Das Donauinselfest setzt 2025 auf mehr Barrierefreiheit: Ein Inklusionskonzert mit Milow wird teilweise von einem Avatar und einer Künstlerin in Gebärdensprache begleitet. Der ÖGLB sieht darin jedoch keine echte Inklusion.

Das Donauinselfest setzt 2025 auf mehr Barrierefreiheit: Ein Inklusionskonzert mit Milow wird teilweise von einem Avatar und einer Künstlerin in Gebärdensprache begleitet. Der Österreichische Gehörlosenbund (ÖGLB) sieht darin jedoch keine echte Inklusion.
Das Donauinselfest 2025 findet von Freitag, 20. Juni, bis Sonntag, 22. Juni auf der Wiener Donauinsel statt. Ein besonderes Highlight ist das Inklusionskonzert mit Milow am Freitag, 20. Juni, von 10:00 bis 12:00 Uhr auf der Wien Energie / radio fm4 Festbühne.
Dort werden insgesamt acht Lieder in Gebärdensprache übersetzt – vier davon durch einen digitalen Gebärdensprach‑Avatar, vier weitere live von Pam Eden, einer schwerhörigen Künstlerin.
Der Österreichische Gehörlosenbund begrüßt grundsätzlich den Fokus auf Inklusion, kritisiert jedoch den Einsatz von Avataren. Diese könnten die sprachliche und emotionale Tiefe echter Gebärdensprachdolmetscher:innen nicht ersetzen – vor allem nicht bei Live-Musik. In seiner Stellungnahme hält der ÖGLB dazu fest:
Wir vom Österreichischen Gehörlosenbund begrüßen ausdrücklich, dass Menschen mit Behinderungen verstärkt Zugang zu Kulturveranstaltungen erhalten sollen. Das ist ein wichtiger Schritt – doch wie dieser Schritt konkret umgesetzt wird, entscheidet darüber, ob es sich um echte Inklusion handelt oder lediglich um symbolische Gesten.
Der ÖGLB fordert daher, bei solchen Veranstaltungen auf professionelle, menschliche Dolmetscher:innen zu setzen, um gehörlosen Menschen einen gleichberechtigten Kulturbesuch zu ermöglichen.
Lukas Huber,
20.06.2025, 17:27
Sehr geehrter Herr Tschare,
es freut mich, dass das Donauinselfest heuer eine Gebärdensprach-Performance einer gehörlosen Künstlerin ins Programm aufgenommen hat. Das ist ein wertvoller kultureller Beitrag. Aber er ersetzt keine barrierefreie Gesamtorganisation.
Unsere Kritik bezieht sich nicht auf eine einzelne Darbietung, sondern auf das grundlegende Fehlen von ÖGS-Dolmetschdienstleistungen während des gesamten Festivals.
Augenzeugenberichte liegen mir vor.
Ohne kontinuierliche Verdolmetschung bleiben taube Besucher*innen von weiten Teilen des Programms ausgeschlossen. Ganz gleich, wie beeindruckend eine einzelne Performance und der Einsatz von Avataren sein mag.
Ihre Stellungnahme („…wohl eher…“) erweckt den Eindruck, dass die Kritik des ÖGLB nicht erwünscht ist, wenn es Ihren Bereich berührt.
Es ist die Aufgabe der organisierten Vertretungen der Menschen mit Behinderungen, auf Mängel in der Umsetzung der Inklusion offen hinzuweisen (UN-Behindertenrechtskonvention Artikel 4 Abs. 3, 33 Abs. 3). Zusätzlich unterstreicht Präambel Buchstabe o die Bedeutung der aktiven Beteiligung der NGOs – ganz im Sinne des Mottos „Nicht über uns ohne uns“.
Wir werden es an jeder Stelle weiter offen kommunizieren.
Somit bleibt es: symbolische Gesten reichen nicht aus.
Freundliche Grüße,
Lukas Huber (ÖGLB-Generalsekretär)
Robert Müller,
20.06.2025, 15:31
Mir fehlt die Warnung vor dem Etikettenschwindel „Inklusions-Konzert“!
Kein kritisches Wort von Behindertenvertretern!
Wie funktioniert denn das sog. „Inklusions-Konzert“: Am Freitag um 10:00 Vormittag, mitten im Veranstaltungsaufbau, steht eine Armada von Fahrtendienstfahrzeugen auf der Wiese vor der DIF-Hauptbühne. Auf der betonierten Fläche vor der Bühne finden sich Klienten und Betreuer von Behinderteneinrichtungen zum sog. „Inklusions-Konzert“ ein.
Menschen ohne Behinderungen haben am Freitagvormittag in der Regel noch einen Arbeitstag. Die „Einladung“ an „Alle“ ist eine Pseudo-Einladung!
Ich verstehe schon, dass die Verantwortlichen der Stadt Wien dieses Konzert „gut gemeint haben“ – für mich hat es nur den schalen Geschmack von „social washing“ für eine segregierende Gesellschaft. Es ist, ähnlich der unsäglichen „Licht ins Dunkel“ Aktion des ORFs – es ist eine ableistische Veranstaltung.
Inklusion sollte auf allen Bühnen thematisiert werden können, zu Zeitpunkten, an denen alle teilnehmen. Es sollte „normal“ sein, dieses Thema zur Diskussion zu stellen.
Georg Tschare,
19.06.2025, 15:31
Der ÖGLB kritisiert etwas, das er noch gar nicht gesehen hat. Hier geht es wohl eher um die Beanspruchung der Deutungshoheit von Inklusion als um deren Stärkung.
Ich möchte alle herzlich einladen, sich selbst ein Bild zu machen: Am Freitag, den 20. Juni, um 10:00 Uhr auf der Donauinsel findet u.a. eine großartige Gebärdensprach-Performance statt. Diese wurde von einer österreichischen gehörlosen Künstlerin konzipiert und umgesetzt und ist mit neuester Animationstechnologie verbunden.
Robert Müller
21.06.2025, 09:37
Was ist den ihre „Deutung“ von Inklusion? Reicht Gebärdensprache um einen Konzertbühne zu einer inklusiven Bühne zu machen?
Für mich ist das sog. „Inklusions-Konzert“ eine Leistungsschau der Behindertenwirtschaft bzw. ein SONDERKONZERT für Menschen mit Behinderungen und den Tagesstrukturen, auch wenn das von den Veranstaltern ganz anders gemeint ist.
Melina Velissaris
21.06.2025, 13:42
ich war persönlich am Freitag vor Ort, um mir selbst ein Bild zu machen. Gerade deshalb ist es mir wichtig zu sagen, was dort aus Sicht vieler gehörloser Besucher:innen gefehlt hat und was verbessert werden sollte.
Ein Avatar kann technisch beeindruckend sein. Aber er ersetzt nicht die menschliche Präsenz, die Emotion, die Spontanität und die Verbindung mit dem Publikum, die ein Deaf Performer auf der Bühne mitbringt. Gebärdensprache lebt von Mimik, Körperausdruck und echter Interaktion. Das ist keine technische Spielerei, sondern gelebte Kultur.
Wenn es um Inklusion geht, darf Technologie nicht zum Selbstzweck werden. Sie soll unterstützen, nicht ersetzen. Besonders in einem Format, das sich an gehörlose Menschen richtet, sollte ihre Perspektive nicht nur mitgemeint, sondern maßgeblich sein. Viele von uns empfanden den Avatar trotz aller technischen Innovation eher als distanzierend und künstlich, nicht als echte Bereicherung.
Es geht nicht um einen „Kampf“ zwischen Technik und Mensch, sondern um die zentrale Frage:
Was fühlen, sehen und erleben die Betroffenen als wirklich inklusiv?
Und genau hier sollten gehörlose Stimmen nicht nur gehört, sondern ernst genommen und aktiv einbezogen werden, nicht im Nachhinein, sondern von Anfang an.
Robert Müller
22.06.2025, 09:09
Liebe Fr. Melina Velissaris, ich weiß nicht ob sie mir oder Hrn. Tschare geantwortet haben. Meine Kritik an der „Kritik“ richtet sich nicht am Diskurs über KI oder Gebärdensprache. Das „Nicht über uns ohne uns“ steht außer Diskussion.
Ich finde es schlimm, wie kritiklos ein ableistische Veranstaltung als „inklusives Konzert“ auch von Behindertenvertretungen geframed wird. Inklusion ist wirklich zu einer hohlen Phrase verkommen.