Die neue Verfassungsbestimmung

Im Plenum des Nationalrats wurde am 9. Juli 1997 einstimmig die Verfassungsänderung beschlossen (BGBI. I Nr.87/1997), die mit 14. August 1997 in Kraft trat. Für alle Anwesenden aus der Behindertenbewegung war dies ein bewegender Moment.

Entsprechend der Differenzierung des Rechts ist zwischen der Ebene der Verfassung und jener der einfachen Gesetze unterhalb der Verfassung zu unterscheiden. Die Verfassungsänderung ist deshalb von so wesentlicher Bedeutung, weil sie über den einfachen Gesetzen steht.

Der neue Artikel 7 des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG) lautet nun: "Alle Bundesbürger sind vor dem Gesetz gleich. Vorrechte der Geburt, des Geschlechtes, des Standes, der Klasse und des Bekenntnisses sind ausgeschlossen. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Die Republik (Bund, Länder und Gemeinden) bekennt sich dazu, die Gleichbehandlung von behinderten und nichtbehinderten Menschen in allen Bereichen des täglichen Lebens zu gewährleisten."

Der Gesetzgeber hat die Änderung folgendermaßen begründet: "Die vorgeschlagene Novellierung erscheint deswegen notwendig, da es noch immer nicht selbstverständlich sein dürfte, behinderte Menschen im alltäglichen Leben wegen ihrer Behinderung nicht zu diskriminieren. ... Diese Bestimmung ist als Staatszielbestimmung ausgestattet."

Wie können die Erwartungen erfüllt werden, die wir der Verfassungsänderung entgegenbringen? Einerseits werden all jene Gesetze, die dem neuen Verfassungsgrundsatz nicht entsprechen, zu ändern sein, andererseits wirkt die Staatszielbestimmung auf neu zu beschließende Gesetze.

Eine direkte Wirkung auf den Bereich des Privatrechts besteht aber für ein Verfassungsgesetz nicht. Die Wirkung auf das tägliche Leben kann nur dadurch erzielt werden, daß in einfachen Gesetzen Regelungen getroffen werden, die die Benachteiligung verbieten oder in gewissen privatrechtlichen Bereichen die besondere Behandlung vorschreiben.


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