Leben mit Persönlicher Assistenz

Seit mehreren Jahren werden Ziel und Zweck des Gesetzes immer wieder massiv in Frage gestellt.

Im Bundespflegegeldgesetz (BPGG) steht im § 1 festgeschrieben „Das Pflegegeld hat den Zweck, in Form eines Beitrages pflegebedingte Mehraufwendungen pauschaliert abzugelten, um pflegebedüftigen Personen, soweit wie möglich die notwendige Betreuung und Pflege zu sichern sowie die Möglichkeit zu verbessern, ein SELBSTBESTIMMTES, bedürfnisorientiertes Leben zu führen“.

Seit mehreren Jahren werden Ziel und Zweck des Gesetzes immer wieder massiv in Frage gestellt. Die Menschen, die Hilfe und Pflege benötigen, werden permanent verdächtigt, das Pflegegeld nicht ordnungsgemäß zu verwenden:

Am 16. Juli 98 titelte der KURIER zum Beispiel „Pflegegeld fließt oft nur auf das Sparbuch des Enkerls“.

Schlagzeilen wie diese sind wohl auch Resultat wiederholter Äußerungen dieser Art des zuständigen Wiener Stadtrates Rieder (SPÖ).

Für mich, die ich seit Jahren auf Hilfe und Unterstützung in fast allen Lebensbereichen angewiesen bin, ist diese „Diskussion“, die fast ausschließlich auf der Basis von Desinformation und Unterstellung geführt wird, unverständlich und inakzeptabel.

Ich beziehe derzeit die Stufe fünf des Pflegegeldes in Höhe von 11.541 Schilling monatlich. Um in diese Stufe zu erreichen, muß man 180 Stunden Pflegebedarf nachweisen.

Was nun meine „Pflege“ anbelangt, die ich mir gestützt auf mein Pflegegeld und mein Einkommen selbst organisiere, so beziehe ich mich dabei vor allem auf das Wort „selbstbestimmt“, das im § 1 des BPGG verwendet wird. In diesem Zusammenhang möchte ich den Begriff der Persönlichen Assistenz (PA) verwenden, der leider in Österreich noch zu wenig gebräuchlich ist.

Ich möchte nun von meinem Weg zur Persönlichen Assistenz erzählen, den ich mittlerweile schon seit 15 Jahren gehe.

Als meine Familie mir nicht mehr die notwendige Unterstützung geben konnte, die ich zum Leben brauchte, wurde meine Lebenssituation mit einem mal äußerst schwierig. Mein Vater verstarb und meine Mutter hatte einen Schlaganfall.

In den Rehabilitationszentren wurde ich an die Normen der nichtbehinderten Menschen angepaßt. Mein ganzer Alltag war Therapie.

Teilweise halfen mir Freunde, Bekannte und Nachbarn. Doch ich hatte den Anspruch – wie in den Rehabilitationszentren gelernt – möglichst viele Dinge selbst zu tun.

Da ich das An- und Ausziehen mehr oder weniger selbst machte – dies kostete mir sehr viel Energie – fehlte mir zu diesem Zeitpunkt immer öfter die Kraft, meine Arbeit auszufüllen. Ich war zu diesem Zeitpunkt voll berufstätig.

Bei einem Treffen mit behinderten Menschen aus ganz Österreich erzählte ein Teilnehmer über seinen USA Aufenthalt und berichtete vom „Aufstand der Betreuten“. Nach diesem Treffen wurde mir klar, daß Persönliche Assistenz für mich der einzige Weg ist, mein Leben neu zu organisieren.

Seit ungefähr 15 Jahren bin ich in fast allen Lebensbereichen auf Hilfe und Unterstützung in Form von Persönlicher Assistenz angewiesen. Vorher wurden die Hilfestellungen – wie bereits erwähnt – von meiner Familie geleistet.

Derzeit teile ich mir mit meinem Partner eine Angestellte. Diese hilft mir am Morgen beim Duschen, Ankleiden, etc. Darüber hinaus versorgt sie unseren Haushalt. Weiters habe ich 6 Persönliche Assistentinnen (Studentinnen) beschäftigt.

Damit für mich große Flexibilität möglich ist, hat jede Studentin ihren fixen Tag in der Woche, diesen halten sie sich auf der Universität frei. Weiters arbeitet jede Assistentin ein Wochenende im Monat.

Sie dürfen monatlich 3.830 Schilling verdienen, das ist das Maximum, was sie neben der Studienbeihilfe bzw. Familienbeihilfe dazuverdienen dürfen.

Ab diesem Betrag müßte ich als Arbeitgeberin sämtliche Lohnnebenkosten tragen, dies wäre für mich kaum finanzierbar.

Derzeit bezahle ich pro Stunde S 100,-, am Wochenende und an Feiertagen S 125,-. Ich finde meine Assistentinnen meist über ein Inserat bei der Jobbörse der Universität oder über Bekannte.

Was ist unter „Persönlicher Assistenz“ zu verstehen?
Persönliche Assistenz ist jede Form der persönlichen Hilfe, die mich in die Lage versetzt, mein Leben selbstbestimmt zu gestalten.

Sie umfaßt alle Bereiche des Alltags in denen ich aufgrund meiner Behinderung Hilfe und Unterstützung benötige.

Zum Unterschied von den vorhandenen Sozialen Diensten bin ich als Konsumentin von Persönlicher Assistenz nicht Objekt, an dem Hilfeleistungen erbracht werden, sondern bestimme selbst als Subjekt, was zu geschehen hat.

Persönliche Assistenz ist nicht Betreuung.
Unter Betreuung verstehen wir den Zwang, unseren Tagesablauf von anderen bestimmen zu lassen. Wir müssen uns dabei meist starren Sozialen Diensten anpassen. Zeit, Ort und Person, sowie die Form der geleisteten Hilfe und Unterstützung können nicht von uns selbst bestimmt werden.

Das Konzept der Persönlichen Assistenz beinhaltet fünf wichtige Kompetenzen, die ich mir aneignen mußte:

  • Personalkompetenz: Ich entscheide, wer die Assistenzleistung erbringt. Ich schließe Arbeitsverträge mit meinen Assistentinnen ab, erstelle Dienstpläne, mache die Lohnabrechnung und führe bei Bedarf Steuern und Sozialversicherungsbeträge ab.
  • Anleitungskompetenz: Ich leite meine Assistentinnen selbst an.
  • Finanzkompetenz: Ich kontrolliere als Arbeitgeberin die Verwendung der mir zur Verfügung stehenden Finanzmittel.
  • Organisationskompetenz: Ich gestalte als Arbeitgeberin meinen Tagesablauf nach meinen Wünschen und Anforderungen.
  • Raumkompetenz: Ich bestimme an welchem Ort die Assistenzleistung erbracht wird (z. B. in der eigenen Wohnung, am Urlaubsort, bei Besuchen bei FreundInnen und Familienangehörigen).
  • Da ich einen hohen Assistenzbedarf habe, ist es nicht immer leicht für mich, den Überblick und die Kontrolle zu behalten.

    Zu meinen Assistentinnen habe ich oft ein freundschaftliches Verhältnis. Dies ist für mich persönlich wichtig. Menschen, die mich körperlich berühren, muß ich einfach mögen.

    Es ist nicht immer leicht, gleichzeitig Freundin und Arbeitgeberin zu sein. Aber es ist die einzige Lebensform, die ich mir vorstellen kann, da es meiner Meinung nach nur so möglich ist, die volle Verantwortung für mein Leben zu übernehmen.

    Trotz mancher Schwierigkeiten bin ich glücklich, diese Lebensform gewählt zu haben.

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