Huainigg: Österreich braucht Pflegefachkräfte!

Folgenden offenen Brief richtet ÖVP-Behindertensprecher Abg. Dr. Franz Joseph Huainigg an alle im Pflegebereich tätigen Personen:

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„Die derzeit in Begutachtung stehende Novelle des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes zur Kompetenzregelung im Pflegebereich sorgt für große Unruhe. Anstatt über die geplante Neuregelung sachlich aufzuklären, schüren die Gewerkschaften mit Aussagen wie „Berufsverbot für diplomiertes Gesundheits- und Krankenpflegepersonal“, „professionelle Pflege soll durch ungelernte Kräfte ersetzt werden“, „Lohndumping“ oder „Qualitätsverlust der betreuenden Frauen und der zu Pflegenden“ Ängste und stellen damit in den Raum, dass bald keine Pflegefachkräfte in Österreich mehr benötigt werden.

Dies ist nicht nur unrichtig, sondern das Gegenteil ist der Fall: Angehörige des gehobenen Dienstes bekommen durch die angesprochene Gesetzesregelung neue Aufgabe und Verantwortungsbereiche übertragen. Und es werden erste Schritte zu einem bereits seit langem geforderten Case-Management gesetzt.

Pflegebedürftige Menschen brauchen Pflegefachkräfte. Aber Pflegefachkräfte benötigen auch pflegebedürftige Menschen! Eine Symbiose, die auch in Zukunft nicht weg zu denken ist und keineswegs aufgelöst werden soll. Die Vertreter der Gewerkschaft argumentieren nun, dass nur gelernte Pflegefachkräfte mit pflegebedürftigen Menschen mit Behinderung kompetent umgehen können.

Bernadette schildert ihre Aufnahme ins Krankenhaus folgendermaßen: „Anfangs lehnten die Krankenschwestern die Hilfe durch persönliche Assistenten völlig ab, sie wissen ohnehin wie man mich in den Rollstuhl transferiert. Als ich aber dabei fast auf den Boden gefallen bin, waren sie plötzlich über die Hilfe des persönlichen Assistenten dankbar“. Persönliche Assistenten bieten zahlreichen behinderten Menschen eine auf die individuellen Bedürfnisse hin ausgerichtete ganzheitliche Lebensunterstützung.

Dazu können auch nach Anleitung notwendige Pflegeleistungen zählen, die zu einem selbstbestimmten und integrierten Leben einfach notwendig sind. Der Verein Bizeps hat in seinem Projekt „behindertengerechtes Krankenhaus“ zahlreiche Aufklärungs- und Informationsmaßnahmen für diplomierte Pflegefachkräfte durchgeführt. Es gilt, dass behinderte Menschen, Pflegepersonal und persönliche Assistenten voneinander lernen, sich ergänzen und dabei Vorurteile und ein Konkurrenzdenken abbauen.

Oftmals hört man die Aussage: „Wenn ich alt oder behindert bin, möchte ich meinen Angehörigen nicht zur Last fallen und gehe in ein Heim“. Das Ehepaar K. (57 und 60) hat diesen Vorsatz verwirklicht. Sie schrieben ihre Wohnung zum Verkauf aus und übersiedelten in eine noble Pensionistenresidenz. Nach drei Wochen zogen sie jedoch wieder in ihre Wohnung zurück, die zum Glück noch nicht verkauft war.

Ihr Resümee: Keine 5 Sterne-Einrichtung kann die eigenen vier Wände und das damit verbundene soziale Netzwerk ersetzen. Es muss Ziel der Politik sein, dass Menschen solange wie möglich zu Hause leben können. 80 Prozent aller pflegebedürftigen Menschen werden zu Hause von ihren Angehörigen gepflegt.

Ihnen mutet man jegliche pflegerische Kompetenz auch bei medizinnahen Tätigkeiten wie Katheterisieren, Insulin spritzen oder Wundprophylaxe zu. Unterstützt werden sie in der Praxis von mobilen Diensten aber auch von „LaienhelferInnen“, welche die pflegerischen Maßnahmen jedoch in einem gesetzlichen Graubereich durchführen. Die vorliegende Gesetzesnovelle soll diese Hilfestellungen legalisieren und einer Qualitätskontrolle zuführen.

So sieht der Entwurf vor, dass PersonenbetreuerInnen in der 24 Stunden-Betreuung oder persönliche AssistentInnen von einer Pflegefachkraft auf die individuellen pflegerischen Bedürfnisse des Betroffenen hin angeordnet und angeleitet werden müssen. Ob die jeweiligen „LaienhelferInnen“ dazu in der Lage sind und was sie tun dürfen, liegt in der Entscheidung der Pflegefachkraft oder des Arztes. Es handelt sich bei dieser Einschulung dezidiert um keine Berufsausbildung.

Es wird keine abstrakte Berufskompetenz erworben, denn die Personenbetreuerin oder die Assistentin darf die Pflegetätigkeit ausschließlich bei jener pflegebedürftigen Person durchführen, für die sie eingeschult worden ist. Gleichfalls gibt es für die Pflegedelegation eine gesetzlich vorgeschriebene Befristung. Die Pflegefachkraft kann beispielweise festlegen, dass sie zunächst wöchentlich, dann vierteljährlich und später vielleicht jährlich eine Qualitätskontrolle durchführt, je nachdem, welche Pflegetätigkeiten notwendig sind und wie die Rahmenbedingungen (Geschicklichkeit des Assistenten, Begleitung durch pflegenden Angehörige, etc) gestaltet sind.

Die Neuregelung gilt nur für den extramuralen Bereich und nicht für stationäre Einrichtungen. Wer als mobile Krankenschwester bisher schon unterwegs war, hat erkannt, wie praxisfremd oft die jetzige gesetzliche Regelung ist. So durfte die Heimhilfe zwar das Essen kochen und auf den Tisch stellen, nicht aber verabreichen. Und auch die neu geschaffenen Personenbetreuer für die 24h Begleitung dürfen mehr oder weniger nur Haushaltstätigkeiten und einfache Betreuungsaufgaben wahrnehmen.

Das Leben einer pflegebedürftigen Person zu Hause benötigt jedoch andere Rahmenbedingungen als in einer Einrichtung oder in einem Krankenhaus. Es würden sich sonst die Ärztin, die Pflegehelferin, die Heimhilfe, die Behindertenpädagogin und die diplomierte Krankenschwester die Türklinke in die Hand geben oder gar parallel im Haushalt tätig sein. Die neue gesetzliche Regelung schafft lebensnahe Flexibilität, aber gewährleistet auch notwendige Qualität.

Briefe erhalte ich auch von verärgerten Altenfach- und Behindertenbetreuern (in Zukunft: Fach- und Diplom SozialbetreuerInnen), die sich durch LaienhelferInnen ausgebootet sehen. Ihren bis zu dreijährigen Ausbildungen stehen verhältnismäßig sehr eingeschränkte Berufskompetenzen gegenüber. Insbesondere in familiennahen Strukturen wie Wohngemeinschaften für pflegebedürftige Menschen werden diese Probleme sehr deutlich.

Hier braucht es eine Überarbeitung der Kompetenzen aller betroffenen Berufsgruppen, bei der auf den Erfahrungen in der Praxis bauend und nicht primär geprägt durch berufsständische Interessen vernünftige Lösungen gesucht werden. Dabei müssen die Bedürfnisse der behinderten oder/und pflegebedürftigen Menschen im Mittelpunkt stehen und nicht berufsständische Interessen.“

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