Jarmer: „Bewegen Sie sich ein wenig“

"Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrter Herr Minister, Hohes Haus, werte Kollegen, werte Abgeordnete und liebe Behindertengemeinschaft", eröffnet Helene Jarmer ihre Antrittsrede im Parlament.

Helene Jarmer bei einer Rede im Parlament
Wobrazek, Walter

Für Jarmer folgte wenige Stunden nach der Angelobung auch schon ihre Antrittsrede (siehe Volltext im Rahmen der Debatte über den „Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Bericht der Bundesregierung über die Lage von Menschen mit Behinderungen 2008 (III-23/241 d.B.)“.

„Behinderung hat verschiedenste Gesichter“

„Behinderung hat verschiedenste Gesichter – ein Gesicht davon ist die Gehörlosigkeit“, hielt die Behindertensprecherin der Grünen fest und versuchte am Anfang ihrer Rede, durch Erklärungen, Gebärdennamen (beispielsweise Schüssel – als Mascherl symbolisiert, weil er Mascherln trug) und grundsätzliche Informationen zur Österreichischen Gebärdensprache die Aufmerksamkeit auch sich zu ziehen, was sehr gut gelang.

„Mir liegen alle Anliegen aller behinderten Menschen am Herzen – egal, ob es sich um gehörlose oder blinde Menschen, um RollstuhlfahrerInnen, um ältere Menschen, … handelt“, hielt sie etwas später fest.

„Bewegen Sie sich ein wenig“

Sie lud die Abgeordneten ein, aktiv zu werden und mit ihr einzelne Gebärden – wie beispielsweise Parlament oder Abgeordnete – zu machen. Da die Abgeordneten nicht sofort mitmachten, forderte sie – mit Erfolg – die Mitarbeit mit den Worten „Bewegen Sie sich ein wenig“ ein.

Im Laufe der Beispiele wandte sie sich direkt an den Sozialminister, „weil die Gebärde Behindertengleichstellungsgesetz für ihn besonders wichtig sei“. Langsam und ganz deutlich zeigte sie ihm diese Gebärde.

Sie war sichtlich froh, dass ihre Rede gedolmetscht wurde und damit die Abgeordneten ihre Rede „barrierefrei mitverfolgen können“. Ob bewusst oder unbewusst, setzte sie damit eine Kontrapunkt zur ORF-Moderation, die davon sprach, dass für sie gedolmetscht würde.

„Danke“ sagte Jarmer anschließend zu Nationalratspräsidentin Prammer, dem Präsidium und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Parlament, die sie in den letzten Wochen unterstützt hatten.

„Schreien nützt nichts, ich höre nichts.“

Auf die Kommunikation mit ihr ging sie extra ein, da hier oftmals Unsicherheiten vorherrschen. Scherzhaft meinte sie: „Und gleich vorab: Schreien nützt nichts, ich höre nichts“, wie auch der Standard berichtet.

Man könne auf vielerlei Arten mit ihr in Kontakt treten – auch Telefon sei kein Problem, da sie ja Dolmetscherinnen und Dolmetscher habe.

Konkrete Inhalte

„Wir müssen behinderten Menschen eine gleichberechtigte Teilhabe am öffentlichen Leben ermöglichen“, formulierte sie eines ihrer Ziele und hofft auf Unterstützung der Abgeordneten. Konkret schlug sie den Behindertensprecherinnen und Behindertensprechern der anderen Parteien vor, sich mit ihr „an einen Tisch zu setzen“ und „das Gesetz zu verändern“.

Im Bildungsbereich kritisierte sie mit Nachdruck, dass „LehrerInnen gehörlose Kinder unterrichten dürfen, ohne selbst eine Gebärde können zu müssen“. Dies sei so unvorstellbar – aber leider Realität – dass sie diesen Punkt nochmals verdeutlichte und mit dem Umstand verglich, als wenn eine Lehrerin Französisch unterrichten würde und selbst kein Französisch könnte.

Sie erhielt nach ihrer Rede viel Applaus.

„Du hast mich so erzogen“

Im BIZEPS-INFO Gespräch erzählte Helene Jarmer, dass ihre Mutter (sie heißt ebenfalls Helene) im Parlament anwesend war und nach ihrer Rede zu ihr meinte „Mutig bist du“. Sie erwiderte: „Ja Mama, aber so hast du mich erzogen.“

Rückblick – Antrittsreden von Abgeordneten

Auch andere Behindertensprecherinnen und Behindertensprecher hatten in der Vergangenheit gleich von Anfang an versucht, die Aufmerksamkeit auf Inhalte zu richten.

Eine bemerkenswerte Antrittsrede hielt im Jahr 1986 Manfred Srb, der erste behinderte Abgeordnete für die Grünen. Seine Worte „allzu Hohes Haus“ wurden legendär und schmückten sogar eine Titelseite einer Broschüre über die ersten 10 Jahre Grüne im Parlament.

Auch Dr. Franz-Joseph Huainigg hat bei seiner ersten Rede für Aufsehen gesorgt: „Ich habe einen kleinen Gebärdensprachkurs für meine KollegInnen durchgeführt, um Interesse für diese Sprache zu wecken und Bewusstsein über deren Bedeutung für gehörlose Menschen zu schaffen“, erinnert er sich in einem Interview.

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