Kritik an Österreichs „Arbeitsunfähigkeit“ nimmt zu

Mit seiner „Arbeitsunfähigkeit“ hält Österreich eine in Europa einzigartige Barriere für Menschen mit Behinderungen aufrecht.

EASPD Disability Report 2019
EASPD

Im jüngsten Bericht „Disability Support Services in the EU: A Reality Check“, den EASPD, der Europäische Dachverband der Dienstleistungsanbieter für Menschen mit Behinderungen der EU Kommission vorgestellt hat, muss Österreich neuerlich zugeben, dass es in Bezug auf den Ausschluss Tausender Menschen mit Behinderungen vom Arbeitsmarkt nichts weitergebracht hat. Mit seiner „Arbeitsunfähigkeit“ hält Österreich eine in Europa einzigartige Barriere für Menschen mit Behinderungen aufrecht.

Im September hat EASPD am Beispiel von 5 Länderberichten seine diesjährigen Vorschläge zum Europäischen Semester der EU Kommission vorgestellt. Das Europäische Semester ist das jährliche Verfahren, mit dem die EU die Erreichung seiner Ziele der EU Strategie 2020 überprüft.

Eines dieser Ziele ist, die Beschäftigungsquote auf über 75 % zu erhöhen. Mit 77,1 % hat Österreich dieses Ziel locker erreicht. Wer allerdings genauer schaut, muss feststellen, dass Menschen mit Behinderungen nur zu 55,9 % beschäftigt sind.

Und der EASPD Bericht bezweifelt sogar diese Zahl: Menschen mit Behinderungen mit einer Leistungsfähigkeit von weniger als 50 % gelten nämlich in Österreich als „arbeitsunfähig“ und sind gar nicht in dieser Statistik enthalten. Ihre Arbeitslosigkeit steigt weiter.

Trotz dieser schwierigen Lage kürzt Österreich mit Verweis auf die generell sinkende Arbeitslosigkeit auch die Maßnahmen, die diesen Menschen helfen würden: die der aktiven Arbeitsmarktpolitik.

In seinem Bericht fordert EASPD die EU Kommission daher auf

  1. die statistische Erfassung dieser Daten endlich vergleichbar zu machen und unterschiedliche Zielgruppen wie Menschen mit Behinderungen in der Erfassung sichtbar zu machen. Nur aufgrund solider Daten können auch Maßnahmen gesetzt werden.
  2. Maßnahmen der Aktiven Arbeitsmarktpolitik sollen in Hinkunft verstärkt auch auf ihre Wirksamkeit für Menschen mit Behinderungen überprüft werden.
  3. Die „Arbeitsunfähigkeit“ als gesetzliche Barriere im Zugang zur Arbeit von Menschen mit Behinderungen muss beseitigt werden.
  4. Deinstitutionalisierung, also die Schließung von Institutionen, muss weiter Ziel bleiben und EU-Gelder dürfen nicht mehr für die Aufrechterhaltung von Institutionen verwendet werden.
  5. Die notwendigen Dienstleistungen, die Menschen mit Behinderungen unterstützten, zu arbeiten, müssen überall bereitgestellt werden. 
  6. Die EU soll alle Staaten weiterhin in die Pflicht nehmen, Inklusive Bildungssysteme auszubauen und bereitzustellen.
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6 Kommentare

  • Wo ich jetzt lebe am Land, da gibts am Ortsrand eine Behindertenwerkstätte, da sehe ich immer nur die Autos, aber nie die Menschen. Die Behinderten werden tagtäglich hingebracht, in der Werkstätte verwahrt, und wieder abgeholt. Da haben die Betreuer einen gut bezahlten Job, die Behinderten kriegen nur ein Taschengeld und haben eigentlich nix vom Leben. Am sowieso nur rudimentär vorhanden Gemendeleben sind die in keinster Weise „integriert“. Die Behindertenwerkstätte gehört de facto nicht zur Gemeinde. Lohnarbeit alleine ist keine Integration in die Gesellschaft!

  • Die „Arbeitsunfähigkeit“ muss auf jeden Fall erhalten bleiben. Sollen jene Menschen, die sich kaputt gearbeitet haben nun den Behindertenwerkstätten zum Fraß vorgeworfen werden, wo wie die UNO seit Jahrzehnten kritisiert, kein Lohn gezahlt wird, nur Taschengeld. Nur noch menschenverachtend diese Experten der Armutsindustrie! Dass bizeps diesen Gaunern eine Plattform bietet, einfach unfassbar!

    Der Arbeitsfetischismus gehört überwunden. Da hat man die Menschenrechte nicht verstanden: Jeder Mensch ist egal ob arbeitsfähig oder nicht gleich an Rechten und Würde geboren und hat daher ein Recht auf FREI gewählte Arbeit!

    In einer echten Demokratie hat jeder Mensch ein Recht auf Teilhabe an und Anerkennung in der Gesellschaft unabhängig ob er/sie/es für die Wirtschaft als Arbeitskraft gewinnbringend verwertet werden kann !!!

  • Danke für diesen Artikel, der kurz umfasst, welche zusätzlichen Barrieren es in Österreich für Menschen mit Behinderung gibt. Einzigartig in Europa ist diese Unterscheidung von „arbeitsunfähig“ und „arbeitsfähig“. Diese Unterscheidung ist nicht nur für den Einstieg in den Arbeitsmarkt relevant, sondern hat auch unter anderem Auswirkungen auf die Zuerkennung einer Pension…..

    • in GB unter dem (neo)liberalen David Cameron wurden die Behindert großteils einfach von atos als „fit to work“ erklärt und in Zwangsmaßnahmen gesteckt, da sind dann Tausende gestorben, entweder weil sie sich selbst umgebracht haben oder die Arbeit nicht derpackt haben. Wollt Ihr das wirklich? Da hat dann sogar die UNO eine Untersuchung machen müssen. Nur Kälber wählen ihre Schlächter selber … http://blacktrianglecampaign.org/

  • Klingt nach interessantem Bericht, leider finde ich ihn auf der Webstie von EASPD nicht. Ergänzend zum Kurzbericht auf BIZEPS wäre ein Link zum Gesamttext sehr hilfreich. Vielleicht lässt sich das noch ergänzen? Danke im Voraus.

    • Liebe Petra! Danke für deine Rückmeldung. Ich habe beim Autor des Artikels nachgefragt und den Bericht im ersten Absatz verlinkt.