Internet als Berufschance für gehörlose Menschen

"Internet als Berufschance für gehörlose Menschen" ist der Titel eines dreijährigen EU-Projektes, dass sich mit den Bildungsnachteilen hörbehinderter Menschen auseinandersetzt.

Vokabeltrainer für Gebärdensprache
Universität Klagenfurt

Häufig bleibt vielen gehörlosen Menschen eine höhere Bildung verwehrt, da sie oft große Schwierigkeiten beim Lesen oder Verfassen von Texten haben. Die durchschnittliche Lesefähigkeit eines gehörlosen Menschen entspricht oft nur der eines Viert- oder Fünftklässlers, was dazu führt, dass ihm fast nur die „klassischen“ handwerklichen Gehörlosenberufe wie Tischler, Schuster, Schneiderin etc. offen stehen.

Diese Bildungsdefizite entstehen meist dadurch, dass gehörlosen Kindern von ihrer hörenden Umgebung nicht bzw. zu spät eine Gebärdensprache angeboten wird. Der Wunsch vieler Eltern nach „Normalität“ führt zu der irrigen Annahme, man könne gehörlosen Kindern Zugang zur Lautsprache über den optischen Kanal der Schrift verschaffen.

Was dabei übersehen wird: Keine hörende Person lernt seine Muttersprache über die Schrift, ebenso wenig kann dies eine gehörlose Person.

Diese bestehenden Bildungsdefizite zu beseitigen und Berufschancen von gehörlosen und schwer hörgeschädigten Menschen zu verbessern, war nun das Ziel des Projektes „Internet als Berufschance für gehörlose Menschen“ (Leonardo da Vinci Educational Programme), an welchem sich sieben Partner aus drei EU-Ländern (Tschechische Republik, Österreich, Belgien) beteiligten. Als österreichischer Partner fungierte das Forschungszentrum für Gebärdensprache und Hörgeschädigtenkommunikation (FZGS) der Universität Klagenfurt.

In praxisorientierten Wochenendkursen wurde konkretes Wissen aus den Bereichen „schriftliches Deutsch“, „Computerkenntnisse“ und „Berufsorientierung“ vermittelt.

Der Unterricht wurde ganz auf die Bedürfnisse der gehörlosen TeilnehmerInnen abgestimmt. So wurden die Kurse durchwegs in Österreichischer Gebärdensprache (ÖGS) abgehalten, bzw. standen für nicht gebärdensprachkompetente Kursleiter DolmetscherInnen zur Verfügung.

Ein erfreulicher Nebeneffekt war der Beginn einer Standardisierung der ÖGS-Gebärden für Computerterminologie bzw. Fachbegriffe für die deutsche Grammatik. Damit wurde ein erster Schritt in Richtung eines einheitlichen Gebärdeninventars gesetzt, das in weiteren Kursen für gehörlose und hörgeschädigte TeilnehmerInnen oder auch in der DolmetscherInnenweiterbildung verwendet werden kann.

Die Multimendianwendung stellt einen Schwerpunkt der Lehr- und Forschungstätigkeit des FZGS der Universität Klagenfurt dar. So entstand bereits ein „Vokabeltrainer“ für Gebärdensprache auf CD-ROM und im Herbst 2003 wird ein Österreichischer Gebärdensprach-Kurs auf CD-ROM erscheinen (Lektion 1-6). Der zweite Kurs (Lektion 7-12) befindet sich in Arbeit.

Die Ergebnisse des Projektes zeigen, dass auch gehörlose Erwachsene die durch eine mangelhafte Bildungspolitik verursachten Bildungsdefizite wettmachen können, wenn man ihnen die Möglichkeit gibt, Versäumtes nachzuholen bzw. neue Angebote in Anspruch zu nehmen. Dies bedeutet nicht nur eine Verbesserung der Berufs-, sondern ganz allgemein der Lebenschancen.

Dieses Projekt zeigt aber vor allem auch die Notwendigkeit der Verankerung der ÖGS als Kommunikationsmedium und Unterrichtsfach in der österreichischen Bildungspolitik. Jedes Kind muß das Recht auf eine seinen Fähigkeiten adäquate Ausbildung haben, und eine bilinguale Erziehung (Lautsprache und Gebärdensprache) stellt die angemessene Erziehungs- und Bildungsmethode für gehörlose Kinder dar.

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