Lebenshilfe: Thomas Wagner als erster Vizepräsident mit intellektueller Beeinträchtigung gewählt

Lebenshilfe-Präsident Weber spricht von historischem Schritt in Richtung Inklusion

Thomas Wagner
Lebenshilfe Österreich

„Mir ist es wichtig, dass Menschen mit Beeinträchtigungen gehört werden. Ich möchte eine starke Stimme sein“, erklärte Thomas Wagner (38) aus Freistadt, der neue Vizepräsident der Lebenshilfe aus den Reihen der Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung. „Außerdem soll sich etwas in den Köpfen der Politiker bewegen. Menschen mit Beeinträchtigungen sind Menschen wie alle anderen auch und so wollen wir auch behandelt werden. Wir wollen Chancen. Und ganz wichtig: Wir können für uns selber sprechen!“ erklärt Wagner weiter.

Mit der offiziellen und einstimmigen Bestätigung durch die Mitgliederversammlung vergangenen Samstag, tritt erstmals ein Selbstvertreter das Amt eines Vizepräsidenten der Lebenshilfe Österreich an. Thomas Wagner ist Mitglied des Selbstvertretungsbeirates und zudem als oberösterreichischer Gesamtsprecher aktiv. Damit ist Wagner im Präsidium der Lebenshilfe vertreten und vertritt die Belange der NutzerInnen nach innen und außen.

Ein Meilenstein für die Lebenshilfe auf dem Weg zu Inklusion

„Ein Meilenstein für die Lebenshilfe auf dem Weg zu Inklusion!“ freut sich Lebenshilfe Präsident Weber über diesen historischen Schritt der Bundesorganisation der Lebenshilfe. „Ich bin sehr stolz und glücklich, diesen Augenblick zu erleben. Darauf haben wir fünf Jahre lang intensiv hingearbeitet. Herzliche Gratulation dem neuen Vizepräsidenten!“

Erste Forderung Wagners an die Lebenshilfe war eine gute Assistenz, die er selbst auswählt und die ihn in seiner Amtszeit – er ist auf zwei Jahre gewählt – kontinuierlich begleitet und in seiner Entscheidungsfindung unterstützt. „Die Lebenshilfe hat entschieden, dass diese Unterstützung künftig jedem Vizepräsidenten oder jeder Vizepräsidentin aus den Reihen der NutzervertreterInnen zusteht. Wir wollen unterstützte Entscheidungsfindung bei uns vorleben. Gleichzeitig fordern wir dies auch auf gesetzlicher Ebene für alle Menschen mit Beeinträchtigungen ein“, erklärt Lebenshilfe-Präsident Weber dazu.

Thomas Wagner übernimmt als erster Selbstvertreter ein Amt im Präsidium der Lebenshilfe und schreibt damit Geschichte

Als Mitglied des Selbstvertretungsbeirates der Lebenshilfe Österreich und langjähriger Landessprecher setzt sich der 38-jährige Oberösterreicher bereits seit Jahren für die Anliegen von Menschen mit Beeinträchtigungen ein.

„Schon bevor es den Selbstvertretungsbeirat der Lebenshilfe Österreich gegeben hat, habe ich mich als Interessenvertreter der Lebenshilfe Freistadt für die Anliegen von KlientInnen stark gemacht. Ich habe mir die Anliegen aufgeschrieben und gemeinsam mit dem Leiter haben wir besprochen, was wir verbessern können. 2007 wurde dann der Selbstvertretungsbeirat der Lebenshilfe Österreich gegründet. Ich war als Gründungsmitglied von Anfang an dabei. Der Beirat besteht aus zwei Vertretern je Bundesland. Wir treffen uns viermal im Jahr.“

Zu den Sitzungen, die in ganz Österreich stattfinden, reist Wagner alleine mit dem Zug an. Besprochen werden wichtige Forderungen und Anliegen innerhalb der Lebenshilfe, aber auch an Politik und Wirtschaft. „Wir haben uns enorm weiterentwickelt“, stellt Thomas Wagner in diesem Zusammenhang fest.

Selbstbestimmung und Barrierefreiheit als zentrale Anliegen

Die Mitglieder des Selbstvertretungsbeirates absolvieren heute souverän Politikervorsprachen, Pressegespräche und präsentieren ihre Anliegen auf unterschiedlichsten Fach-Veranstaltungen. Wagner berichtet dazu stolz: “ Wir hatten schon mehrere Treffen mit Sozialminister Rudolf Hundstorfer, Behindertenanwalt Erwin Buchinger und verschiedenen Landtagsabgeordenten. Im Vorjahr waren wir sogar zu einer Vorsprache bei Bundespräsident Dr. Heinz Fischer eingeladen. Wir haben ihn auf die Hindernisse in unserem Leben aufmerksam gemacht und wie wichtig es ist, Leichte Sprache zu verwenden.“

Thomas Wagner ist seit seiner Kindheit Rollstuhlfahrer. Spastische Diphlegie lautete seine Diagnose. Als jüngstes von zwölf Kindern, war dies in seiner Familie allerdings nie ein Thema. „Meine Geschwister haben mich überall mit hingenommen, das war ganz normal und sie haben mich auch nicht versteckt. Ich glaube, deshalb habe ich auch so viel Selbstbewusstsein.“ erklärt Wagner.

Mit sechs Jahren besuchte Thomas Wagner die Sonderschule in St. Isidor bei Linz. Mit 18 absolvierte er einen polytechnischen Lehrgang, kam dann zu einem berufsbildenden Reha-Zentrum und arbeitete in einer geschützten Werkstätte in einer Schlosserei. „5 Monate war ich dort! Ich habe Schrauben sortiert. Leichte Auftragsarbeiten erledigt. Das war mir aber viel zu fad.“

Nach einem Jahr zu Hause kam Thomas Wagner dann zur Lebenshilfe Freistadt. Neben seinen vielfältigen Tätigkeiten als Selbst- und Interessenvertreter arbeitet Wagner heute im Lebenshilfe-Geschäft „Aktivshop“ in Freistadt, wo er vor allem organisatorische Dinge erledigt.

„Ich freue mich sehr auf meine neue Aufgabe als Vizepräsident, für die ich mich mit aller Kraft einsetzen werde. Ich wünsche mir wirklich, dass die Barrieren für Menschen mit Lernschwierigkeiten weniger werden und, dass wir nicht mehr am Rand stehen. Dafür werde ich mich stark machen. So lebt man nämlich Inklusion in meine Augen. Wenn wirklich alle Menschen dazugehören und keiner mehr am Rand steht“, erklärt Thomas Wagner.

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