Caritas Aktionstag auf dem Stephansplatz für die Anliegen von Menschen mit Behinderung
„Nicht das Handicap, nicht die sogenannte geistige oder psychische Behinderung ist es, die es den Menschen verunmöglicht, ihren Platz in unserer Gesellschaft zu finden, sondern die mangelnde Aufnahmebereitschaft der Gesellschaft!“ so der Wiener Caritasdirektor Michael Landau beim Aktionstag „UNFREIWILLIG behindert“ auf dem Stephansplatz. Dem stellt Landau die Erfahrung der Caritas gegenüber, dass mit der notwendigen Unterstützung, mit der Rücksichtnahme auf die Schwierigkeiten jedes und jeder einzelnen, Integration möglich ist.
„Doch dazu braucht es die Bereitschaft der Gesellschaft, die Bereitschaft jedes einzelnen von uns, Hilfestellung zu geben, Chancen zu geben. Integration kann nur gelingen, wenn alle zusammenhelfen, Integration in den Arbeitsmarkt nur dann, wenn es Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber gibt, die Arbeitsplätze zur Verfügung stellen, wenn das Verständnis auch auf Seiten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vorhanden ist,“ so Landau der deutlich macht „behindert ist, wer behindert wird!“
Nicht mehr „wohltätige Helfer“ sondern „kompetente Assistenz“ ist gefragt
Dieser Erkenntnis trägt auch die Behindertenarbeit Rechnung, die sich derzeit in einem Paradigmenwechsel befindet. Nicht mehr „wohltätige Helfer“ sind gefragt, sondern „kompetente und professionelle Assistenz“, so Landau.
Zum Mensch-Sein gehört in der Lebensgestaltung nicht behindert zu werden
„Zum Mensch-Sein gehört eine Vielzahl an Möglichkeiten, das eigene Leben zu gestalten und auch gestalten zu können, also dabei nicht behindert zu werden. Zu unserem Verständnis von Assistenz gehört es, Menschen dabei zu unterstützen, ihren Weg in einer selbstverständlichen Rollenvielfalt zu gestalten“, führt Landau aus betont, dass „beispielsweise auch Menschen, die als schwerst behindert klassifiziert werden, in ihrem Recht auf Teilhabe am gesellschaftlichen Leben nicht zu behindern sind“.
Für den Caritasdirektor ist es keine Frage: „Auch sie können und sollen sich in unterschiedlichsten Rollen erleben dürfen: als Besucher des Kaffeehauses, als Käuferin im Supermarkt, als Kundin im Friseurgeschäft, aber auch als Gastgeber bei einer warming up Party für Nachbarn. Unser Ziel ist es, da die jeweils richtige Assistenz bedarfsgerecht anzubieten.“
Gesellschaft ist gefordert
Für Univ.Prof. Ernst Berger, den Vorstand der Neuropsychiatrischen. Abteilung für Kinder und Jugendliche am Neurologischen Krankenhaus Rosenhügel, sind es richtige Schritte, wenn in der Betreuungsarbeit für behinderte Menschen, den Bereichen Arbeit und Freizeit mehr Aufmerksamkeit gewidmet wird. Für ihn sind aber die entscheidenen Probleme noch ungelöst, als Beispiel führt Berger „die aktuelle Diskussion über die Ablehnung eines blinden Juristen für eine Richterposition“ an.
Aktionstag rückt Randgruppe in das Zentrum der Stadt
Die Caritas der Erzdiözese Wien, die mit diesem Aktionstag die Anliegen einer gesellschaftlich an den Rand gedrängten Gruppe in das Zentrum der Stadt rückt, befindet sich auch auf dem Weg, Möglichkeiten für gute Assistenzdienste zu entwickeln. Caritasdirektor Landau verwies auf erfolgreiche Angebote für Menschen mit Lernbehinderungen. Vor allem im Bereich der Vorbereitung und Integration auf den ersten Arbeitsmarkt habe man sich bemüht, neue Wege zu gehen, neue Projekte zu entwickeln und umzusetzen. Der Caritas ginge es um drei Schlüsselbegriffe: um „Selbstbestimmung, um Integration und um Normalisierung.“
Erfolg mit Arbeitsassistenz und Clearing
„Arbeitsassistenz und Clearing“ sind hier zwei spezielle Assistenzangebote. Arbeitsassistenz heißt: Unterstützung von Schulabgängerinnen und Schulabgängern aus Sonderschulen und Integrationsklassen sowie für Menschen mit geistiger Behinderung bei der Arbeitsplatzsuche und Arbeitsplatzerhaltung; dazu gehören auch Serviceleistungen, also Beratung und Unterstützung für ArbeitgeberInnen, die Menschen mit Behinderungen beschäftigen. Und Clearing meint: Aufzeigen von Perspektiven für behinderte jugendliche Menschen im Blick auf die konkreten Möglichkeiten und Chancen für ihr künftiges Berufsleben
Die Caritas Arbeitsassistenz in Niederösterreich hat für Menschen mit Lernbehinderung beispielsweise im Jahr 2001 für 38 Menschen mit Lernbehinderung Arbeitsplätze am ersten Arbeitsmarkt vermittelt, und 13 weitere Arbeitsplätze konnten durch die Unterstützung bzw. mit Hilfe der Arbeitsassistenz erhalten werden. Dies bei 132 ProjektkundInnen und 918 fallbezogenen Betriebsbesuchen.
Im Angebot Clearing, einer Karriereberatung für Schulabgängerinnen und Schulabgänger mit Behinderung konnten die Caritasmitarbeiterinnen 126 Jugendlichen Beratung geben, und ein gutes Viertel davon hat über den Weg dieser Beratung einen konkreten Karriereplan erhalten und damit eine echte Zukunftsperspektive gefunden.
In verschiedenen Qualifizierungsprojekten schließlich – mit diesen Projekten wurde im Vorjahr neu begonnen – betreut die Caritas der Erzdiözese Wien 25 Menschen mit Lernbehinderung. Die Palette der angebotenen Ausbildungen reicht dabei von der Hilfe im Haushalt für alte Menschen bis zur Anlehre Tischlerei, von der Tätigkeit als Gärtnerhilfe bis zur Hilfe am Bau. Landau: „Es geht uns dabei nicht nur darum, dass ein Mensch einen Arbeitsplatz hat, es geht hier auch darum Menschen in ihrer persönlichen Entwicklung zu fördern.“
Assistenzdienste müssen auch finanziell angesichert sein
Die Behindertenmilliarde habe in der Finanzierung von neuen Projekten „einiges in Bewegung gebracht“, betont Landau. Er appelliert an alle Verantwortlichen, „dass diese notwendigen Mittel erhalten bleiben!“ Die Hoffnungen vieler Eltern, Lehrer und Jugendlicher, die etwa durch den Ausbau von Arbeitsassistenz und Clearing geweckt worden seien, dürften nicht durch Einsparungsmaßnahmen des Bundes und der Länder zerstört werden. „Ich erwarte mir von jeder künftigen Regierung, wie auch immer sie aussieht, dass dieser Weg der Förderung von Menschen mit Behinderungen, dieser Weg der Integration und Normalisierung Fortsetzung findet! Die Behindertenmilliarde darf keine politische Eintagsfliege bleiben!“
Doch die Politik sei auch gefordert Flexibilität zu zeigen und Sozialfallen für Menschen mit Behinderung zu entschärfen. So mahnte der Caritasdirektor etwa ein, dass Menschen, die auf dem Weg in den ersten Arbeitsmarkt scheitern nicht auch noch ihre Ansprüche auf erhöhte Familienbeihilfe oder eine Pension verlieren dürften.
Ein wesentlicher Punkt für Landau ist aber auch die schulische Integration. Hier seien, so Landau, Strukturen zu schaffen, die auch eine schulische Integration nach der 8. Schulstufe ermöglichen.