Kein Fairer Handel in Behindertenwerkstätten

Das Fair Trade-Siegel zeigt, dass Produkte nachhaltig und unter gerechten Arbeitsbedingungen hergestellt werden. Doch leider gelten Fairtrade-Standards nicht für Produkte, die in Werkstätten produziert werden.

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Es ist schon lange kein Geheimnis mehr, dass Menschen mit Behinderungen, die in Werkstätten arbeiten, unter diskriminierenden Arbeitsbedingungen arbeiten. Statt eines gerechten Lohns gibt es nur ein sehr geringes Taschengeld.

Es gibt keine ArbeitnehmerInnenrechte, wie zum Beispiel Gewerkschaften. Bei der versprochenen Inklusion in den Arbeitsmarkt sieht es ebenfalls schlecht aus. Und das obwohl in Werkstätten hochwertige und qualitative Produkte hergestellt werden.

Der deutsche Aktivist Raul Krauthausen fragt sich in einem Beitrag von „Zeit Online“, warum gerade in deutschen Behindertenwerkstätten nicht auf faire Handelsbedingungen geachtet wird.

Behindertenwerkstätten werden vergessen

Es schaut keiner genau hin, wer den in Sri Lanka eingekauften Tee verpackt und verschickt, so Krauthausen. Große Unternehmen, darunter auch Vorreiterinnen und Vorreiter des fairen und sozialen Handels, arbeiten eng mit Behindertenwerkstätten zusammen und verkaufen auch Produkte aus Werkstätten. Für Krauthausen ist das ein Widerspruch, da in Werkstätten eben nicht die Bestimmungen für fairen Handel gelten.

Eigentlich gibt es seit kurzem in Deutschland das sogenannte Lieferketten-Gesetz, welches besagt, dass Unternehmen dafür sorgen müssen, dass sie in ihrer gesamten Lieferkette die Menschenrechte einhalten.

Die UN-Behindertenrechtskonvention besagt, dass Menschen mit Behinderungen das Recht haben, ihren Lebensunterhalt in einem offenen inklusiven und zugänglichen Arbeitsmarkt zu verdienen. Offenbar wurde im Lieferkettengesetz wieder auf Menschen mit Behinderung vergessen.

Armut und Behinderung hängen zusammen

Armut und Behinderung sind eng miteinander verknüpft, so Krauthausen. Etwa 80 Prozent der Menschen der mehr als eine Milliarde Menschen mit Behinderungen leben in Ländern des globalen Südens. Viele dieser Menschen leben unterhalb der Armutsgrenze.

Behinderung ist dabei sowohl ein Grund für als auch eine Konsequenz von Armut. In diesen Ländern sind Menschen mit Behinderung aus der Gesellschaft ausgeschlossen und haben kein Recht auf Schulbildung und auf existenzsichernde Arbeit.

Auch in Deutschland können Menschen mit Behinderungen, die in Werkstätten arbeiten, ihren Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten. So berichtete der Aktivist Lukas Krämer in einem Beitrag von „barrierefrei aufgerollt“ darüber, wie sehr Menschen mit Behinderung in deutschen Werkstätten benachteiligt werden.

Um Armut und Exklusion von Menschen mit Behinderung zu verringern, müssen sie in allen gesellschaftlichen Bereichen berücksichtigt werden. Es sollte daher selbstverständlich sein, dass in Werkstätten auf faire und nachhaltige Arbeitsbedingungen geachtet wird.

Verpackt von Menschen mit Behinderung – keine gute Sache

Vor zwei Jahren löste die Verpackungsaufschrift „Verpackt durch Menschen mit Behinderungen“, die die Schweizer Supermarktkette „Coop“ auf ihre Fleischhacken aufdrucken ließ, Entrüstung aus. Später passte die Supermarktkette den Verpackungstext an. Doch was will man mit einer solchen Verpackungsaufschrift erreichen?

Wenn etwas von Menschen mit Behinderungen verpackt wurde, hat die Kundin oder der Kunde das Gefühl, mit dem Kauf eines solchen Produktes etwas Gutes zu tun. Auch Firmen, die ihre Produkte von Menschen mit Behinderung produzieren, wissen oft nicht, dass Werkstätten-Beschäftigte keinen Mindestlohn erhalten und keine ArbeitnehmerInnenrechte haben. Um diesen blinden Fleck bewusst zu machen, gibt es laut Krauthausen nur eins: Aufklärung!

„Fragen Sie bei ihrem Lieblingsunternehmen nach, wer das ökologisch einwandfreie Holzspielzeug sägt, wer den Fair Trade Kaffee und Tee verpackt und wer die Produkte des Designer-Startups verschickt?“

Dann soll man laut Krauthausen darüber aufklären, was Menschen mit Behinderungen in Werkstätten verdienen und dass sie so gut wie keine Chance haben, auf den ersten Arbeitsmarkt zu kommen. Man müsse anfangen, die kritischen Fragen aus der Fair Trade-Bewegung nun auch an das System der Behindertenwerkstätten zu stellen.

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