Durch Best-Practice-Beispiele zur De-Institutionalisierung voneinander lernen
„Artikel 19 der UN-Behindertenrechtskonvention beinhaltet das Recht auf unabhängige Lebensführung und Einbeziehung von Menschen mit Behinderungen in die Gemeinschaft. Menschen mit Behinderungen müssen die gleichberechtigte Wahl haben können, wo und mit wem sie leben möchten. Sie dürfen nicht verpflichtet werden, in besonderen, abgeschotteten Wohnformen zu leben“, erklärt Abg. Dr. Franz-Joseph Huainigg, ÖVP-Sprecher für Menschen mit Behinderung anlässlich der heutigen Sitzung des Sozialausschusses.
„Bei der 2013 durchgeführten Staatenprüfung zur Umsetzung der UN-Konvention wurde von Österreich die De-Institutionalisierung für Menschen mit Behinderungen in allen Lebenslagen gefordert. Dieses wichtige Prinzip eines Wahlrechts auf selbstbestimmtes Leben muss vor allem im Wohnbereich umgesetzt werden“, fordert Huainigg.
Er verweist in diesem Zusammenhang auf Kapitel 6 des Nationalen Aktionsplans, wo Bund und Länder aufgefordert werden, Menschen mit Behinderungen ein inklusives und selbstbestimmtes Leben und Wohnen zu sichern.
Dort heißt es: „Im Bereich des Wohnens ist ein umfassendes Programm der De-Institutionalisierung in allen neun Bundesländern notwendig. Dabei müssen Großeinrichtungen abgebaut und gleichzeitig Unterstützungsleistungen geschaffen werden, die auch für Menschen mit einem hohen Unterstützungsbedarf ein selbstbestimmtes Leben in der eigenen Wohnung ermöglichen. Grundsatz muss dabei sein, dass die betroffenen Menschen die für sie passende Wohnform und die für sie notwendigen Unterstützungsleistungen auswählen können.“
„Ein Leben in großen Institutionen wie Pflegeheimen entmündigt Menschen oftmals durch sehr starre Tagesabläufe, Pflegestrukturen und das Nichteingehen auf individuelle Lebensbedürfnisse und Wünsche“, gibt Huainigg zu bedenken.
Er verweist auf die Erfahrungen aus Schweden, wo bereits vor zwei Jahrzehnten durch die Auflösung von Heimen Menschen mit Behinderungen ein Leben in kleinen Wohnstrukturen und Wohngemeinschaften ermöglicht worden ist: „Es hat sich deutlich gezeigt, dass die Personen wieder selbstständiger wurden, da sie mehr gefordert waren, ihren Alltag selbst zu organisieren; der Medikamentenbedarf bei den Bewohnerinnen und Bewohnern sank dramatisch, und Macht- und Gewaltübergriffe konnten in den überschaubaren, kleinen Strukturen minimiert werden, was – wie uns das aktuelle Beispiel aus Niederösterreich bedauerlicherweise erneut deutlich vor Augen führt – aktueller denn je“, führt Huainigg aus.
„Es gibt bereits sehr gelungene, kleinstrukturierte Wohnprojekte in den Bundesländern, das Rad muss nicht neu erfunden werden. Hier können die Bundesländer durch Best-Practice-Beispiele viel voneinander lernen und übernehmen“, sagt Huainigg abschließend und verweist auf den entsprechenden Entschließungsantrag, der heute im Sozialausschuss beschlossen wurde.