Wolfgang Schüssel

Interview mit Bundesparteiobmann Dr. Wolfgang Schüssel (ÖVP)

Wie vor jeder Nationalratswahl hat BIZEPS-INFO auch dieses Mal wieder an die Vorsitzenden der Parteien schriftlich Fragen zur Behindertenpolitik gestellt. Hier die Antworten von Bundesparteiobmann Dr. Wolfgang Schüssel (ÖVP).

BIZEPS-INFO: Sind Sie bereit, für die Nationalratswahl einen direkt betroffenen behinderten Menschen an wählbarer Stelle aufzustellen? Wenn ja, wen?

Dr. Wolfgang Schüssel: Bereits in dieser Legislaturperiode hatte ich mit Franz-Joseph Huainigg als ÖVP-Sprecher für Menschen mit Behinderung einen betroffenen Experten im Team, mit dem wir in den letzten vier Jahren in der Behindertenpolitik zentrale Weichenstellungen vornehmen konnten. Es ist uns viel gelungen. Es liegen aber auch große Herausforderungen für die Zukunft vor uns.

Uns als ÖVP und mir als Parteiobmann ist es ein Anliegen, die erfolgreiche Zusammenarbeit mit den ExperInnen in eigener Sache fortzuführen. Es ist mir daher eine Freude, dass uns Franz-Joseph Huainigg auch in der kommenden Gesetzgebungsperiode unterstützen möchte.

Er und ein Team aus kompetenten Expertinnen und Experten werden auf der ÖVP-Bundesliste für den Nationalrat kandidieren. Im Team sind neben Franz-Joseph Huainigg auch Alexander Ceh, Gregor Demblin, Josef Baumgartner, Claudia Rauch und Maria Schweizer, bei denen ich mich herzlich für ihr Engagement bedanken möchte.

BIZEPS-INFO: Welche Schwerpunkte wird Ihre Partei in der nächsten Legislaturperiode im Behindertenbereich setzen?

Dr. Wolfgang Schüssel: In den letzten Jahren ist es gelungen, einen Paradigmenwechsel in der Behindertenpolitik zu vollziehen. Das Ziel ist die Schaffung von Rahmenbedingungen für eine selbstbestimmte Lebensführung in allen Lebensbereichen. Durch ein Bündel von Initiativen und gesetzlichen Maßnahmen haben wir es geschafft, wesentliche Schritte in diese Richtung zu setzen.

Das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz, die Streichung der Berufszugangsbeschränkungen, die Anerkennung der Österreichischen Gebärdensprache, die Integrative Berufsausbildung, die Persönliche Assistenz am Arbeitsplatz, die Streichung der Schulunfähigkeit, die Öffnung der Pädagogischen Hochschulen für Menschen mit Behinderung – das alles sind Maßnahmen, die behinderte Menschen auf dem Weg in ein möglichst unabhängiges und selbstbestimmtes Leben unterstützen bzw. es ihnen ermöglichen.

Diese sehr umfangreiche Bilanz ist ein gutes Fundament, auf dem wir den Weg der Selbstbestimmung und Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen konsequent weiterverfolgen können. Ein zentrales Thema der nächsten Legislaturperiode wird das Thema Pflege und Assistenz darstellen.

Hier hat bereits eine Arbeitsgruppe unter der Leitung von LH a. D. Waltraud Klasnic die Arbeit aufgenommen, in der auch die teilweise sehr unterschiedlichen Bedürfnisse von alten und behinderten Menschen thematisiert und diskutiert werden. Es bedarf individueller und bedarfsgerechter Angebote, die ein selbstbestimmtes Leben und ein Altern in Würde ermöglichen.

Auch im Bereich der Schulintegration braucht es eine Weiterentwicklung. Ziel muss eine Schule sein, in der jedes einzelne Kind seinen Fähigkeiten entsprechend gefördert und gefordert wird. Es braucht einerseits Maßnahmen zur Qualitätssicherung und andererseits innovative Konzepte zur Weiterentwicklung der Schulintegration über die 9. Schulstufe hinaus. Die Erfahrungen im Bereich der Integrativen Berufsausbildung sind sehr positiv und sollten als Basis für Teilqualifizierungsmodelle in den verschiedenen Berufsbereichen dienen.

BIZEPS-INFO: Welche notwendigen Verbesserungen sehen Sie beim seit 1. Jänner 2006 in Österreich geltenden Behindertengleichstellungspaket? Welche Punkte davon möchten Sie in der nächsten Legislaturperiode verbessern?

Dr. Wolfgang Schüssel: Die Gleichstellung von Menschen mit Behinderung ist eine sehr komplexe und vielschichtige Materie. Aus diesem Grund sieht das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz (BGStG) eine Evaluierung und die regelmäßige Berichterstattung des Behindertenanwaltes vor.

Wir müssen genau beobachten, wie sich das BGStG auf die Lebensrealität behinderter Menschen auswirkt und bei Bedarf die entsprechenden Adaptierungen vornehmen. Das BGStG ist eine bedeutende Weichenstellung zur Gleichstellung und Selbstbestimmung behinderter Menschen, die – wie jede Materie – aufbauend auf den gemachten Erfahrungen einer stetigen Weiterentwicklung und Verbesserung zu unterziehen sein wird.

Insbesondere im Bereich der Materiengesetze müssen wir weiterhin an der Beseitigung von diskriminierenden Bestimmungen arbeiten. Ebenso müssen wir gemeinsam mit den Bundesländern einheitliche Standards im Bereich Barrierefreies Bauen umsetzen.

BIZEPS-INFO: Werden Sie sich für die Schaffung von Rahmenbedingungen für die Einführung einer bedarfsgerechten Persönlichen Assistenz einsetzen?

Dr. Wolfgang Schüssel: Auf Initiative der Bundesregierung gibt es seit dem Jahr 2004 österreichweit die Persönliche Assistenz am Arbeitsplatz. Eine Maßnahme, die vielen behinderten Menschen ermöglichte, am ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Der Bund hat damit ihm Rahmen seiner verfassungsrechtlichen Zuständigkeit die Persönliche Assistenz umgesetzt.

Persönliche Assistenz in der Freizeit liegt im Kompetenzbereich der Bundesländer. Ziel muss es jedoch sein, hier gemeinsame Rahmenbedingungen zu schaffen, um behinderten Menschen – egal ob sie in Vorarlberg oder im Burgenland leben – ein selbstbestimmtes Leben in allen Lebensbereichen ermöglichen.

BIZEPS-INFO: Wir danken für das Interview.

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