Der bekannte Liedermacher aus Baden, Sigi Maron, kandidiert für die KPÖ am zweiten Listenplatz für die niederösterreichischen Landtagswahlen am 22. März 1998.
Diese Kandidatur hat großen Symbolwert: Maron ist bekannt für sein sozialkritisches Engagement zugunsten jener Bevölkerungsgruppen, die an den Rand gedrängt werden. Seine Lieder, teilweise schon 20 Jahre alt, sind nach wie vor und mehr denn je aktuell. Mit Sigi Maron kandidiert der dritte Rollstuhlfahrer für einen Landtag – zwei andere haben es schon geschafft: Annemarie Wicher für die ÖVP in der Steiermark und Gunther Trübswasser für die Grünen in Oberösterreich. Es besteht kein Zweifel: Diese Kandidatur ist ein Schritt weg von der bisher üblichen StellvertreterInnenpolitik. Wir sind auf dem Vormarsch!
Was hat Dich bewogen, für den NÖ Landtag zu kandidieren?
SIGI MARON: Man hat mich einfach gefragt, ob ich mir das vorstellen könnte, ich habe einen Tag lang nachgedacht (das ist die Saga), die Wahrheit ist, ich habe mich über das Angebot gefreut und unter gewissen Bedingungen zugesagt.
Warum findest Du es wichtig, daß behinderte Menschen in die Politik gehen?
SIGI MARON: Behinderte sollen in allen Bereichen des öffentlichen Lebens präsent sein (egal ob Theater, Literatur, Kabarett, Rock, Schlager, Volksmusik, TV, Film etc.), ganz besonders aber in der Politik, weil ja die Gesetze und Verordnungen von Politikern gemacht werden (auch wenn meist eine Lobby dahinter steht – die bei den Behinderten leider fehlt). Und ehrlich, welcher nicht behinderte Politiker kann sich wirklich in die Lage einer oder eines Behinderten versetzen. Eine eigene Behindertenpartei allerdings halte ich für vollkommene Idiotie.
Wie lauten Deine Schwerpunkte?
SIGI MARON: Meine Schwerpunkte sind derzeit:
1. Verhinderung der Bio-Medizin-Konvention
Der Unterschied zur Euthanasie der Nazis ist, daß es damals gar keine eigens darauf bezogenen Gesetze gab. Somit ist die Bio-Medizin-Konvention ein „qualitativer Fortschritt“, der in erster Linie mit der lebensverachtenden Einstellung einer Gesellschaft zu tun hat, wo erwerbsunfähige physisch oder psychisch Kranke, sobald sie der Gesellschaft Kosten verursachen, schlicht und einfach entsorgt werden. Die einzelnen Bundesländer müssen die Regierung auffordern, diese Konvention nicht zu ratifizieren.
2. Das Pflegegeld, das von Vertretern gewisser politischer Parteien (darunter auch die sogenannte sozial demokratische) als arbeitsloses Einkommen angesehen wird, muß nicht nur bleiben, sondern muß genauso dem Lebenshaltungsindex angepaßt werden wie die Pensionen. Es kann nicht sein, daß auf Kosten der Ärmsten Sparpakete geschnürt werden und nebenbei hunderte Millionen an Presseförderung an quasi Monopolzeitungen (z. B. Krone) ausgeschüttet werden. Alle Ansätze, die bis jetzt erkämpften Errungenschaften zurückzunehmen oder gar abzuschaffen, sind im Keim zu ersticken.
3. Bauliche Barrieren: Die Sozialversicherungsträger haben dafür zu sorgen, daß nur mehr jene Ärzte und Ärztinnen, die auch über einen barrierefreien Zugang zu ihren Ordinationen verfügen, Kassenverträge erhalten. Alle öffentlichen Gebäude müssen barrierefrei bzw. mit Einrichtungen für Sehbehinderte versehen werden. Für private Gebäude, die auch nur einen einzigen Schilling öffentliche Förderung erhalten, gilt das gleiche. Dort wo öffentliche Toiletten (meist viele Stufen unter der Erde) nicht behindertengerecht adaptiert werden können, müssen in jedem Ort behindertengerechte Toiletten geschaffen werden.
4. Verkehr: Alle öffentlichen Verkehrsmittel müssen barrierefrei adaptiert werden (Einstiegshilfen, Blindenleitsystem, Adaptierung der Bahnhöfe, Kauf von behindertengerechten Großraumwaggons).
Wie schätzt Du die Situation in Niederösterreich ein?
SIGI MARON: Zum Unterschied von Wien gibt es hier weder bei den baulichen Barrieren (große Ausnahme das neue Regierungsviertel in St. Pölten), noch bei den öffentlichen Verkehrsmitteln auch nur Ansätze. Dazu kommt, daß Niederösterreich als einziges Bundesland ein Schandgesetz (Schulgesetz) hat, in dem durch das Schulforum über die Aufnahme eines behinderten Kindes abgestimmt wird.
Was die Behindertenarbeit in Niederösterreich (abgesehen von einzelnen privaten Vereinen, die alle in erster Linie auf Spendengelder angewiesen sind) betrifft, läßt sich das Land durchaus mit dem Wiener Zentralfriedhof vergleichen, nur daß der Zentralfriedhof kleiner ist.
Wir danken Dir für das Interview.