Kaum Mehrkosten bei barrierefreiem Bauen

Die angeblichen Mehrkosten für barrierefreies Bauen tauchten bis jetzt mit der gleichen Regelmäßigkeit auf wie das Ungeheuer vom Loch Ness in der Sauregurkenzeit.

Diese Behauptung hat in der Vergangenheit ganz wesentlich dazu beigetragen, daß notwendige Reformen blockiert wurden. Mit diesem Unfug hat nun ein Wohnbaufachmann anläßlich einer von der Stadt Wien veranstalteten Enquete aufgeräumt.

Alters- und behindertengerechtes Bauen verursacht „in vielen Fällen keine Mehrkosten“. Dies ist die vielbeachtete Aussage des Vertreters einer Wohnbaugenossenschaft während der Enquete „Praxis und Entwicklung des barrierefreien Bauens und Wohnens“, die am 28. Juni 2002 in Wien abgehalten wurde.

In der vom „Wohnservice Wien“ organisierten Veranstaltung gab es Impulsreferate von Experten aus Österreich und dem Ausland sowie ein Workshop zum Thema „Barrierefreies Bauen in Wien“ mit fünf Arbeitsgruppen, die das Thema von verschiedenen Zugängen her berieten.

Eröffnet wurde die Enquete von Stadtrat Werner Faymann, der für den Wohnbau sowie für die Bauordnung zuständig ist.

Es gibt „keine Sanktionen bei Nichtbeachtung“ der Bauordnung. Die ohnedies unzureichenden Bestimmungen werden oft auch „übersehen“ oder „vergessen“ führte der international bekannte Architekturtheoretiker und Fachmann für behindertengerechtes Bauen, Prof. Günther Feuerstein in seinem Referat aus.

Er kritisierte auch die katastrophalen Zustände in der Gastronomie und der Hotellerie sowie die oft unzureichenden Maßnahmen bei denkmalgeschützten Baulichkeiten und beklagte den zu geringen anpaßbaren Wohnbau.

Was in Wien noch immer als unlösbares Problem dargestellt wird, das wurde in Graz bereits vor vier Jahren erfolgreich und zur Zufriedenheit der Betroffenen gelöst: mit dem sogenannten „Grazer T“ wurde sowohl auf die Bedürfnisse von RollstuhlfahrerInnen als auch von blinden Menschen eingegangen.

Mit dem Einbau von taktilen Bodeninformationen konnte die Gehsteigkante auf eine Breite von einem Meter auf null abgesenkt werden.

Aber schon 1995 hatte die Stadt die Einhaltung der Planungsgrundlagen der ÖNORM B 1600 für alle öffentlichen Gebäude beschlossen. Zur besseren Umsetzung des Beschlusses wurden von der Stadt technische Informationsbroschüren herausgegeben und in der Stadtbaudirektion gibt es ein Referat für barrierefreies Bauen.

In der Schweiz gibt es ein Netz von regionalen Beratungsstellen, die sich auch mit der Ausarbeitung von Normen und Richtlinien befassen. Der anpaßbare Wohnungsbau ist obligat, womit erreicht wird, daß keine Mehrkosten entstehen.

Die Arbeitsgruppen waren gekennzeichnet durch intensive und engagierte Diskussionen. In der Arbeitsgruppe „Barrierefreiheit für Menschen mit motorischer Behinderung“ wurde u.a. vehement die Beschlußfassung der von der Arbeitsgruppe „Behindertendiskriminierende Bestimmungen in Wien“ erarbeitete Novellierung der Wiener Bauordnung durch den Wiener Landtag eingefordert.

Alles in allem bot die Veranstaltung eine gute Gelegenheit für die teilnehmenden Beamten, PolitikerInnen, ArchitektInnen und VertreterInnen der Bauindustrie, konkrete Wünsche und Forderungen der anwesenden behinderten Fachleute anzuhören, Meinungen auszutauschen und neue Informationen anzuhören.

Die Ergebnisse der Enquete werden im September 2002 allen Interessierten zur Verfügung stehen.

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