Die Diagnose Down-Syndrom werde unter der Voraussetzung, dass Eltern eine optimale Betreuung, Beratung und Unterstützung für ihr behindertes Kind erfahren, ganz anders aufgenommen.
Für SPÖ-Behindertensprecherin Christine Lapp ist das heute, Mittwoch, im „Kurier“ publizierte Urteil des OGH, wonach ein Arzt für ein behindertes Kind mit Down-Syndrom zahlen muss, weil er es unterlassen hatte, der werdenden Mutter eine eindeutige Diagnose zu kommunizieren, ein Beispiel, aus dem man nur lernen könne.
„Im Vordergrund der Pränataldiagnose muss die eindeutige und explizite Aufklärung über eventuelle Risiken und Gefahren für Kind und Mutter stehen. Die Diagnose einer eventuellen Behinderung, wie Trisomie 21, dürfe daher keinesfalls seitens des Arztes aus der Angst heraus, die Wahrheit wäre ein zu großer Schock für die Patientin, verheimlicht oder nur verbrämt mitgeteilt werden“, betonte Lapp, die allerdings gleichzeitig darauf hinwies, dass die dann daraus gefolgerte Entscheidung für oder gegen das Kind eine höchst persönliche der Eltern sei und keinesfalls von außen zwanghaft beeinflusst werden dürfe.
„Umfassende Aufklärung und Beratung von Beginn an sind dringend notwendig. Ein gutes Beispiel ist hier die Down-Syndrom-Ambulanz in Wien, die Eltern vollste Unterstützung und aller erdenklichen Hilfen anbietet – und zwar durchgehend von der Pränataldiagnostik an bis ins Erwachsenenalter“, so Lapp gegenüber dem SPÖ-Pressedienst.
Wichtig sei es vor allem, Diskriminierungen behinderter Menschen im Alltag sukzessive und rasch abzubauen und seitens der Politik für eine auf klaren Rechtsansprüchen basierende Teilhabe von Menschen mit Behinderung zu sorgen.
Die Diagnose Down-Syndrom werde unter der Voraussetzung, dass Eltern eine optimale Betreuung, Beratung und Unterstützung für ihr behindertes Kind erfahren, ganz anders aufgenommen, als wenn Behinderung stets nur als Mangel und Krankheit aufgefasst und kommuniziert werde, gab Lapp zu Bedenken. Seitens der Ärzte bestehe hier also die Verpflichtung, werdende Eltern positiv und umfassend aufzuklären und nicht im „Regen stehen zu lassen“ oder sich gar auszuschweigen.
Lapp abschließend: „Sich aktiv für Gleichberechtigung und gegen Diskriminierungen von behinderten Menschen im Alltag, Beruf und einfach in jeder Lebenslage einzusetzen, ist das beste Mittel, Eltern, aber auch Ärzten die Entscheidung für ein behindertes Kind zu erleichtern“.
Gerhard Wagner,
26.07.2006, 10:36
Ich glaube, die Ärzte sind manchmal in der Kommunikation mit ihrem Gegenüber überfordert. Ich weiß nicht, ob es die Situation verbessern wird, einen Arzt zur Unterhaltspflicht für ein behindertes Kind zu verdonnern.
Wenn der Arzt also der schwangeren Frau eindrücklich empfohlen hat, die Risikoambulanz aufzusuchen und dabei die Konsequenzen und „Risken der Unterlassung“ nach Sicht des OGH nicht ausführlich genug angesprochen hat, so hat er nach Sicht des OGH der schwangeren Frau verbaut, die Tragweite ihrer „Handlung oder Unterlassung“ zu überschauen und sie daher ihr „Selbstbestimmungsrechnt nicht in zurechenbarer Eigenverantwortung wahrnehmen kann“. (zit aus EF-Z [2006] 2, S. 54)
Doch: Woher haben die Ärzte das Wissen der Kommunikation, das Wissen um Lebensqualität mit Behinderung? Hier wäre es wesentlich, bereits im Studium die Sensibilität von angehenden Ärzten zu schulen. Und auch in der Weiterbildung…
Denn was wird jetzt geschehen? Der Druck auf die Ärzte, einer schwangeren Frau nachdrücklich zu raten, eine Abtreibungsklinik aufzusuchen, könnte steigen, zumal eine Unterhaltsforderung an den Arzt von EUR 3.657,26 pro Monat (!) vermutlich äußerst abschreckend wirkt.
Aufklärungspflicht ja, aber mit Sensiblität: Es hat auch keinen Sinn, werdende Eltern in Panik zu versetzen, weil etwas sein könnte, und weil der Arzt selbst möglicherweise in Panik ist, wenn ihn solche zwischenmenschlich schwierigen Diagnosegespräche überfordern.