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Jahresbericht zu Rassismus und Fremdenfeindlichkeit: Anregungen für Österreich

Der Jahresbericht der Europäischen Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit (EUMC) ist ein Versuch, die unterschiedlichen europäischen Ansätze darzustellen. Im Folgenden einige Anregungen, was Österreich daraus lernen kann.

Der europaweite Bericht liegt auf englisch, französisch und in einer deutschen Zusammenfassung vor. Er besteht aus einer vergleichenden Darstellung aller 25 Mitgliedstaaten und ist ein wichtiges Zeichen, dass sich die EU der Bedrohung durch Rassismus und der Notwendigkeit seiner Bekämpfung bewusst ist.

Einleitend muss auf die Grenzen eines solchen Versuchs hingewiesen werden. Vor allem ist die schlechte Datenlage zu nennen. Vollständige Daten zu rassistische Diskriminierung und Gewalt liegen in den einzelnen Staaten nur ungenügend und in sehr unterschiedlicher Qualität vor – Österreich liegt dabei im Mittelfeld. Das EUMC schlägt mehrere Ansätze zur Verbesserung dieser unbefriedigenden Situation vor: Diskriminierungstests und Befragungen von Personen, die einem erhöhten Diskriminierungsrisiko ausgesetzt sind. Da der Bericht einen europaweiten Überblick geben soll, sind wenige direkte Aussagen zu einzelnen Mitgliedstaaten zu finden.

Weiters ist lediglich festzustellen, dass der Bericht höchst vorsichtig formuliert ist. Das zeigt sich exemplarisch an den Bemerkungen zum unterschiedlichen Umgang mit religiösen Symbolen. In der deutschen Zusammenfassung des Berichts (Seite 35) werden zwei unterschiedliche Urteile wertungsfrei referiert. In Dänemark hatte der Oberste Gerichtshof entschieden, dass ein Supermarkt im Recht war, als er eine Angestellt aufgrund ihres religiösen Kopftuchs entlassen hatte. Ein niederländisches Gericht hatte dagegen entschieden, dass keine rechtliche Grundlage existiere, auf der eine islamische Schule eine Bewerberin ablehnen könne, nur weil sie bei der Arbeit kein Kopftuch tragen wollte. In dieser Frage keine Stellung zu beziehen ist eine Kapitulation gegenüber einer der häufigsten Diskriminierungen im heutigen Europa. Zusammenfassend lässt sich daher sagen, dass die Empfehlungen des EUMC keine revolutionären Experimente darstellen, sondern gesicherte Erfahrungen widerspiegeln und heikle umstrittene Punkte oft ausblenden.

Schwerpunkte des Berichts

Die Umsetzung der Antidiskriminierungs-Richtlinien stellt neben Beschäftigung, Wohnbereich, Bildung sowie Gewalt- und Straftaten die zentralen Bereiche des Berichts dar. Durchgehend werden die mangelhafte Datenlage und die gegenseitige Verstärkung von Diskriminierung und Ausgrenzung in einzelnen Bereichen betont. Als besonders gefährdete Gruppe werden Roma genannt. Sie gehören zu den am meist diskriminierten Gruppen.

Im Bereich der Beschäftigung hebt der Bericht dankenswerter Weise unter dem etwas verharmlosenden Titel „Rechtsstatus und Vulnerabilität“ die Verstärkung von Diskriminierung durch das immer strenger werdende Migrations- und Asylregime hervor. Gerade für die Arbeitswelt werden Diskriminierungstests als sinnvolles Meesinstrument für Diskriminierung genannt. Anhand gleichwertiger Bewerbungen wird dabei überprüft, ob das Auswahlverfahren eines Unternehmens ethnische Herkunft oder Hautfarbe berücksichtigt. Schweden und Frankreich, die diese Methode früher abgelehnt haben, arbeiten nun mit der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zusammen, um das Ausmaß und die Wirkungsweise diskriminierender Rekrutierung zu dokumentieren. In Österreich wurden Diskriminierungstests bisher regelmäßig abgelehnt. Da sie aber bereits in mehreren EU-Staaten durchgeführt wurden, werden sich aber hoffentlich auch hier ForscherInnen finden, die sich dieser Methode bedienen.

Im Wohnbereich spricht der Bericht vor allem die Ghettobildung als Problem an, da diese zu einer Vielzahl von Folgeproblemen im Bildungs- und Kriminalitätssektor führt. Er fordert Sensibilisierung der Öffentlichen Stellen für das zentrale Thema Wohnen und betont die Bedeutung von guten Praktiken. Diese bringen aber nur im Zusammenhang mit einer breiten Strategie zur Inklusion von MigrantInnen und ethnischen Minderheiten die erhofften anhaltenden Erfolge. Vereinzelte Maßnahmen verpuffen dagegen regelmäßig und sind nicht zu strukturellen Änderungen geeignet.

Bildung stellt ebenso eine Materie dar, die langfristig Weichen zum sozialen Aufstieg stellen kann. Der Bericht referiert dabei die Ergebnisse mehrerer Studien, z.B. der in Österreich sehr kontroversiell diskutierten PISA-Studie, dass stark differenzierende Schulsysteme – wie das österreichische – Ungleichheiten produzieren und reproduzieren.

Bei rassistisch motivierten Gewalt- und Straftaten weist Österreich neben Tschechien und Schweden einen Rückgang auf. Aufgrund unterschiedlicher Berechnungsmethoden können die einzelnen Staaten allerdings nicht sinnvoll verglichen werden. Grundsätzlich gilt: Je besser die Dokumentation, desto höher ist verbreiteter ist der Rassismus scheinbar.

Empfehlungen

Das EUMC fordert die Regierungen auf, ressortübergreifende Arbeitsgruppen zur Bekämpfung von Rassismus ins Leben zu rufen. Diesen sollten statistische Ämter, Gleichbehandlungsstellen und ähnliche Einrichtungen umfassen. Es wäre wünschenswert gewesen, wenn das EUMC dabei ausdrücklich auf den Dialog mit der Zivilgesellschaft hingewiesen hätte. Die Koordination dieser Arbeitsgruppen sollte einer ausdrücklich benannten Stelle übertragen werden. Die Europäische Kommission arbeitet derzeit an einem Handbuch zur Messung des Ausmaßes von Diskriminierung, das zur Erarbeitung gemeinsamer Meldeverfahren und Leitlinien zur Datenerfassung in den Mitgliedstaaten verwendet werden kann. So soll zumindest mittelfristig eine bessere Vergleichbarkeit von Daten ermöglicht werden.

Das EUMC fordert die Mitgliedstaaten auch auf, an den Diskriminierungstests der ILO teilzunehmen.

Positive Maßnahmen sollten zu einem integralen Bestandteil der staatlichen Maßnahmen zur Bekämpfung von Benachteiligungen gemacht werden. Diese werden am besten von Informationskampagnen begleitet, um die Akzeptanz solcher Konzepts zu erhöhen und ein Verständnis für die praktische Umsetzung und die Vorteile, die sich daraus ergeben, zu kommunizieren.

Schließlich befürwortet das EUMC nationale Aktionspläne zur Bekämpfung von Rassismus, deren Fortschrittsberichte regelmäßig veröffentlicht werden. Das Europäische Jahr der Chancengleichheit wäre eine gute Gelegenheit, einen solchen Aktionsplan zu konzipieren und umzusetzen.

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