Kassenverträge nur mehr für barrierefreie Praxen!

"Kassenverträge dürfen in Zukunft nur mehr für jene Praxen vergeben werden, die auch barrierefrei ausgestattet sind!"

Broschüre krank behindert ungehindert
BIZEPS

Dies war die zentrale Aussage der BIZEPS-Vorsitzenden Annemarie Srb-Rössler in der Sendung „Zeit im Bild“ am 16.10.2003 anläßlich des Symposiums „Arzt ohne Hindernisse“ in Wien.

Das war auch eine der zentralen Forderungen, im vom Hauptverband (HV) der Österreichischen Sozialversicherung gemeinsam mit der ÖAR und BIZEPS veranstalteten Symposium „Arzt ohne Hindernisse“.

„Barrierefreier Zugang ist ein Menschenrecht“
Die Vertreter des Hauptverbandes – Dr. Josef Kandlhofer, Sprecher der Geschäftsführung des HV und Dr. Josef Probst, Geschäftsführer des HV – betonten, dass sie „in diesem Bereich etwas bewegen“ wollen (Probst) und dass es dem HV „ein Anliegen ist“ (Kandlhofer), den Artikel 7 des Bundesverfassungsgesetzes (Benachteiligungsverbot und Staatszielbestimmung) umzusetzen.

Und der HV betonte in einer Presseaussendung, dass der barrierefreie Zugang ein „Menschenrecht“ sei und die derzeitige Situation für ihn eine „Herausforderung“ darstelle.

Die Veranstaltung sollte eine Beschreibung des Istzustandes geben und gleichzeitig auch neue und positive Entwicklungen anhand von konkreten Beispielen aufzeigen. So war zu erfahren, dass der Hauptverband eine Erhebung zum Thema „Barrierefreie Arztpraxen“ durchgeführt hat, die bis zum Jahresende ausgewertet sein soll.

In einem beim Symposium vorgestelltem Projekt zur gynäkologischen Vorsorge und Versorgung behinderter Frauen wurde festgestellt, dass

  • zwei Drittel der befragten Ärztinnen und Ärzte“geringe bis keine Erfahrungen mit behinderten PatientInnen“ hätten und
  • knapp zwei Drittel der Ärztinnen und Ärzte „in der fachärztlichen Ausbildung auf den Umgang mit behinderten Frauen nicht vorbereitet worden“ sein.

Immer wieder wurde von der mangelnden Bereitschaft der Ärzte bzw. der Ärztekammer berichtet, aber auch vom zum Teil äußerst unterentwickelten Pro­blembewusstsein der Mediziner: So berichtete Eduard Riha, Generalsekretär der ÖAR, von einem Schreiben der Wiener Ärztekammer, in dem eine nur über 10 Stufen erreichbare Praxis als barrierefrei zugänglich (!) bezeichnet worden sei.

In dem von BIZEPS vorgestellten Projekt „Behinderte Menschen im Krankenhaus und in anderen Gesundheitsein­richtungen“ wurde erhoben, dass praktisch keine einzige Arztpraxis in Wien 100%ig als barrierefrei bezeichnet werden kann. Dazu stellte Dr. Probst fest, dass in Österreich die „freie Arztwahl gar nicht so selbstverständlich“ sei.

„Freie Arztwahl nicht selbstverständlich“
Eine Evaluierung hat u.a. ergeben, dass bei den neuen Verträgen die Anzahl der Praxen mit baulichen Barrieren drastisch zugenommen hat. Von einer bemerkenswerten Initiative berichtete Otto Maron, Direktor der Burgenländischen Gebietskrankenkasse: Diese hat in einem Vertrag den barrierefreien Zugang zu Ordinationen verankert. Dabei wird für neu abgeschlossene Verträge die Barrierefreiheit verlangt, bei bestehenden Verträgen wird gemeinsam mit der Ärztekammer nach individuell abgestimmten Möglichkeiten gesucht.

Ing. Hans Wiesinger, Rollstuhlfahrer und Leiter des Projekts „Wels ebnet Wege“ berichtete von einem Beschluss des Welser Gemeinderates, demzufolge alle öffentlichen Baulichkeiten nach den Kriterien der ÖNORMEN B 1600 und B 1601 errichtet werden müssen (da könnten sich sämtliche Bundesländer ein Beispiel nehmen). Weiters gibt es von der Stadt Wels Förderungen für private Bauherren in den Bereichen Hotels, Gast- und Veranstaltungsstätten sowie Arztpraxen. Wels geht auch sehr pragmatisch vor und arbeitet z. B. häufig mit Aufpflasterungen von Straßen und Gehsteigen, um eine vorhandene Stufe zu eliminieren.

Wie man bestehende Praxen barrierefrei ausgestalten kann, wurde anschließend anhand von zwei konkreten Beispielen dargestellt. Dabei wurde aufgezeigt, dass dies – guter Wille vorausgesetzt – durchaus auch bei Althäusern möglich ist.

Bei der anschließenden Podiumsdiskussion bewies der Vertreter der Ärztekammer einmal mehr: Die Kammer ist Weltmeisterin in der Kunst, unzählige Gründe ins Treffen zu führen, warum barrierefreie Praxen nicht möglich sein sollen. Einmal mehr wurde die „historisch gewachsene Bausubstanz“ als Argument gegen unsere Forderungen strapaziert – als ob es diese bauliche Situation in vergleichbaren Städten in anderen Ländern, in denen man schon viel weiter gekommen ist, nicht gäbe.

Ein anderer Ärzte­kammerfunktionär verlangte allen Ernstes wegen des manchmal größeren Zeitaufwandes eine höhere Abgeltung der Krankenkassen für die Behandlung bei behinderten Patienten.

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