein Ergebnis. Der Bund könne die Länder nicht zur Harmonisierung zwingen, skizzierte er, er werde aber weiterhin „lästig sein“. Der Bund selbst hat Buchinger zufolge die vorgeschriebenen Etappenpläne zur baulichen Barrierefreiheit „fast lückenlos“ vorgelegt, lediglich ein Ministerium fehle noch. Seitens seines Ressorts würden überdies bereits verschiedene Beratungsstellen für bauliche Barrierefreiheit gefördert.

Bei der Abstimmung wurden die beiden Anträge betreffend Ausgleichstaxe, der Antrag betreffend bundeseinheitliche sozialrechtliche Absicherung von Menschen in Beschäftigungstherapie und der Antrag betreffend bauliche Barrierefreiheit mit den Stimmen der Koalitionsparteien vertagt. Der Antrag der FPÖ betreffend Diskriminierung behinderter Menschen bei privaten Versicherungen soll dem Justizausschuss zugewiesen werden. Mehrheitlich abgelehnt wurde der Antrag betreffend teilweiser Kaufpreis-Vergütung für die Anschaffung von Kraftfahrzeugen für Behinderte.

Buchinger will bessere Pflegegeld-Einstufung für Demenzkranke

Schließlich wurden vom Sozialausschuss die Beratungen über einen Entschließungsantrag der Grünen vertagt, der auf eine Änderung der Pflegegeld-Einstufung für demenzkranke Menschen abzielt. Sozialminister Buchinger sagte zu, darüber mit Finanzminister Wilhelm Molterer zu verhandeln, und äußerte die Hoffnung, eine bessere Einstufung gemeinsam mit der angestrebten Erhöhung des Pflegegeldes per 1.1.2009 umsetzen zu können. Derzeit ist Buchinger zufolge auf Basis von Vorschlägen einer Arbeitsgruppe ein „Feldversuch“ mit insgesamt 1.500 Probebegutachtungen im Laufen, an dem sich mehrere Versicherungen und zwei Bundesländer beteiligen. Der Minister rechnet mit einem Endergebnis im Juni 2008, dann könne man parallel zu den Budgetverhandlungen mit legistischen Arbeiten beginnen.

Zuvor hatten Abgeordnete Theresia Haidlmayr (GRÜNE) und Abgeordneter Werner Neubauer (FPÖ) Buchinger Säumigkeit vorgeworfen und darauf aufmerksam gemacht, dass dieser ein Ergebnis der Arbeitsgruppe für Ende 2007 angekündigt hatte. Die Verzögerungen begründete Buchinger damit, dass sich die Arbeitsgruppe zunächst darauf konzentriert habe, eine Lösung für die 24-Stunden-Betreuung zu finden.

Hier beginnt der Werbebereich Hier endet der Werbebereich
Hier beginnt der Werbebereich Hier endet der Werbebereich