Home, sweet home – aber nur barrierefrei

Barrierefreiheit heißt nicht nur behindertengerechte Gebäude zu errichten, sondern auch menschengerecht zu bauen. (Dieser Kommentar ist in der Presse erschienen.)

Alte Frauen in der Fußgängerzone
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Oft wenden sich Menschen an mich, die aufgrund ihrer steigenden Behinderung ihre Wohnung nicht mehr verlassen können. Die Wohnung wird zum Gefängnis, die Stiegen werden unsichtbare Mauern.

Auch vielen Senioren geht es ähnlich. Stiegen, die man als junger Mensch leicht hat überwinden können, werden zu unüberwindbaren Barrieren und führen zur Vereinsamung. Im Laufe des Jahres 2013 wird die Gruppe der über 60-Jährigen die Zwei-Millionen-Marke überschreiten.

Wohnungspolitische Antworten

Angesichts dieser demografischen Entwicklung braucht es dringend wohnungspolitische Antworten. Das Leben in den eigenen vier Wänden bedeutet weitaus mehr Lebensqualität als ein Alters- oder Pflegeheim, das nur als letzte Möglichkeit infrage kommen sollte. Zudem ist der Verbleib in der eigenen Wohnung im Zeitraum von fünf Jahren bis zu acht Mal wirtschaftlicher.

Barrierefreiheit heißt nicht nur behindertengerecht bauen, sondern auch menschengerecht bauen. Das muss oberstes Prinzip für den zeitgemäßen Wohnbau sein. 2014 wird der Sanierungsscheck um barrierefreies Wohnen erweitert werden. Das ist ein wichtiger Baustein und fördert das selbstbestimmte Leben im eigenen Heim.

Auch wäre es wichtig, im Zuge des nächsten Finanzausgleichs bei der Wohnbauförderung Barrierefreiheit zum fixen Kriterium zu machen. Beispielsweise sollte so adaptierbarer Wohnbau, bei dem bereits im Zuge der Planung die spätere einfache behindertengerechte Umgestaltung berücksichtigt wird, gefördert werden.

Hilferuf per Knopfdruck

Schwierigkeiten gibt es auch bei der Finanzierung von Assisted Living. Durch neue Technologien können pflegebedürftige Menschen per Knopfdruck problemlos Hilfe holen. Sensoren registrieren, wenn der Bewohner nicht aus dem Bett aufsteht, die Haustür offen stehen lässt oder nicht duscht. Diese einfachen und kostengünstigen Unterstützungsmaßnahmen ermöglichen auch Menschen, die beispielsweise unter Demenz leiden, ein Leben zu Hause.

Entwicklung neuer Modelle

Technologien können aber Menschen nicht ersetzen. Günther ist Mitte 20 und hat Downsyndrom. Vor zwei Jahren ist er von zu Hause ausgezogen und lebt in einer eigenen Wohnung. Das war der normale und wichtige Ablösungsprozess.

Allerdings hat das Wohnen ganz allein mit nur stundenweiser Unterstützung durch persönliche Assistenten nicht funktioniert. Günther war oft einsam und hatte Sehnsucht nach einem Gesprächspartner. Hier sind neue Wohnmodelle zu entwickeln, beispielsweise Wohngemeinschaften nach den Prinzipien behindert und nicht behindert oder jung und alt.

Studenten, Senioren als Partner

Erfahrungen damit hat das Projekt „Wohnen für Hilfe“ gesammelt. In den Studentenstädten, beispielsweise Graz und Innsbruck, werden Wohnpartnerschaften von Studenten mit älteren Menschen vermittelt. Der Deal lautet ein m2 gegen eine Stunde Hilfe pro Monat. Die Win-win-Situation liegt bei den Studenten in der Finanzierbarkeit von teuren Wohnflächen und bei Senioren und älteren und behinderten Menschen bei der Hilfeleistung.

So helfen die Studenten beim Blumengießen, Kochen, Spazierenführen des Hundes oder Einkaufen. Geregelt wird das Zusammenleben in Wohnpartnerschaftsabkommen. Solche Wohnmodelle müssen auch von der Politik mehr gefördert werden.

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