Krankenakten der „Aktion T4“ ausgewertet

Jahrzehntelang für verschollen gehaltene Akten zur Massenvernichtung behinderter Menschen wurden Anfang der 90er Jahre gefunden und zur wissenschaftlichen Aufarbeitung freigegeben.

Opfer der NS-Zeit
Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes

Wissenschaftler der Universität Heidelberg haben zu Jahresende 2002 die ersten Ergebnisse veröffentlicht. Sie geben Aufschluß über die Krankheitsdiagnosen der Opfer, die Dauer der Klinikaufenthalte sowie ihre Pflegebedürftigkeit und angenommene Arbeitsfähigkeit.

„Mit unserer Forschungsarbeit möchten wir dazu beitragen, daß die anonymen Opfer der ersten zentral organisierten Vernichtungsaktion im Nationalsozialismus als Individuen gewürdigt und ihre Schicksale dokumentiert werden“, erklärt der Ärztliche Direktor der Psychiatrischen Universitätsklinik Heidelberg, Christoph Mundt, in der Fachzeitschrift „Der Nervenarzt“ die Beweggründe der Forscher.

Der unter dem Nationalsozialismus durchgeführten Massenvernichtungsaktion T4 (benannt nach dem Sitz der Organisationszentrale in der Berliner Tiergartenstraße 4) fielen in der Zeit von 1939 bis 1945 über 200.000 behinderte Menschen zum Opfer. Allein in Österreich forderte die Aktion T4 „mindestens 20.000 Opfer“, so der Leiter des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes, Dr. Wolfgang Neugebauer.

Begonnen hat das als „Gandentod für unheilbar Kranke“ deklarierte Morden im Oktober 1939. Dafür wurden Tarngesellschaften gegründet, über die das Vernichtungsprogramm (auch „Euthanasie“ genannt) abgewickelt wurde. Es ging um die Beseitigung von „unnützen Essern“, von „Ballastexistenzen“, also um die Einsparung von Betten, Pflegepersonal, Lebensmitteln, Kleidern und dgl. in einer aufs Äußerste angespannten Kriegswirtschaft.

Um ein Gesamtbild der „Aktion T4“ zu erstellen, sollen in dem Heidelberger Forschungsprojekt 3.000 der 30.000 Krankenakten detailliert ausgewertet werden. In einer Pilotstudie wurden 185 Akten untersucht. Etwa ein Drittel der Opfer wurde als pflegeaufwendig und nicht arbeitsfähig bewertet.

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