Inklusion lernen

Immer mehr Studiengänge bringen Menschenrechte und Gleichstellungsfragen in die Hörsäle. Wie das gelingen kann, zeigen aktuelle Beispiele in Klagenfurt und St. Pölten.

Schild Universität
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Wer sich für Inklusion interessiert, hat sicher schon bemerkt, dass es in Österreich immer mehr Lehrgänge und Studiengänge zu diesem Thema gibt. Neben Inklusion beschäftigen sich diese Ausbildungen an Universitäten und Fachhochschulen häufig mit den Themen Diversität und Menschenrechte. Aber auch neue Technologien spielen verstärkt eine Rolle. So heißt zum Beispiel ein neuer Masterstudiengang an der Fachhochschule Kärnten „Disability, Diversity und Digitalisierung“.

Aber wie kann man Inklusion und Menschenrechte lernen? Sind diese Ausbildungen ein Beitrag zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention, dem wichtigsten Rechtsdokument für Menschen mit Behinderungen. Und ist Inklusion im Hörsaal oder vor dem Laptop hier wörtlich zu nehmen, das heißt, sind die Ausbildungen und Studiengänge barrierefrei? Wir haben uns in St. Pölten und Klagenfurt umgehört.

Schwerpunkt Digitalisierung in Klagenfurt

„Wir möchten mit unserem Masterstudiengang einen Beitrag zu einer inklusiven Gesellschaft und Hochschulbildung leisten“, sagt Susanne Dungs. Sie ist Professorin für Ethik und Sozialphilosophie an der Fachhochschule Kärnten und leitet den neuen Studiengang „Disability, Diversity und Digitalisierung“. „DDD“, wie der Studiengang an der FH kurzerhand genannt wird, startet voraussichtlich erstmals im März 2022, die Bewerbungsfrist läuft noch, die Studierenden werden im Rahmen eines Aufnahmeverfahrens ausgewählt.

Sie sollen in vier Semestern die drei „Ds“ erlernen, sich also mit den Themen Behinderung (Disability) und Vielfalt (Diversity) aus sozial- und kulturwissenschaftlicher Sicht beschäftigen. Was den Studiengang so besonders macht, ist die das dritte „D“, die Digitalisierung. In diesem interdisziplinären Schnittfeld mit den Technikwissenschaften werden den Studierenden vielfältige digitale Kompetenzen vermittelt. Aus der Kombination der drei Schwerpunkte ergeben sich dann Themen wie zum Beispiel „Ethik und Menschenrechte im Zeitalter der Digitalisierung“ oder digitale Assistenz und unterstützte Kommunikation.

Gleich beim ersten Surfen auf der Website des Studiengangs fällt positiv auf, dass die Inhalte des Studiums als „Anstöße verstanden werden, um Selbstbestimmung und Chancengleichheit zu sichern“.

Heißt das, Menschen mit Behinderungen sind als Studierende in diesem Masterstudiengang vorgesehen? Ist das Angebot barrierefrei und inklusiv? Das kann Studiengangsleiterin Dungs mit einem klaren „ja“ beantworten. „Wir beschäftigen uns an der FH Kärnten viel mit Fragen der Barrierefreiheit im digitalen Raum. Durch den hohen Anteil an Online-Lehre im Masterstudium DDD (75 bis 80 Prozent) gehen wir davon aus, Menschen mit Behinderungen mit diesem Studienangebot verstärkt anzusprechen.“ Auch der Schwerpunkt auf neuen Technologien und speziell digitale Unterstützungstechnologien könnte eine Motivation für diese Zielgruppe sein.

Neue Uni und neues Studium in St. Pölten

Ein paar hundert Kilometer weiter nördlich von Klagenfurt, an der Bertha-von-Suttner-Privatuni in St. Pölten, haben im Herbst ebenfalls erstmals Studierende ein alternativ als Universitäts- bzw. als Masterstudiengang angebotenes Studium begonnen, das sich mit Inklusion beschäftigt.

Man wolle Personen ansprechen, die sich intensiv und bewusst mit Fragen der inklusiven Gestaltung von Organisationen beschäftigen wollen. In einem berufsbegleitenden und interdisziplinären Rahmen verbindet er Studiengang Theorie und Praxisansätze aus den Bereichen der Inklusionsforschung, des Sozialmanagements sowie des Transformationsdesigns unter der Leitperspektive der Inklusion, beschreibt Lehrgangsleiter Oliver Koenig, Professor für Inklusive Pädagogik und Inklusionsmanagement, den neuen Studiengang „Transformatives Inklusionsmanagement“.

Menschen mit Behinderungen sollen den neuen Lehrgang ebenfalls absolvieren können, betont Koenig „Im Sinne einer vielfältigen Studierendenschaft ist es uns ein ganz besonderes Anliegen, dass auch Menschen mit Behinderungen an dem Studien- bzw. dem Universitätslehrgang teilnehmen können.“ Auch Lehrende und Expert_innen mit Behinderungen seien vorgesehen, erzählt er.

Wer sich für das Studium an der Suttner-Uni interessiert, könnte aber auf eine Barriere stoßen, die sich nicht mit baulichen, kommunikativen oder technischen Möglichkeiten lösen lässt: Die neue Uni ist privat, Studierende müssen für ihre Ausbildung zahlen. Oliver Koenig ist sich dieses Problems bewusst. Um für Personen mit geringem Einkommen eine Starthilfe zu geben, wurden zwei Stipendien ausgeschrieben, bei denen 50 Prozent der Studiengebühren erlassen werden, erklärt der Bildungswissenschaftler und fügt hinzu, dass eine private Uni auch Vorteile habe: „Wir können rasch und nah an den Bedürfnissen von Personen neue und innovative Studienangebote entwickeln.“

Akademische Bildung als Beitrag zur Gleichstellung

Wieder zurück in Klagenfurt haben wir Susanne Dungs gefragt, ob sie ihren Studiengang als Beitrag zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention versteht? Diese Frage greift sie gerne auf, denn sie sieht in dem völkerrechtlichen Vertrag, der Menschen mit Behinderungen die vollumfassende und gleichberechtigte Teilhabe in allen Bereichen der Gesellschaft zusichert, das ethische, rechtliche und behindertenpolitische Fundament des Masterstudienganges DDD.

Und das gleich auf mehreren Ebenen: „Neben der Theorie sehe ich den Beitrag auch in der inklusiven Hochschulbildung und in der Ausgestaltung einer inklusiven Gesellschaft durch neue Formen von digitaler wie persönlicher Assistenz und Community Care“, so Dungs.  

Selektion statt Inklusion

Inklusive Bildung fange natürlich viel früher als in Hochschulen an, nämlich im Kindergarten und in der Schule, ergänzt die FH-Professorin. Nur wenn dort Inklusion gelebt werde, sei es überhaupt möglich, an eine inklusive Hochschulbildung zu denken. „Die Weichen für die Teilhabe an hochschulischer Bildung werden aus meiner Sicht schon (zu) früh gestellt“, so Dungs, „das österreichische Schulsystem ist eher selektiv als inklusiv ausgerichtet. Jungen Menschen steht der Übergang von der Schule in die Hochschule oftmals gar nicht mehr offen.“

Aber Susanne Dungs sieht nicht nur sehr genau, wo die Schwächen des österreichischen Bildungssystems liegen. Sie weiß auch, dass sich das wohl leider nicht so schnell ändern lässt. Deshalb nennt sie auch gleich ein Beispiel, wie die Teilhabe am Hochschulsystem für Studierende mit Behinderungen verbessert werden kann: „Mit Peer-Beratung könnte es gelingen, dass Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen den Übergang auf eine Uni oder Hochschule schaffen“, ist sie überzeugt und sie ergänzt: „Uns als Hochschule ist sehr an der Teilhabe von bisher unterrepräsentierten Gruppen an der Hochschulbildung gelegen und wir arbeiten intensiv daran, Barrieren abzubauen.“

Auch Oliver Koenig betont, dass er nicht im Rahmen eines Gesprächs das ganze Thema „Inklusive Bildung in Österreich“ abhandeln kann, aber er weist auf viele Ansätze hin, zu denen der Lehrgang „Transformatives Inklusionsmanagement“ in St. Pölten seinen Beitrag leistet. Er halte es für entscheidend, so Koenig, „in den nächsten Jahren weitaus mehr gelebte Beispiele erfolgreich gelebter inklusiver und barrierefreier Bildungsangebote in die Welt zu bringen.“ Diesem Ziel habe sich der Lehrgang verschrieben.

Und auch er sieht mit dem Lehrgang einen Beitrag zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention verwirklicht: „Dazu benötigt es einen Musterwechsel. Weg von der reinen Optimierung bestehender Ansätze hin zu einem grundlegenderen Wandelprozess der Inklusion als Zukunftsprojekt versteht und diesen gemeinsam gestaltet.“

Information

Wer sich näher für die Studiengänge interessiert, bekommt hier Informationen:

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Ein Kommentar

  • Um Inklusion unterrichten zu können, müssten an der Universität konkrete Maßnahmen getroffen werden, welche die Inklusion im Studiengang ermöglichen, diese werden in dem Beitrag nicht angesprochen.

    Sehr schade ist, dass man wieder mit Peer-Beratung Probleme beim Hochschulzugang lösen möchte. Aus bildungswissenschaftlicher Sicht liegt es keineswegs an Beratung, sondern an fehlenden und schlecht aufgestellten Strukturen.