Ende Oktober 2003 schlossen ÖVP und GRÜNE in Oberösterreich ein Arbeitsübereinkommen ab. BIZEPS-INFO hat den Behindertensprecher und Klubobmann der OÖ-Grünen, Gunther Trübswasser, dazu befragt.
BIZEPS-INFO: Was können behinderte Menschen in OÖ in den nächsten 6 Jahren vom Arbeitsübereinkommen ÖVP/Grüne erwarten?
Klubobmann der Grünen, Gunther Trübswasser: Im Arbeitsübereinkommen spielen Themen aus den Bereichen der Behindertenpolitik eine ganz wichtige Rolle, wobei selbstbestimmt Leben, die Barrierefreiheit und Chancengleichheit am Arbeitsplatz die drei wichtigsten Schwerpunkte sind.
Generell darf ich behaupten, dass meine Politik der letzten sechs Jahre, besonders was diese drei Schwerpunkte betrifft, in den kommenden sechs Jahren verstärkt fortgesetzt und konkrete Programme soweit wie möglich verwirklicht werden sollen.
BIZEPS-INFO: Was wird aus dem Chancengleichheitsgesetz für OÖ?
Trübswasser: Dazu muss zuerst gesagt werden, beim Chancengleichheitsgesetz handelt es sich um die Fortführung des bisherigen Oö. Behindertengesetzes, also den Bereich der Behindertenhilfe. Das so genannte „Chancengleichheitsgesetz“ liegt derzeit in einem Expertenentwurf vor und muss erst vom Sozialreferenten formell eingebracht werden, damit es auch zwischen den politischen Parteien diskutiert werden kann. Die Grünen wollen, dass dieser Prozess ehestmöglich eingeleitet wird.
Nachdem dieses Gesetz bei der Verwirklichung weitreichende finanzielle Folgen hat, werden sich die Grünen darum bemühen, rechtzeitig eine mehrjährige Budgetplanung zu erwirken, damit dieser Paradigmenwechsel auch tatsächlich finanziert werden kann.
BIZEPS-INFO: Es wurde die Barrierefreiheit wiederholt als Ziel festgehalten. Wie wird garantiert, dass dieses Ziel z.B. bei Beschaffung und Förderung auch erreicht wird?
Trübswasser: Bei der Umsetzung der Barrierefreiheit in allen Lebensbereichen muss es zunächst um die Zuständigkeit im Landesbereich gehen. So etwa sind wesentliche Investitionen im öffentlichen Verkehr vor allem Bundessache. Jedoch über die Dienstleistungsverträge mit den Bahn- und Busunternehmen und über Förderungen kann das Land steuernd eingreifen. Das streben wir an und so wurde es vereinbart.
Das wichtigste Instrument für die Barrierefreiheit in der Landeszuständigkeit ist die Bauordnung. Hier wird es 2 wesentliche Änderungen geben:
1.: Eine Verschärfung des Baurechts, was die Einhaltung der Baunormen betrifft (die Ö-Norm B1600 ist bereits im Oö. Baurecht verankert, weitere Normen sollen noch folgen)
2.: Es wird weiters die Einrichtung von Fach- und Beratungsstellen geben, die sowohl Bauträger als auch Baubehörden fachlich über Barrierefreiheit beraten sollen.
BIZEPS-INFO: Was plant Ihr konkret im Bereich „Gleichstellung“?
Trübswasser: Auch hier muss wiederum unterschieden werden, was Landes- und was Bundeskompetenz ist. Natürlich kommen wir um ein Bundesgleichstellungsgesetz nicht herum. Was die Landeskompetenzen betrifft, so ist auch hier ein ressortübergreifendes Gleichstellungsgesetz seitens der Grünen geplant. Dazu sind allerdings erst umfangreiche Vorarbeiten und die Durchforstung des Landesrechts nach diskriminierenden Bestimmungen erforderlich.
BIZEPS-INFO: Wie geht es mit der persönlichen Assistenz in OÖ weiter?
Trübswasser: Derzeit gibt es in OÖ ein aus Sicht der Betroffenen sehr erfolgreiches Modell der persönlichen Assistenz. Das Projekt heißt „Condor“. Leider musste aber bereits nach wenigen Monaten festgestellt werden, dass der vorgesehene Finanzrahmen den Bedürfnissen und dem Ansturm durch interessierte Betroffene nicht gewachsen war. Hier haben wir bei den Budgetverhandlungen erreicht, dass jedenfalls für eine ausreichende Dotierung des Projektes „Persönliche Assistenz“ für 2004 gesorgt ist.
BIZEPS-INFO: Was muss erreicht sein, dass Du in 6 Jahren sagen kannst: „Das Arbeitsübereinkommen hat sich gelohnt“? Wann würdest Du sagen:“Es ist gescheitert“?
Trübswasser: Ich habe vor 2 Jahren bereits umfangreiche „Leitlinien und Standards für eine neue Behindertenpolitik“ vorgelegt. Dieses Papier, das in einer einjährigen Arbeit von mehr als 40 Expertinnen und Experten verfasst wurde, ist Grundlage für meine Politik in den kommenden Jahren. Wenn es bisher nur möglich war, Forderungen aus Sicht der Opposition zu stellen, so haben wir erstmals die Möglichkeit, auf Landesebene auch von Regierungsseite her ganz konkrete Projekte und Anliegen umzusetzen.
Natürlich wird es nicht möglich sein, in nur sechs Jahren sämtliche Forderungen, wie sie in den Leitlinien und Standards niedergeschrieben wurden, umzusetzen, aber als erfolgreich würde ich die Periode dann ansehen, wenn es gelingt, den drei Zielen: Selbstbestimmung, Barrierefreiheit und Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt für die Betroffenen erkennbar näher zu kommen. Eine Angabe in Prozenten oder in einem Zahlenausmaß ist naturgemäß in diesen Bereichen nicht möglich, aber diesen Zielen müsste spürbar näher gekommen werden, obwohl in vielen gesellschaftlichen Bereichen es durchaus Tendenzen in die andere Richtung gibt und die Budget- und Wirtschaftssituation sicher diese Bestrebungen nicht unterstützt.
Als gescheitert würde ich die Zusammenarbeit zwischen ÖVP und den Grünen in OÖ im Bereich der Behindertenpolitik dann ansehen, wenn die sogenannte „grüne Handschrift“, die sich in diesen drei Zielen manifestiert, nicht sichtbar werden sollte. Natürlich ist bei all dem zu bemerken, dass die Ressortzuständigkeit weiterhin bei Landesrat Ackerl von der SPÖ liegt, den Grünen aber als Regierungspartei eine höhere Umsetzungskompetenz als bisher in der Opposition zukommen wird.
Abschließend darf ich zu diesem Arbeitsübereinkommen mit der ÖVP noch sagen, dass es erstmals auf Landesebene den Grünen möglich sein wird, direkt in den Vollzug des Budgets und der Landesgesetze einzugreifen und wesentliche politische Vorhaben mitzubestimmen. Mit dem Arbeitsübereinkommen ist sicher nur ein Anfang gemacht worden. Ihn mit Leben zu erfüllen und in Taten umzusetzen, wird die Arbeit in den kommenden Monaten und Jahren sein.
BIZEPS-INFO: Wir danken für das Interview.