Lebenshilfe Österreich: Behinderung ist eine gesellschaftliche Herausforderung

Der Gesetzgeber ist gefordert, die Eugenischen Indikation aufzuheben und umfassende Unterstützung für Eltern mit Kindern mit Behinderungen zu schaffen

Germain Weber
Lebenshilfe Österreich

Warum haben behinderte Kinder im Mutterleib kein Recht auf Leben, wenn ungeborene Kinder ohne Behinderung bereits vom Zeitpunkt ihrer Empfängnis einen Anspruch auf Schutz der Gesetze haben? Die Lebenshilfe Österreich sieht in der derzeitigen Gesetzeslage eine untragbare Diskriminierung und fordert einmal mehr die Aufhebung der Eugenischen Indikation.

„Behinderung ist eine gesellschaftliche Herausforderung, die sich nicht an einem finanziellen Kosten-Nutzen-Denken orientieren darf“, stellt Univ.-Prof. Dr. Germain Weber, Präsident der Lebenshilfe Österreich, klar und spricht sich für einen breiten Diskurs in der Öffentlichkeit über Behinderung und Geburt eines ungewollten Kindes „wrongful birth“ aus, wie er in der gestrigen ORF-Sendung Kreuz und Quer aufgegriffen wurde.

Dabei haben sich führende Rechtsexperten ebenfalls der Ansicht der Lebenshilfe Österreich angeschlossen, dass die Eugenische Indikation nicht mehr mit der derzeitigen Rechtsnorm vereinbar ist.

„In den letzten 20 Jahren ist der Anteil an Geburten von Kindern mit Down-Syndrom um 60 % zurückgegangen, was sicherlich auf die verbesserten Methoden der vorgeburtlichen Untersuchungen zurückzuführen ist. Hier werden leicht durchführbare Selektionsmechanismen eingesetzt, die ungeborenes Leben mit Behinderung auslöschen,“ kritisiert Weber.

Auch noch so ausgereifte Methoden der Pränataldiagnostik und die Verbreitung der Anwendung verhindern nicht, dass weiterhin Kinder mit Behinderung auf die Welt kommen. Nur 3 % der Behinderung sind erblich bedingt, viele Behinderungen entstehen erst bei der Geburt oder in im früheren Kindheitsalter.

Der Gesetzgeber ist gefordert, sich der Herausforderung „Behinderung“ zu stellen und finanziellen Nachteile infolge der Geburt eines Kindes mit Behinderung zu tragen. Es müssen Unterstützungsmechanismen für Eltern mit Kindern mit Behinderung geschaffen werden: sachlich-wertfreie Beratungen während der Schwangerschaft und danach, mit dem Ziel, Eltern bei ihrer Entscheidung für ein Kind mit Behinderung zu unterstützen.

„Sowohl ÄrztInnen als auch Eltern brauchen unabhängige Beratungsstellen, welche die psychosoziale Beratung übernehmen. Um auch über die guten Lebensperspektiven von Menschen mit Behinderung informieren zu können, sollten die Erfahrungen aus dem alltäglichen, gemeinsamen Leben mit Menschen mit Behinderungen in die Beratung einbezogen werden“, so Weber abschließend.

Eugenische Indikation: Der Paragraph 97 im Strafgesetzbuch sieht die Möglichkeit der Abtreibung über die 3-Monats-Frist hinaus vor, wenn eine „ernste Gefahr besteht, dass das Kind geistig oder körperlich schwer geschädigt sein werde“.

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