Der kleine Mann, der Grassers Barbierungskünsten entkommen will, muss sehr klein sein.
Kommentar im „Der Standard“ erschienen:
Politisch betrachtet, hat die FPÖ sich bei diesem Budgetentwurf klar zulasten der ÖVP und ihrer Klientel sowie des SP-„Mittelstandes“ durchgesetzt.
Dem Budgetentwurf Karl- Heinz Grasser kann man die Geste zur großen Tat nicht absprechen: Der Bund soll kräftig sparen, Länder und Gemeinden sollen im Rahmen des Finanzausgleiches kräftig zahlen, und der „kleine Mann“ soll, wie versprochen, weitgehend ungeschoren davonkommen. Es wird „Steuergerechtigkeit“ geübt, wie es in der neuen Sprachregelung statt „Steuererhöhung“ heißt.
Denn eines fällt an Grassers Vorschlag vor allem auf: Der kleine Mann, der seinen Barbierungskünsten entkommen will, muss sehr klein sein. Im Grunde wird das Budget einnahmenseitig auf Kosten des Mittelstandes saniert – und zwar des erweiterten Mittelstandes: Ab 30.000 Schilling Brutto-Monatseinkommen wird abkassiert, etwa durch eine einschleifende Reduktion des allgemeinen Absetzbetrages. Auch der Pensionistenabsetzbetrag soll nur noch bis 20.000 Schilling Bruttopension pro Monat lukriert werden dürfen. …
Doch damit wird erst angedeutet, wohin die Reise gehen soll. Denn unausgesprochen bleibt nach wie vor, wie und vor allem wer die „soziale Treffsicherheit“ finanzieren soll, aus deren Implementierung fünf Milliarden Schilling fließen sollen. Im nichteinkommensbezogenen Bereich wie Familienbeihilfe, Pflegegeld, Sachleistungen im Familienbereich (Stichwort Gratisschulbücher) wird wohl eingeschnitten werden. …
Politisch betrachtet, hat die FPÖ sich bei diesem Budgetentwurf klar zulasten der ÖVP und ihrer Klientel sowie des SP-„Mittelstandes“ durchgesetzt. Wirtschaftlich gesprochen darf ein im „Literarischen Quartett“ zur weiteren Verbreitung gekommenes Brecht-Zitat für diesen als nationale Kraftanstrengung inszenierten Budgetgipfel herhalten: „Und so sehen wir betroffen, den Vorhang zu, und alle Fragen offen.“