Lektion 18: Langfristige Effekte von Sonderschule

Nachhilfe für einen Sektionschef: So geht Inklusion in der Schule

Genug versucht - nun Gesetz umsetzen
Orschulik f. Monitoringausschuss

Sehr geehrter Herr Mag. Nekula,

wie Sie wissen, werden in Österreich Kinder kontinuierlich von der Regelschule in Sonderschulen überstellt. In der ersten Schulstufe sind 0,9 % aller PflichtschülerInnen in Sonderschulen, in der 8. Schulstufe sind es 2,3 %. Dies betrifft vor allem Buben und Mädchen mit Lernschwierigkeiten, der absolut größten Gruppe unter den SonderschülerInnen.

Die Überstellung dieser Kinder wird meist damit begründet, dass sie in Sonderschulen besser gefördert werden können. Diese Lektion widmet sich der Frage, ob sich diese Annahme empirisch belegen lässt, wobei der Berufsweg ehemaliger SonderschülerInnen als entscheidender Indikator herangezogen wird.

Schon 1981 zeigte eine große Vergleichs-Studie in Österreich (Forster et.al. 1981), dass SonderschülerInnen geringere Chancen haben als HauptschülerInnen, eine Ausbildung zu beginnen oder eine begonnene Ausbildung zu beenden. SonderschülerInnen wurden signifikant häufiger HilfsarbeiterInnen.

Eine vergleichbare aktuelle Untersuchung liegt 30 Jahre später aus der Schweiz vor. Eine über 12 Jahre angelegte Langzeitstudie (Eckhart et.al. 2011) erfasste die Werdegänge von Jugendlichen mit Lernbehinderungen aus Integrationsklassen und vergleichbaren Jugendlichen aus Sonderschulen. Das Hauptinteresse der AutorInnen lag bei den Übergängen zwischen Schule und Beruf bzw. der Frage, wie gut sich die jungen Erwachsenen am Arbeitsmarkt behaupten können.

Die Ergebnisse dieser quantitativen Untersuchung sind eindeutig:

  • AbgängerInnen mit Lernbehinderungen aus Integrationsklassen haben deutlich bessere Chancen in der Berufswelt als ehemalige SonderschülerInnen;
  • Jugendliche mit Lernbehinderungen aus Integrationsklassen schaffen es immer wieder, an mittleren Schulen Abschlüsse zu erreichen, wohingegen dies bei Jugendlichen aus Sonderschulklassen kaum je der Fall ist;
  • Schließlich müssen ehemalige SonderschülerInnen im Vergleich zu ehemaligen IntegrationsschülerInnen als sozial isoliert bezeichnet werden, denn sie haben im Gegensatz zu ihren KollegInnen aus der Integration keine tragfähigen sozialen Netze.

Konsequenterweise lautet der Schluss der AutorInnen: „Die Integration der bisher als ‚lernbehindert‘ diagnostizierten Kinder und Jugendlichen in die Regelklassen und damit die Abschaffung der Sonderklassen für Lernbehinderte ist unter dem Aspekt der Chancengerechtigkeit unumgänglich.“ (ebd., S. 112).

In der heutigen Lektion empfehlen wir die Studie von Eckhart (2011) zu lesen und zu überlegen, was die Ergebnisse für Österreich bedeuten können.

Eckhart, Michael et.al. (2011): Langzeitwirkungen der schulischen Integration. Eine empirische Studie zur Bedeutung von Integrationserfahrungen in der Schulzeit für die soziale u. berufliche Situation im jungen Erwachsenenalter. Bern: Haupt Verlag.

Der Vollständigkeit halber hier auch die Angabe zu der Studie aus Österreich von 1981: Forster, Rudolf et.al. (1981): Normalisierung oder Ausschließung – über die Berufsfindung und das Lebensschicksal von Sonderschulabgängern. Wien: Sonderpublikation des Instituts für Höhere Studien, Wien.

Mit freundlichen Grüßen
Petra Flieger und Volker Schönwiese

Teil der Serie: So geht Inklusion in der Schule

Dieser Text ist Teil der Serie „Nachhilfe für einen Sektionschef: So geht Inklusion in der Schule„. Mit dieser Informations- und Materialsammlung soll Wissen zur Umsetzung von inklusiver Bildung vermittelt werden.

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