Kanada plant, "medizinische Sterbehilfe" auch auf Menschen mit Behinderungen auszuweiten. Gleichzeitig verweigert man Menschen mit Behinderungen die notwendigen Hilfen, die sie für ein selbstbestimmtes Leben brauchen. Ein Kommentar.
Der Bericht der Washington Post stimmt mehr als nachdenklich. Dort heißt es, dass Kanada die „medizinische Sterbehilfe“ ausweiten möchte. Durch „medizinische Sterbehilfe“ kann ein Arzt das Leben eines einwilligenden Patienten beendet, dessen medizinischer Zustand als „schwer und unheilbar“ gilt und von dem bekannt ist, dass er „vorhersehbar“ sterben wird.
Das kanadische Parlament verhandelt derzeit über ein Gesetz, das die „medizinische Sterbehilfe“ ausweiten würde.
Die Gesetzesvorlage C-7 würde die Beschränkung der Sterbehilfe auf diejenigen aufheben, die voraussichtlich in „vernünftigerweise vorhersehbarer“ Zukunft sterben werden, und sie damit auf behinderte Menschen ausweiten.
Noch bedenklicher wird diese Tatsache vor dem Hintergrund, dass die kanadische Regierung ihren Bürgerinnen und Bürgern die Ressourcen für ein selbstbestimmtes Leben in der Mitte der Gemeinschaft vorenthält.
UN-Konvention nicht erfüllt
Im April 2019 prangerten die Vereinten Nationen Kanada wegen „erheblicher Defizite“ bei der Erfüllung seiner Verpflichtungen aus der Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen an.
Das Land habe aufgrund des Mangels an gemeindenahen Unterstützungsformen keine anderen Alternativen für Menschen mit Behinderungen als das Leben in Einrichtungen und anderen stationären Settings.
Menschenunwürdig
So sehen die Bedingungen aus, unter denen viele Menschen mit Behinderungen in Kanada leben müssen, weil sie keine andere Wahl haben:
Roger Foley hat eine schwere degenerative neurologische Erkrankung, die die Beweglichkeit seiner Arme und Beine erheblich einschränkt. Er kann daher nicht ohne Unterstützung leben. Foley behauptete nun, von Pflegekräften, die ihm die Regierung zugewiesen habe, schwer vernachlässigt und missbraucht worden zu sein.
Trotz seiner Erkrankung möchte Foley seine Unterstützung selbst organisieren. Doch die Regierung gibt ihm keinen Ersatz für die Unterstützung, die sein Leben lebenswert und selbstbestimmt machen würde.
Foleys Situation ist leider kein Einzelfall. Chris Gladders, ein 35-jähriger Mann mit einer seltenen genetischen Erkrankung, hat „medizinische Sterbehilfe“ in Anspruch genommen.
Sein Bruder führt dies aber nicht nur auf seine Krankheit zurück, sondern vor allem auch auf die Bedingungen, unter denen er vor seinem Tod leben musste. Wochenlang seien in der Einrichtung, in der Gladders lebte, die Bettlaken nicht gewechselt worden, der Boden sei von Urin und Fäkalien beschmutzt gewesen und das Personal habe auf Gladders Hilferufe nicht reagiert.
Gladders Bruder glaubt nun, dass die unhaltbaren Zustände im Heim den Wunsch seines Bruders zu sterben, stark beeinflusst haben. Anstatt die Umstände zu lindern und ihm ein menschenwürdiges Leben zu geben, hat die Regierung seinen Wunsch zu sterben erfüllt.
Der falsche Weg
Dadurch, dass Kanada vielen seiner behinderten Bürgerinnen und Bürgern jede andere Option als das Leben in einer Einrichtung verweigert, verlieren diese die Kontrolle über ihr Leben und laufen auch Gefahr, den Willen zu leben zu verlieren.
Kanada müsste die Forderungen der UN-Konvention über die Rechte der Menschen mit Behinderungen erfüllen. Diese legt fest, dass jeder behinderte Mensch das Recht hat, in der Gemeinschaft zu leben – mit denselben Wahlmöglichkeiten wie alle anderen auch. Der Ausbau von gemeindenahen Unterstützungsleistungen wie Persönliche Assistenz wäre die richtige Lösung.
Die Ausweitung der Sterbehilfe auf behinderte Menschen ist sicherlich keine Lösung. Gute und bedarfsgerechte Pflege ist ein Menschenrecht. Mit der Ausweitung der Sterbehilfe würde Kanada seine Bürgerinnen und Bürger erneut im Stich lassen und auf eine Menschenrechtskatastrophe zusteuern.
Richard Castle
02.03.2021, 03:48
Der Hauptgrund für Suizid besteht nicht in schwersten Erkrankungen, wie man meinen möchte, sondern in schweren und schwerstgradigen Depressionen.
Daniel
02.03.2021, 15:58
Das ist Blödsinn und auch leicht zu widerlegen. Das passt halt denen nicht in den Kram, die SelbsttöterInnen früher nachträglich verurteilt haben und sie diese jetzt als krank abstempeln und sie mit ihrem widerlichen, mitleidigen Gesülze überziehen.
Ein besserer Indikator für Suizid ist Hoffnungslosigkeit als die Diagnose Depression.
In der Psychiatrie sind die Suizidzahlen für depressiv Erkrankte ebenfalls zum Glück selten, müsste viel höher sein. Außerdem kann Depression selbst eine schwere Krankheit sein und zu dem führen, wo auch gesunde Menschen an Suizid denken würden, wenn sie plötzlich, etwa nach einem folgenschweren Verkehrsunfall, in eine ähnliche Lage kommen: Hoffnungslosigkeit, Einsamkeit, Arbeitslosigkeit u.a, derart schwere psychische Krankheiten kann man lindern, jedoch selten vollständig heilen.
Gegen oben beschriebene Missstände helfen keine Antidepressiva und gefühlsduseliges Gelaber, sondern ernst betriebene Inklusion und tatkräftige Hilfe, und zugleich auch die Akzeptanz und Ermöglichung eines ernsthaften Suizidwunsches.
Suizidalität ist ein weit über die Depression hinausgehendes Phänomen.
Prekäre Lebensumstände, schwere Behinderungen und soziale Exklusion, weshalb auch immer, können dazu führen, aber eben auch eine psychische Krankheit, jedoch nicht ausschließlich und so häufig wie landauf landab behauptet. Der hohe Prozentsatz an Depressionen kommt so zu Stande, dass Suizidgedanken die Diagnose Depression oder eine andere Störung nach sich ziehen. Der kleine, nichtdepressive Rest ist alt und tot krank oder schwer behindert, wo sich der Arzt denkt, dass er sich auch umbringen würde.