Vor fast genau zwei Jahren, im Februar 2016, brachte die Volksanwaltschaft im Rahmen der menschenrechtlichen Überprüfungstätigkeit die untragbaren Mängel in der Salzburger Behinderteneinrichtung Konradinum an die Öffentlichkeit.
Vor fast genau zwei Jahren, im Februar 2016, brachte die Volksanwaltschaft im Rahmen der menschenrechtlichen Überprüfungstätigkeit gemeinsam mit der Bewohnervertretung von VertretungsNetz die untragbaren Mängel in der Salzburger Behinderteneinrichtung Konradinum an die Öffentlichkeit und forderte deren Beseitigung.
Die Bewohnervertretung machte auch weiterhin Druck, u.a. durch gerichtliche Überprüfungen von Freiheitsbeschränkungen, um sofortige Veränderungen zu erreichen.
Fokus Neubau statt Problemlösung
Aktuell wurde von der Volksanwaltschaft erneut die Diskussion über die schleppenden Verbesserungen losgetreten. Das Kontrollorgan präsentierte seinen Bericht 2015 – 2016 dem Salzburger Landtag und nutzte die öffentliche Aufmerksamkeit dazu, nochmals auf die „unwürdigen Zustände in der Betreuung von Menschen mit Behinderungen“ hinzuweisen.
Von Seiten des Landes Salzburg reagierte man in der Stellungnahme zum Volksanwaltschafts-Bericht uneinsichtig gegenüber der Kritik und den dringend erforderlichen Veränderungen. Das zuständige Landesregierungsmitglied, LH-Stv. Christian Stöckl, verwies einmal mehr auf den im Landtag beschlossenen Neubau.
Doch auch dabei gibt es Unstimmigkeiten zwischen der behaupteten Einhaltung des Zeitplanes und den immer wieder hinausgeschobenen Umsetzungsschritten. So wurde beispielsweise bereits 2017 die Ausschreibung für einen neuen, privaten Träger angekündigt. Bis jetzt ist sie noch immer ausständig.
Ein neues Heim als vertane Chance für individuelle Lösungen
Obwohl bereits zu Beginn der öffentlichen Diskussion auf notwendige grundlegende Änderungen hingewiesen wurde, bremste das Land. Bei Planungen für eine menschenrechtskonforme Betreuungsstruktur muss die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) Grundlage sein.
Besonders Artikel 19 UN-BRK – Selbstbestimmtes Leben und Inklusion in der Gemeinschaft – sollte als Zielrichtung anerkannt werden: Menschen mit Beeinträchtigungen haben gleichberechtigt mit anderen das Recht, selbst zu entscheiden, mit wem und wo sie wohnen möchten. Zum Leben in besonderen Wohnformen – also in Heimen, Wohngruppen etc. – besteht keine Verpflichtung. Vielmehr werden Persönliche Assistenz und gemeindenahes Wohnen zur Unterstützung der Umsetzung eigener Entscheidungen als Recht beschrieben.
Schon diese menschenrechtlichen Rahmenbedingungen stehen im Widerspruch mit den Planungen des Landes Salzburg. Das alte, auch nach eigener Einschätzung ungeeignete Haus wurde verkauft und an anderer Stelle soll ein neues Gebäude errichtet werden. Die jetzt 34 BewohnerInnen würden alle übersiedeln, übersiedeln müssen. Zukünftig soll sogar auf 36 Wohnplätze aufgestockt werden. Außerdem soll es tagesstrukturierende Angebote geben, die nicht nur den BewohnerInnen, sondern auch zehn externen NutzerInnen zur Verfügung stehen.
Damit würde wieder ein Heim im klassischen Sinn konzipiert, das Wohnen und Tagesstruktur in einer Einrichtung vereint. Doch genau ein solches Leben, das ständig unter ein und derselben Autorität stattfindet, genügt im 21. Jahrhundert nicht mehr den Qualitätsstandards von Einrichtungen der Behindertenhilfe und auch nicht der UN-BRK.
Änderungen sind noch möglich
Geplant sind bislang Neubau und Übersiedlung mit geringfügiger Erweiterung. Also das alte, unbrauchbare Haus soll gegen ein barrierefreies neues Gebäude ausgewechselt und die Menschen umgesiedelt werden. Damit würden die eklatantesten von den Kontrollorganen aufgezeigten baulichen Mängel beseitigt. Dass Betreuungszielsetzungen erst nach der Bauplanung konzipiert werden, ist fachlich unverständlich und entspricht wieder dem alten Konzept eines Heimes, in dem gemeinsame Wohn- und Betreuungsbereiche die Inklusion in der Gemeinschaft erschweren.
Das Grundproblem dieser längst überholten Behindertenpolitik Salzburgs, nämlich eine paternalistische Grundhaltung, die Menschenrechtsstandards bei Bedarf missachtet und die Prinzipien der UN-BRK nur zögerlich oder mit Modellprojekten umsetzt, wird weiter negiert.
Die Erneuerung des Konradinums muss bedeuten, dass für die jetzigen BewohnerInnen neue, bessere Wohn- und Betreuungsmöglichkeiten angeboten werden – individuell und der UN-BRK entsprechend. Ein Tagesbetreuungskonzept ist getrennt davon zu realisieren. In den Planungsprozess sind endlich alle BewohnerInnen, ihre VertreterInnen und Angehörigen, ExpertInnen aus den unterschiedlichen Disziplinen, Mitglieder des Monitoringausschusses und des Inklusionsbeirates einzubeziehen. Neben der UN-BRK sollten auch die von der Europäischen Expertengruppe erarbeiten Gemeinsamen Leitlinien für den Übergang von institutioneller Betreuung zu Betreuung in der lokalen Gemeinschaft berücksichtigt werden.
Noch gibt es die Chance, dass nicht wieder ein Heim gebaut wird, in dem die UN-BRK vor der Tür bleibt. Es muss dringend gegengesteuert werden!