NATIONALRATSWAHLORDNUNG

Text:

§ 66 Persönliche Ausübung des Wahlrechts
"(1) Das Wahlrecht ist persönlich auszuüben; blinde, schwer sehbehinderte und gebrechliche Wähler dürfen sich von einer Geleitperson, die sie sich selbst auswählen können, führen und sich von dieser bei der Wahlhandlung helfen lassen. Von diesen Fällen abgesehen, darf die Wahlzelle jeweils nur von einer Person betreten werden."


Kommentar:

Zunächst stellt die Einschränkung auf die genannten Personengruppen eine nicht nachvollziehbare Einengung dar, da auch für andere Gruppen behinderter Menschen die Mitnahme einer "Geleitperson" zweckmäßig und erforderlich ist, etwa bei allen sinnesbehinderten Menschen. Darüber hinaus stellt das Fehlen einer Bestimmung, die auch die Verpflichtung der Wahlbehörden zur Auflage von Wahlschablonen für blinde und hochgradig sehbehinderte Menschen vorsieht, eine Diskriminierung dar, da dieser Personengruppe das unter dieser Voraussetzung auch selbständige Abgeben der Stimme, ohne fremde Personenhilfe, ex lege verunmöglicht wird.


Vorschlag:

Die Wortfolge, "blinde, schwer sehbehinderte und gebrechliche Personen" ist durch "körper- und sinnesbehinderte Personen" zu ersetzen. Ferner ist vorzusehen, daß Wahllokale behindertengerecht (insbesondere barrierefrei, mit Leiteinrichtungen etc.) zu gestalten und Hilfsmittel (z. B. Wahlschablonen für blinde Wähler) bereitzuhalten sind.

Darüber hinaus sind dem § 66 Nationalratswahlordnung ähnliche Bestimmungen analog zu novellieren. Insbesondere handelt es sich dabei um: § 22 Apothekerkammer-Wahlordnung, § 49 Arbeiterkammer-Wahlordnung, § 20 Bundes-Personalvertretungs-Wahlordnung, § 52 Europawahlordnung, § 87 Handelskammergesetz, § 21 Tierärztekammer-Wahlordnung, § 64 Wiener Gemeindewahlordnung.


Gesetzgebung / Initiativen:

Die Nationalratsabgeordneten Maria Rauch-Kallat (ÖVP), Dr. Peter Kostelka (SPÖ) und Mag. Terezija Stoisits (GRÜNE) stellten folgenden Abänderungsantrag zur:

"§ 52
(1) Das Wahlrecht ist persönlch auszuüben; Körper- oder sinnesbehinderte Wähler dürfen sich von einer Person, die sie selbst auswählen können und gegenüber dem Wahlleiter bestätigen müssen, führen und sich bei der Wahlhandlung helfen lassen. Von diesen Fällen abgesehen, darf die Wahlzelle jeweils nur von einer Person betreten werden.

(2) Als körper- oder sinnesbehindert gelten Personen, denen die Ausfüllung des amtlichen Stimmzettels ohne fremde Hilfe nicht zugemutet werden kann."

Der Antrag wurde am 19. September 1998 mit Mehrheit angenommen und tritt mit 1. Jänner 1999 in Kraft.


Text:

§ 72 Besondere Erleichterungen für die Ausübung des Wahlrechts
"(4) In Anstalten unter ärztlicher Leitung kann diese in Einzelfällen den in den Abs. 2 und 3 bezeichneten gehfähigen und bettlägerigen Pfleglingen die Ausübung des Wahlrechts aus gewichtigen medizinischen Gründen untersagen."


Kommentar:

Die Bundesverfassung spricht im Artikel 26 von einem gleichen, unmittelbaren, geheimen und persönlichen Wahlrecht. Der § 72 Abs. 4 der Nationalratswahlordnung diskriminiert behinderte Menschen bei der Ausübung ihres Wahlrechts, denn der Artikel 26 B-VG besagt eindeutig: "(5) Die Ausschließung vom Wahlrecht und von der Wählbarkeit kann nur die Folge einer gerichtlichen Verurteilung sein."


Vorschlag:

Im § 72 der Nationalratswahlordnung ist der Abs. 4 ersatzlos zu streichen. Darüber hinaus sind dem § 72 Nationalratswahlordnung ähnliche Bestimmungen analog zu novellieren. Insbesondere handelt es sich dabei um: § 58 Europawahlordnung und § 70 Wiener Gemeindewahlordnung.


Gesetzgebung / Initiativen:

Die Nationalratsabgeordneten Maria Rauch-Kallat (ÖVP), Dr. Peter Kostelka (SPÖ) und Mag. Terezija Stoisits (GRÜNE) stellten einen Antrag zur Streichung des Absatzes. Der Antrag wurde am 19. September 1998 mit Mehrheit angenommen und tritt mit 1. Jänner 1999 in Kraft.


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