Zu viele Gummiparagraphen - Kein wirksames Instrument für gesellschaftliche Gleichstellung
„Ein wirksames Behindertengleichstellungsgesetz muss volle Bürgerrechte und volle Gleichberechtigung in Bildung, Beruf und Freizeit zum Ziel haben. Dies ist beim heute vom Ministerrat beschlossenen Gesetz aber nicht der Fall“, betonte SPÖ-Behindertensprecherin Christine Lapp am Dienstag gegenüber dem SPÖ-Pressedienst.
Egal, ob es sich um Ex-Sozialminister Minister Haupt handle oder um seine Nachfolgerin Haubner, beide seien einfach nicht stark genug gewesen, das Bewusstsein zu vermitteln, dass alle Beteiligten trotz Kritik und Verbesserungsvorschlägen nur eines wollen: nämlich zum Wohle eines guten Behindertengleichstellungsgesetzes an einem Strang zu ziehen, kritisierte Lapp.
Dieses Negieren der Einwände von zahlreichen Organisationen und ExpertInnen sei mit ein Grund, warum die heute beschlossene Regierungsvorlage so „schwammig und zahnlos“ ist.
Es gehe um klare, juristisch durchsetzbare Rechtsansprüche, und da weise das Gesetz einfach zu viele „Gummiparagraphen“ auf, die es behinderten Menschen viel schwerer machen als nötig, so Lapp weiter.
Es gab keinerlei Parteiengespräche und auch das Timing und die Vor- und Aufbereitung im Zuge der Begutachtungsphasen zum Behindertengleichstellungsgesetz seien dem Gesetz eher ab- als zuträglich gewesen, wie man am Beispiel der Ankerkennung der Gebärdensprache sehen könne.
Lapp bemängelte, dass in der heutigen beschlossenen Gesetzesvorlage die verfassungsrechtliche Verankerung der Gebärdensprache fehle, obwohl davon im Vorentwurf noch die Rede gewesen sei – „Eine verfassungsmäßige Verankerung der Gebärdensprache hätte aber sinnvollerweise Hand in Hand mit dem Gleichstellungsgesetz erfolgen müssen. Das jetzige Fehlen ist sachlich nicht begründbar“.
Im gesamten Gesetz sei der Bereich der Bildung viel zu kurz gekommen, kritisierte Lapp. Das sei „sehr kurzsichtig“, denn Österreich muss alle Talente und Fähigkeiten fördern und unterstützen, das zeigt gerade der jüngste PISA-Bericht. Jene Schulsysteme, die alle Kinder und Jugendliche fördern, haben viel bessere Bildungsergebnisse als jene Schulsysteme, wo Kinder und Jugendliche ausgesondert werden.
Ein selbstverständliches Miteinander von Kindern und Jugendlichen mit und ohne Behinderung an den Schulen von Kindesbeinen an dränge sich daher geradezu als ideale Lösung auf, erläuterte Lapp. Von einer inklusiven Bildung und einem Ausbau von Integrationsklassen über den Pflichtschulbereich hinaus „werde aber im Gesetz überhaupt kein Sterbenswörtchen erwähnt“.
Lapp kritisierte auch die Umstände, unter denen im vorliegenden Gesetzesentwurf eine Verbandsklage möglich sei. Die Tatsache, dass dies nur über eine mit Zwei-Drittel-Mehrheit ausgestatte Entscheidung des Behindertenbeirats geschehen könne, verwässere dieses Rechtsmittel und degradiere es zu einer „Alibifunktion“.
Die SPÖ-Behindertensprecherin abschließend: „Das heute im Ministerrat beschlossene Gesetz weist zwar zweifelsohne nicht nur Negatives auf, ist aber in Summe unzureichend, um Menschen mit Behinderung ein wirksames Instrument für gesellschaftliche Gleichstellung in die Hand zu geben“.