Arbeitsgruppe im Bundeskanzleramt

In unseren Diskussionen wurde uns immer bewußter, daß ein Schritt zu mehr Rechten dadurch gesetzt werden könnte, daß vor allem in Gesetzen und Verordnungen vorhandene Diskriminierungen eliminiert werden.

Natürlich wußten wir, daß eine Vielzahl von bestehenden Diskriminierungen gar nicht in gesetzlichen Formulierungen zu finden sein werden, und dieser große Mißstand nur mit Hilfe eines Anti-Diskriminierungsgesetzes beseitigt werden kann, in dem u. a. auch Unterlassungen sanktioniert werden.

Aber warum sollten wir weitere wertvolle Zeit verstreichen lassen, wenn es vielleicht mit einem vertretbaren Aufwand möglich wäre, bestehende Gesetze zu durchforsten und zu novellieren.

"Es sind mir keine Diskriminierungen behinderter Menschen in meinem Ressort bekannt." (Anfragebeantwortung des Sozialministeriums vom 27. Juli 1995, 1204/AB). Diese und gleichlautende Antworten kamen aus allen Ministerien - einschließlich dem Bundeskanzleramt - wenn wir fragten, welche Diskriminierungen in den einzelnen Ressorts bekannt sind.

Es herrschte der Irrglaube "Wir diskriminieren niemanden!" vor. Verstärkt wurde dies noch durch den Zusatz, daß man selbstverständlich - falls Diskriminierungen bekannt würden - diese beseitigen würde. Doch wir ließen nicht locker und die Diskussion um die Verfassungsänderung half uns.

Selbst der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes schließt in einem Brief vom 29. Oktober 1996 von Staatssekretär Mag. Karl Schlögl an BIZEPS schon nicht mehr aus, daß einfachgesetzliche Regelungen durch die Aufnahme einer Nicht-Diskriminierungsklausel in den Artikel 7 B-VG verfassungswidrig werden könnten.

Diesen Überlegungen folgend richteten wir - nach der Beschlußfassung der Verfassungsänderung - am 26. Oktober 1997 an alle Abgeordneten zum Nationalrat ein Schreiben mit dem Ersuchen, sich für die Errichtung einer Arbeitsgruppe im Bundeskanzleramt (BKA) einzusetzen, die das Ziel hatte, in Zusammenarbeit mit allen Ministerien bestehende Gesetze nach diskriminierenden Stellen zu durchforsten.

Unsere Aufforderung wurde vom SP-Klubobmann Dr. Peter Kostelka aufgegriffen, der den Bundeskanzler Mag. Viktor Klima ersuchte, zur Umsetzung dieses Vorhabens im BKA eine Arbeitsgruppe einzurichten. Diesem Ersuchen Folge leistend, wurde vom Kanzler zum Jahreswechsel eine Arbeitsgruppe installiert.

Am 8. Jänner 1998 fand eine konstituierende Sitzung statt, allerdings ohne VertreterInnen der Behindertenbewegung! Wir protestierten vehement und so wurde vereinbart, zusätzlich zu den Bundesministerien, der Koordinationsstelle der Bundesländer, den Nationalratsabgeordneten und deren ExpertInnen in Zukunft auch VertreterInnen von Integration:Österreich, der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation und namentlich Martin Ladstätter, Mag. Silvia Oechsner und Prof. Volker Schönwiese (als drei VertreterInnen der Selbstbestimmt-Leben-Initiativen Österreichs) beizuziehen.

Man muß sich vor Augen halten, was hier geschehen ist: Die VertreterInnen der Ministerien saßen mit ExpertInnen der Behindertenbewegung an einem Tisch und wurden mit Diskriminierungen aus ihren Bereichen konfrontiert, von denen sie noch kurz zuvor behauptet hatten, es würde sie gar nicht geben.

Entsprechend gering war auch die Begeisterung bei einem Teil der Ministerialbeamten - manche fühlten sich offensichtlich belästigt und brachten dies auch in ihrem Verhalten zum Ausdruck. Aber es gab auch andere Reaktionen, wie z. B. von den Vertretern des BKA, die nun plötzlich (Auftrag des Chefs!) von sich aus benachteiligende Gesetzespassagen herausgefunden hatten.

Der anfangs vorgeschlagene - nach Behinderungen gegliederte - Prüfraster wurde von der Behindertenbewegung abgelehnt und man einigte sich schnell auf eine Überprüfung nach Lebensbereichen.

Zu diesem Zweck wurden vier Unterarbeitsgruppen gebildet:

Die gewährleistete Barrierefreiheit, Unterlagen auf Diskette und Gebärdensprachdolmetsch stellten - mit Ausnahmen - jenen Standard dar, der uns ein diskriminungsfreies Arbeiten ermöglichte.

Bei dieser Gelegenheit muß dem Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes für seine Bereitschaft zur Kooperation und Unterstützung unserer Arbeit gedankt werden.


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