Kärnten: „Zentren für Psychosoziale Rehabilitation“ nach wie vor ohne Rehabilitation

Volksanwaltschaft beschloss deswegen „kollegiale Missstandsfeststellung“

Günther Kräuter Gertrude Brinek Peter Fichtenbauer
Volksanwaltschaft

Einem Artikel vom 6. Juli 2017 auf news.at zufolge, leben derzeit 762 Menschen mit chronischer, psychischer Erkrankung in sogenannten Zentren für psychosoziale Rehabilitation (ZPSR) in Kärnten (siehe auch).

Die Volksanwaltschaft geht davon aus, „dass jeder zweite Betroffene zwar in der Einrichtung bleiben kann, wo er aktuell ist, die Betreuung aber qualitativ stark verbessert werden muss.“ Für die andere Hälfte empfiehlt sie den Umzug in kleinere Wohngemeinschaften.

Was sind ZPSR?

Es handelt sich um entlegene Bauernhöfe, in denen die Bewohnerinnen und Bewohner gegen ein geringes Taschengeld zu einfachen Hilfsarbeiten herangezogen werden (Kritik der Volksanwaltschaft im Dezember 2016).

Sie putzen und erledigen Arbeiten in der Küche, im Stall oder Garten.

Keine psychologische oder psychiatrische Betreuung

Der Begriff „Zentren für Psychosoziale Rehabilitation“ ist mangels Rehabilitation „irreführend“, gesteht das Land im Etappenplan 2015 – 2020 zur Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen selbst ein.

„Bemühungen, Betroffene auf einen selbstständigen Alltag vorzubereiten, sodass sie die ländlichen Einrichtungen irgendwann verlassen und zum Beispiel in betreute WG übersiedeln können, gebe es überhaupt nicht“, berichtet news.at über einen der von der Volksanwaltschaft aufgezeigten Missstände. Das Hauptaugenmerk liege auf „pflegerischen Aspekten“.

Chancengleichheitsgesetz gilt nicht für ZPSR-Bewohnerinnen und Bewohner

Das seit 2010 in Kärnten geltende sogenannte „Chancengleichheitsgesetz“ für Menschen mit Behinderungen schließt Bewohnerinnen und Bewohner der ZPSR ausdrücklich aus.

Die Folge: Tagsätze für ZPSR-Bewohnerinnen und -Bewohner sind weit geringer als jene, die nach dem Chancengleichheitsgesetz vorgesehen wären.

Land Kärnten verweist auf erhebliche Mehrkosten

Die zuständige Soziallandesrätin, Beate Prettner (SPÖ), teilt laut einer früheren Stellungnahme an die Volksanwaltschaft den Wunsch nach mehr Fachpersonal, „doch würde dies die bestehende Unterbringungsform so verteuern, dass mit dem derzeit vom Land Kärnten zur Verfügung stehenden Tagsatz nicht das Auslangen gefunden werden könnte.“ (Prettner: „Gewachsenes Strukturproblem“)

Die Kosten für die sofortige Umsetzung der geforderten Maßnahmen würden etwa 14 Millionen Euro kosten, schätzt man. Im Büro der Landessozialrätin verspricht man die nötigen Maßnahmen „etappenweise umzusetzen“ und die „psychosoziale Landschaft neu zu ordnen“.

Volksanwaltschaft setzt Frist für die Umsetzung der Maßnahmen

„Menschenrechte mit budgetären Argumenten wegzudiskutieren“, lässt Volksanwalt Günther Kräuter nicht gelten.

Nun ergreift die Volksanwaltschaft ihr schärfstes Mittel. Mit Zustimmung des Menschenrechtsbeirates hat sie eine kollegiale Missstandsfeststellung beschlossen. Das Land Kärnten hat nun acht Wochen für die Umsetzung der Empfehlungen Zeit.

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