Wie im Juli 2005 vom Parlament beschlossen, trat am 1. September 2005 die Anerkennung der Österreichischen Gebärdensprache (ÖGS) in Kraft. Ein Kommentar.
Lange wurde um die Anerkennung der ÖGS gekämpft. Am 1. September 2005 war es dann endlich so weit. Die Freude war natürlich groß.
Bundesverfassung erweitert
Mit der Novelle BGBl. I Nr. 81/2005 wurde im Artikel 8 Abs. 3 der Bundesverfassung folgender Text angefügt:
„Die Österreichische Gebärdensprache ist als eigenständige Sprache anerkannt. Das Nähere bestimmen die Gesetze.“
Kampf um Anerkennung
Die Gebärdensprachgemeinschaft hat mit einer Vielzahl von engagierten aber lange erfolglosen Bemühungen um die Anerkennung der Österreichischen Gebärdensprache gekämpft.
Letztlich gelang es erst, als die Frage „behindert oder Sprachminderheit“ ausgeblendet wurde und gemeinsam für ein Behindertengleichstellungsgesetz gekämpft wurde, hält die Linguistin und ehemaliges Vorstandsmitglied des ÖGLB, Dr. Verena Krausneker, in ihrem Buch „Taubstumm bis gebärdensprachig“ fest.
Auch wenn verständlicherweise von Krausneker hinterfragt wird, ob es sinnvoll ist, „Sprachenrechte im Behinderten-Kontext“ zu fordern, spricht die Erfahrung dafür. So ist sowohl in den USA und Deutschland als auch 2005 in Österreich die Anerkennung der Sprache für gehörlose Personen im Rahmen von Behindertengleichstellungsgesetzen durchgesetzt worden.
„Unabhängig vom ungelösten Dilemma der richtigen Zuordnung jeder Gruppe ist jegliche rechtliche Absicherung einer Minderheit – in welchem Kontext und unter welchen Betitelungen auch immer – von unbestreitbaren Wert“, hält Krausneker fest.
Der verflixte zweite Satz der Verfassungsänderung
Die erreichte Verfassungsänderung enthält aber auch jenen zweiten Satz: „Das Nähere bestimmen die Gesetze.“
In den Erläuterungen zur Verfassungsänderung wurde ausgeführt: „Satz 2 macht deutlich, dass diese Bestimmung nicht unmittelbar anwendbar ist, sondern der näheren Konkretisierung und Ausgestaltung durch den einfachen Gesetzgeber bedarf.“
Mag. Helene Jarmer, Präsidentin des Österreichischen Gehörlosenbundes (ÖGLB), nannte das schon damals eine „symbolische Anerkennung auf österreichisch“ und forderte: Es müssen nun viele Gesetze geändert werden, damit die ÖGS jenen Stellenwert bekommt, den gehörlose Menschen vehement einfordern.
Auch BIZEPS hielt schon im Juli 2005 fest: „Um die nun beschlossene Anerkennung der Österreichischen Gebärdensprache wirksam werden zu lassen, müssen noch bestehende Gesetze (z. B. im Bildungsbereich) geändert werden. Es liegt derzeit kein Entwurf vor, wie das Recht auf ÖGS in allen Bereichen wirksam werden kann.„
In vielen Bereichen durch Untätigkeit nichts erreicht
Die Anerkennung der Österreichischen Gebärdensprache bewirkte in einigen Bereichen spürbare Verbesserungen. (Siehe auch BIZEPS-Interview mit ÖGLB-Generalsekretär Ing. Lukas Huber anlässlich des Jubiläums.)
Doch überall dort, wo es Gesetzesänderungen bedurft hätte, passierte kaum etwas – beispielsweise im Bildungsbereich.
Studien eindeutig
Es wäre nicht so, dass nicht klar am Tisch lag, wo Änderungen dringend notwendig sind. Studien wie
- „Sprache Macht Wissen“ (Verena Krausneker und Katharina Schalber) oder
- „Abschätzung der Bedarfslage an ÖGS-DolmetscherInnen in Primär-, Sekundär- und Tertiärbildung sowie in Bereichen des täglichen Lebens“ (Jakob Hartl und Martin Unger)
zeigten Veränderungsbedarf deutlich auf.
Doch diese hatten keinerlei Konsequenzen.
SPÖ und ÖVP verhindern Fortschritte
SPÖ und ÖVP haben beinahe 10 Jahre alles blockiert oder sogar aktiv verhindert. Im Juni 2005 wurde im Verfassungsausschuss folgender Entschließungstext einstimmig angenommen:
„Die Bundesregierung wird ersucht, zu prüfen, ob der Bedeutung der Gebärdensprache für gehörlose Menschen durch gesetzliche Regelungen, insbesondere in den Bereichen Verwaltung, Bildung und Medien, hinreichend Rechnung getragen ist und nötigenfalls dem Nationalrat eine entsprechende Regierungsvorlage vorzuschlagen. Weiters wird die Bundesregierung ersucht, auch in Hinkunft bei hiefür in Betracht kommenden Regierungsvorlagen auf die Bedeutung der Gebärdensprache für gehörlose Menschen Bedacht zu nehmen.“
Diese auch von der Behindertenbewegung geforderte Sammelgesetznovelle (auch Bündelgesetz genannt) wurde nie vorgelegt. Schlimmer noch.
Selbst Jahre später – konkret im Jahr 2014 (!) – wurde von SPÖ und ÖVP die Erstellung so eines Gesetzeswerkes im Parlament abgelehnt. Es besteht seitens SPÖ und ÖVP kein Wille, der Österreichischen Gebärdensprache wirklich in allen Bereichen zum Durchbruch zu verhelfen.
Wenn SPÖ und ÖVP dies heute in Aussendungen anders darstellen sollten, ist eines klar: Das ist dummes Gefasel!