Lebenshilfe Österreich fordert die sofortige Zurücknahme des Lehrbuchs "Biomedizin"
Der Unterrichtsbehelf von Prof. Markus Hengstschläger löst bei der Lebenshilfe Österreich große ethische Bedenken aus. Das Lehrbuch „Biomedizin: Die Genetik des Menschen“ des Linzer Genetikers enthält diskriminierende Beschreibungen und Abbildungen von Menschen mit Behinderungen.
Die Lebenshilfe Österreich fordert die sofortige Zurücknahme des Lehrbuchs vom Unterricht. Das Buch wurde seitens des Unterrichtsministeriums für den Unterrichtsgegenstand Biologie und Umweltkunde an allgemein bildenden höheren Schulen der 8. Klasse freigegeben.
Diskriminierung contra objektiver Wissensvermittlung
Das kürzlich erschienene Lehrbuch mit dem Titel „Biomedizin: Die Genetik des Menschen.“ von Prof. Dr. Markus Hengstschläger soll einen fachlichen Überblick zum Thema Genforschung vermitteln. Gleichzeitig möchte der Genetiker von der Universitätsklinik für Frauenheilkunde im AKH eine Basis für „abwägende Diskussionen“ im „Jahrtausend der Biomedizin“ schaffen.
Aus Sicht der Lebenshilfe Österreich werden in diesem Unterrichtsbehelf Menschen mit Behinderungen im höchsten Ausmaß diskriminierend dargestellt. Dieses Lehrbuch ist daher für die objektive Wissensvermittlung für Schüler und Schülerinnen der 8. Schulstufe völlig ungeeignet.
Schaustücke im wissenschaftlichen Kontext
Ohne jede Einführung in die komplexe Materie der Genetik werden gleich zu Beginn des Lehrbuches genetisch bedingte Krankheitsbilder aufgelistet und in einem stark defizitorientierten Stil beschrieben.
„Schwarz-Weiß“-Bilder von Kindern mit Down Syndrom stehen im starken Kontrast zu anderen Abbildungen in der durchwegs farbig gestalteten Broschüre. Besonders entwürdigend wirken Aufnahmen von nackten Jugendlichen, die auf ihre Syndrome reduziert und wie Schaustücke im wissenschaftlichen Kontext behandelt werden. Als Interessensvertretung für Menschen mit Behinderungen weist die Lebenshilfe Österreich diese Art der Wissensvermittlung im Unterrichtsbereich scharf zurück.
„Wie hier mit einem derart brisanten und sensiblen Thema im Unterricht umgegangen wird, ist schlicht nicht mehr zeitgemäß. Schon alleine beim Durchblättern dieses Lehrbuchs fühlt man sich Jahrzehnte zurückversetzt“, so Albert Brandstätter, Geschäftsführer der Lebenshilfe Österreich.
Behinderung ist keine Krankheit
In seinem Lehrbuch trifft Prof. Hengstschläger aus Sicht der Humanmedizin keine klare Unterscheidung zwischen Erkrankung und Behinderung. Dem gegenüber steht die Position der Lebenshilfe Österreich, die in Fragen der Gendiagnostik sehr wohl zwischen Erbkrankheiten und genetisch bedingten Behinderungen unterscheidet.
„Krankheit und Behinderung sind zwei unterschiedliche Phänomene. Eine Krankheit kann zu einer Behinderung führen und eine Behinderung kann gesundheitliche Probleme nach sich ziehen, z.B. Herzprobleme bei Menschen mit Down-Syndrom. Behinderung ist keine Krankheit“, stellt Brandstätter klar.
Für Gleichstellung und Chancengleichheit
Die positive Lebensrealität vieler Kinder, Jugendlicher und Erwachsener mit Behinderungen findet in dem Lehrbuch von Prof. Hengstschläger keine Erwähnung. Den Jugendlichen wird ein einseitiges und veraltetes Bild von Menschen mit Behinderungen vermittelt. Das trägt wiederum dazu bei, dass Vorurteile entwickelt und Barrieren aufgebaut werden.
„Neben den harten Fakten sollte den Schülern ein positives Bild von Menschen mit Behinderungen gezeigt werden“, fordert Brandstätter, „denn nur so kann in der Öffentlichkeit vermittelt werden, dass Menschen mit Behinderungen ein integriertes und erfülltes Leben mitten in der Gesellschaft führen können.“
Die Lebenshilfe Österreich spricht sich nachdrücklich gegen die entwürdigende und diskriminierende Darstellung von Menschen mit Behinderungen aus und fordert die sofortige Rücknahme des Lehrbuchs vom Unterrichtsgebrauch.