Im Regierungsübereinkommen von ÖVP und FPÖ wurde am 28. Februar 2003 vereinbart: "Erarbeitung eines Bundesbehindertengleichstellungsgesetzes unter Einbeziehung der Betroffenen sowie Vorlage eines Bündelgesetzes auf Grundlage der Ergebnisse aus 1999".
Die Regierung hat sich im Februar darauf geeinigt, in Österreich ein Behindertengleichstellungsgesetz zu erarbeiten und diskriminierende Bestimmungen in bestehenden Gesetzen zu beseitigen.
Bekanntlich gab es in den Jahren 1998 und 1999 im Bundeskanzleramt / Verfassungsdienst eine Arbeitsgruppe, die in einem 120 Seiten starken Bericht diskriminierende Gesetzesstellen aufgelistet hat.
Anfang April 2003 hat das Forum Gleichstellung – der Zusammenschluß von einschlägigen Expertinnen und Experten – Kernforderungen für ein Behindertengleichstellungsgesetz vorgelegt. In diesem Forum ist u.a. auch BIZEPS sehr stark engagiert.
Arbeitsgruppe der Bundesregierung eingerichtet
Die Arbeitsgruppe der Bundesregierung zur Erarbeitung eines Behindertengleichstellungsgesetzes, in der auch Expertinnen und Experten der Behindertenbewegung stark vertreten sind, traf am 20. Mai 2003 zu ihrer ersten Sitzung zusammen. Das Forum Gleichstellung übergab die ersten Teile eines Gesetzesentwurfes am 5. Juni 2003 an diese Arbeitsgruppe.
Am 10. Juni 2003 fand die zweite – und bisher letzte – Sitzung der Arbeitsgruppe der Bundesregierung statt. Es wurde beschlossen, dass zusätzlich eine Arbeitsgruppe „Grundsätze eines Behindertengleichstellungsgesetzes“ und eine Arbeitsgruppe „Verfahren, Behörden, Sanktionen“ eingesetzt werden. Seither herrscht Funkstille und seitens der Regierung wurden seit mehr als drei Monaten keine weiteren Schritte gesetzt. Bis zu Redaktionsschluß dieser Ausgabe wurde nicht einmal mehr eine weitere Sitzung einberufen.
Diese Vorgangsweise ist höchst suspekt, wenn man bedenkt, dass in einem einstimmig beschlossenen Vier-Parteien-Entschließungsantrag des Nationalrates und auch von Vizekanzler Mag. Herbert Haupt (FPÖ) persönlich angekündigt wurde, dass noch heuer ein beschlussreifer Gesetzestext vorgelegt werden soll.
Nach eine weitere Entwicklung lässt starke Zweifel am guten Willen der Regierung aufkommen.
Im Sommer legte der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit, Dr. Martin Bartenstein (ÖVP), einen neuen Begutachtungsentwurf zur Umsetzung der Antidiskriminierungsrichtlinien der EU sowie der Rahmenrichtlinie für Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf vor, in dem behinderte Menschen nicht mehr berücksichtigt wurden.
Dies bedeutet, dass behinderte Menschen entgegen der Intention der EU in Österreich nicht vor Diskriminierungen geschützt werden. Begründet wird diese Vorgangsweise damit, dass in Österreich sowieso noch ein Behindertengleichstellungsgesetz beschlossen werden soll.
BIZEPS hat sich in seiner Stellungnahme naturgemäß vehement gegen diese Vertröstungstaktik ausgesprochen. Wir sind der Meinung, dass die Umsetzung dieser EU-Richtlinien auch für behinderte Menschen ohnehin nur einen ersten Schritt darstellen kann und jetzt umzusetzen ist – und nicht irgendwann in ferner Zukunft.
Wo stehen wir?
Einerseits erarbeitet das Forum Gleichstellung kontinuierlich die Grundlagen für ein Behindertengleichstellungsgesetz, während es seitens der Bundesministerien keinerlei Rückmeldungen und keinerlei Mitarbeit gibt. Andererseits haben schon einige Bundesländer ihre Ablehnung der ersten Entwürfe des Forum Gleichstellung signalisiert.
Es wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in Österreich ein Behindertengleichstellungsgesetz geben, die Frage ist nur, welches.
Aus jetztiger Sicht ist zu befürchten, dass bis Jahresende weiterhin keine oder kaum Fortschritte erzielt werden. Wir könnten dann plötzlich in eine Situation gedrängt werden, in der die Regierung in einer Hauruck-Aktion „irgendein“ Behindertengleichstellungsgesetz beschließen will, ohne mit den Bundesländern und den Ministerien jemals Detailverhandlungen geführt zu haben.
Es wäre dann zu befürchten, dass so ein Gesetz nur jene Punkte, die unumstritten sind – also nur sehr wenige -, enthält, oder bloß aus Absichtserklärungen und nicht aus einforderbaren Rechten besteht.
Wenn der Regierung ein gutes Behindertengleichstellungsgesetz wirklich ein Anliegen ist, muss sie jetzt endlich aktiv werden und damit beginnen, in der Arbeitsgruppe zusammen mit den Bundesländern und den Ministerien Entwürfe zu erarbeiten oder eingestehen, dass Behindertengleichstellung für sie nur ein unbedeutendes Randthema darstellt.