Pädagogischen Streit nicht auf dem Rücken hörbehinderter Menschen austragen!

„Gehörlose SchülerInnen brauchen zweisprachigen Unterricht, um barrierefreien Zugang zu Bildung zu haben“, sagt ÖVP-Behindertensprecher Dr. Franz-Joseph Huainigg und unterstützt damit ein zentrales Anliegen des Österreichischen Gehörlosenbundes, der heute, Donnerstag, bei einer Kundgebung Bilingualität als Unterrichtsprinzip fordert.
„Mehrere Sprachen zu lernen gehört heute zum Schulalltag und entspricht dem Leben in einer globalisierten Welt. Der pädagogische Streit, der jahrzehntelang auf dem Rücken hörbehinderter Menschen ausgetragen wurde, ob gehörlose Kinder in der Gebärdensprache oder in der Lautsprache unterrichtet werden sollen, ist in erster Linie eine akademische Fragestellung“, sagt Huainigg und hält fest: „Die Lautsprache ist wichtig, damit gehörlose Kinder in Schule, Beruf und Gesellschaft integriert leben können. Die Gebärdensprache hat aber ebenso zentrale Bedeutung, da komplexe Inhalte, wie sie etwa für eine spezifische Berufsausbildung notwendig sind, nur durch sie vermittelt werden können. Ich setze mich daher für Bilingualität als Unterrichtsprinzip ein.“
Vermittelt werden könne der bilinguale Unterricht am besten durch Lehrerinnen, die selbst gehörlos sind. „Derzeit unterrichten an österreichischen Schulen jedoch nur vier gehörlose Lehrerinnen. Für die Aufnahme in eine pädagogische Hochschulen gilt zwar die „körperliche Eignung“ nicht mehr als Grundvoraussetzung – ein Erlass des BMUKK widerspricht jedoch dem Hochschulgesetz“, kritisiert Huainigg.
Er begrüßt, dass heute Gehörlosenvertreterinnen mit Beamten des Bildungsministeriums zusammentreffen: „Dieser Meinungsaustausch ist wichtig und führt hoffentlich zu Veränderungen im Schulsystem für gehörlose Kinder“, sagt der Nationalrats-Abgeordnete, der Bildungsministerin Schmied daran erinnert, dass sie im Dezember des Vorjahres einen runden Tisch angekündigt hat: „Dabei sollen Interessenvertretungen und die Behindertensprecher der Parlamentsparteien diskutieren und gemeinsam Lösungen erarbeiten, wie mehr LehrerInnen mit Behinderung im Unterricht eingesetzt werden können. Ich hoffe, dass die Ministerin ihr Versprechen bald umsetzt“, sagt Huainigg.
Harald Pachler,
24.02.2008, 18:54
sg Herr Dr. Franz-Joseph Huainigg! sie behaupten:
[…] Die Gebärdensprache hat aber ebenso zentrale Bedeutung, da komplexe Inhalte, wie sie etwa für eine spezifische Berufsausbildung notwendig sind, nur durch sie vermittelt werden können. […]
von wo haben sie das her? Gerade das ist das Hauptproblem, dass für viele Fachbegriffe, Fremdwörter derzeit wenige bis keine Gebärden existieren – und nun wird behauptet, dass komplexe Inhalte nur durch die Gebärdensprache vermitteln werden kann?
Lukas Huber,
22.02.2008, 12:52
Offensichtlich war die Zeit vor 8 Jahren eine andere Einstellung gegenüber der Gebärdensprache als heute, Herr Reinisch. Zu Ihrem Beitrag: Ich habe auch eine Erstkommunion am 06.05.2007 in der Wiener Pfarre St. Hubertus miterlebt. Unter vielen hörenden Kindern waren ebenfalls 3 gehörlose Kinder dabei. In der Vorbereitungszeit hat der Pfarrer höchstpersönlich darauf bestanden, dass Gebärdensprachdolmetscher dabei assistieren müssen. So wurden alle Eltern davon in Kenntnis gesetzt und niemand hatte was daran auszusetzen. Ganz im Gegenteil, sie wurde mit Begeisterung von allen unterstützt. Ein gehörloses Kind trug CI, trotzdem war es auch auf Assistenz durch Dolmetschung angewiesen.
Jedem das Seine, der sich dadurch „vergewaltigt“ fühlt. Dennoch ich finde, die Kommunikationsbedürfnisse des Kindes – und nicht die der Eltern – sollen im Vordergrund stehen.
Karl Reinisch,
22.02.2008, 12:35
Erlebnis Erstkommunion meiner Tochter Magdalena 1996
mit 2 Gebärdedolmetschern in Graz-Mariahilf.
In der 2.Klasse VS Afritsch der Expositur Rosenberggürtel war kein einziges gehörloses Kind. Ein neuer gehörloser Lehrer aus Deutschland hat ohne unser (der Eltern) Wissen veranlasst, dass 2 Leute Gebärde gedolmetscht haben. Das war eine dermaßen störende Aufführung, da nicht der erstmalige Empfang der hl. Eucharistie durch die Kinder im Vordergrund stand, sondern die 2 Gebärdedolmetscher im Mittelpunkt standen.
Wir hatten auch nicht den Eindruck, dass dieser Lehrer aus Deutschland religiös war.
Wir haben uns durch diese Zwangsbeglückung vergewaltigt gefühlt.
Im übrigen sollten gehörlosen Kinder so früh als möglich mit Cochleaimplantaten versorgt werden, damit sie so wie gut versorgte Hörgeräteträger ohne weitere Barrieren am Leben der ganzen Gesellschaft teilnehmen können. Diese Möglichkeit steht den weitaus meisten gehörlosen kleinen Kindern zur Verfügung.